andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 07. Juni 2007, 04:16
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stimulierende Bisse

Früher sollen ja einige Männer subtile Tricks angewendet haben, um an eine Frau heran zu kommen. Angeblich war der gemeinsame Besuch eines spannenden Films im Kino sehr erfolgversprechend, besonders wenn schockierende Szenen gezeigt wurden. Laut Klischee warfen sich die ängstlichen Damen nämlich in die starken Arme ihres Begleiters – und schon war der erste Körperkontakt hergestellt.
Für die schreckhaften Männer, die es auch damals schon gegeben hat, kamen auch andere Möglichkeiten in Frage: große Insekten etwa, Mäuse auf dem Küchenfußboden (dafür musste Mann natürlich erst bis in die Küche kommen!) oder eklige Spinnen. Das Risiko eine Ohrfeige zu kassieren war wohl größer als im Kino, aber der angestrebte Erfolg der Gleiche: eine zitternde und aufgeregte junge Dame mit hochgeschnelltem Puls, die sich bereitwillig angrabschen und am Nacken knabbern ließ.
Oder war es umgekehrt? War es der Trick der Frauen, endlich diese schüchterne Distanz zu überwinden? – Egal.

Jetzt mag Mancher sagen, dass die Spinnen damals noch einen echten Nutzen hatten. Das andere Ungeziefer ist für die meisten Menschen kein Thema: Insekten sind lästig, aber oft nützlich; Mäuse tun in Laboren ihre Pflicht; nur die Spinnen … die Spinnen … die fangen nicht einmal die Mücken weg. Stattdessen krabbeln sie beängstigend herum, winken mit ihren Beinchen und lassen Urinstinkte in uns lebendig werden.
Was taugen eigentlich diese Plagegeister?

In der Wissenschaft wird mit den Spinnen schon lange geforscht. Eine der aufregendsten Fragen ist hierbei die Spinnenseide, die nicht nur dafür gut ist, dass mit an ihr hängenden Spinnen die Frauenwelt erschreckt wird. Es ist ein Material, das um ein Vielfaches dehnbarer und reißfester als alle heute genutzten Materialien ist: Stahl, Kunststoffe, Hanf … alles Mumpitz gegen Spinnenseide.
Die Bionik erforscht auch die Augen der Spinne, weil sie extrem leistungsfähig bei kleiner “Rechnerleistung“ sind (nein, es sind keine Facettenaugen wie bei den Insekten). Und an die anderen Wahrnehmungsorgane (z.B.: Tasthaare) wagen sich die Forscher noch gar nicht ran.
Interessant ist auch das Spinnengift. Es wird in der Krebsbekämpfung getestet (zum Thema Gehirntumore lief es schon durch die Presse), erweckt die Neugier von Immunologen und scheint in Verdünnung auch positive Effekte auf die Nervenzellen zu haben (-> Neurexine). Wie sagte schon Paracelsus: “Es kommt auf die Dosierung an ob etwas ein Gift oder ein Heilmittel ist.“.
All dies hat nicht sonderlich viel Wirbel gemacht und sich kaum herum gesprochen. Da musste schon etwas Wichtigeres her, etwas Bewegendes, etwas Weltumspannendes, das eine echte Umwälzung verspricht und der Menschheit in seiner Gesamtheit etwas Gutes verspricht.
Nein, ich meine nicht so eine popelige Nichtigkeit wie G8-Gipfel, Weltfrieden, Krebsheilung, Menschenrechte, Hungerbekämpfung oder so. Ich meine natürlich Sex.

Chilenische Forscher sollen aus dem Gift der schwarzen Witwe einen Viagra-Ersatz entwickelt haben, der nicht die Nebenwirkungen von Viagra hat. – Wir sollten aber noch nicht über Wortspiele über Potenz und schwarze Witwen nachdenken, denn die Presse stürzte sich da nur auf einen einzigen Artikel der weltweit berühmten Tageszeitung “El Mercurio“ und vervielfältigte ihn nur. Außer den Aussagen eines gewissen Fernando Romero, der erfolgreiche Laborversuche an Ratten und Kaninchen meldete, ist nichts Greifbares vorhanden. Kein Patent, keine klinischen Tests … nichts.
Leider sind in diesem Presserummel glatt die Untersuchungen an der Spinne phoneutria nigriventer untergegangen. Dieses Tier aus der Familie der Kammspinnen steht schon länger im Verdacht eine erektionsfördernde Wirkung – oder besser: Nebenwirkung – zu haben. Es ist diese Nebenwirkung, die bei Männern, die von dieser Spinne gebissen wurden, schon seit vielen Jahren beobachtet wurde. Eine schmerzhafte Nebenwirkung, die aber recht eindrucksvoll ausfallen soll …
(Biologisch handelt es sich um einen Bestandteil des Gift-Cocktails der Spinne, der den klingenden Namen Tx2-6 bekommen hat (gähn). Durch Tx2-6 soll der Botenstoff cGMP (Cyclisches Guanosinmonophosphat) angeregt werden, der wiederum auf den Penis wirkt … interessiert bestimmt keine Socke)

Schmerzhaft! – Dieses Wort sollten sich Interessierte genau merken. Sowohl die Gifte der kugelförmigen schwarzen Witwen, als auch das der Kammspinnen, sind durchaus tödlich, - immer aber extrem schmerzhaft. Spinnengifte bestehen nämlich problemlos aus mehreren Tausend Substanzen mit unterschiedlichster Wirkung (und keine davon hat die Absicht die Gesundheit des Gebissenen zu fördern).
Mit dem deutschen Namen der Kammspinne werden wir noch ein paar Späße haben, denn der ist, wie so oft, nicht ganz klar. Einige nennen sie “die brasilianische Kammspinne“, andere kurz “Bananenspinne“. Letzteres ist in diesem Zusammenhang sicher passend.

Auf jeden Fall sollten wir aber nicht mehr auf die Spinnen als Ungeziefer schauen. Vielleicht helfen sie den Männern bald wieder Erfolg bei Frauen zu haben (oder bei Männern) – oder sie helfen den Frauen (oder auch nicht …). Und ob jetzt schwarze Witwe oder Bananenspinne … die Farbe und die Form der jeweiligen Pillen dürfte feststehen.


Quellen:
 Süddeutsche
 Krebsforum
 Welt

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Ropa (33)
(08.06.07)
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