andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 14. Juni 2007, 04:03
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noch eine Hamsterkolumne

In früheren Religionen hatten Namen etwas Magisches. Sie waren das Wort, das die Quintessenz des Seins erfasste, und so machtvoll, dass die Kenntnis des “wahren“ Namens auch Macht über Dinge, Pflanzen, Tiere und Menschen bedeutete. Deshalb durften nur Eingeweihte davon wissen.
Daraus entwickelte sich später die Alchemie und Zauberei, die mit Beschwörungsformeln in die Geschicke eingreifen zu können meinten. Ein klassisches Beispiel dafür, dass eine (fixe?) Idee etwas in Gang setzen kann, das sich danach tief in das Bewusstsein aller Menschen gräbt und Jahrtausende überdauert.
“Am Anfang war das Wort“ … ähm ja, auch das gehört in diese Kategorie. Genau wie das religiöse Gebot, den Namen Gottes nicht auszusprechen.

Noch vor hundert Jahren gab es (zumindest für Katholiken) keine sehr große Auswahl an Vornamen. Entweder der Name eines Eltern- oder Großelternteils, oder, noch viel beliebter, der Name des Schutzheiligen des Geburtstages: den so genannten Namenstag.
Das hatte nicht nur praktische Gründe in einer Zeit, in der nur wenige Menschen lesen konnten oder das numerische Datum kannten. Es war auch ein Schutz des Kindes, weil doch der Schutzheilige den Namensgleichen zur Seite stehen musste. – Darum gab es auch Geschenke für das Geburtstagskind. Die Menschen folgten hierbei der normalen Ring-Logik der Wirkungsketten: wenn der Schutzheilige auf den Namensgleichen achten muss, so bekommt er auch die Wertschätzung mit und reagiert positiv. Reinste Rückkopplung also – oder Magie, wie es früher hieß.

Heute sind wir selbstverständlich viel weiter … *hüstel* … Es gibt so viele Namensmöglichkeiten und niemals würden sich Menschen dabei an Vorbildern oder Moden orientieren, als wenn sie dadurch das Schicksal des Kindes beeinflussen könnten. Niemals!
Oder ist es jemals passiert, dass jemand auf Grund des Vornamens auf den Charakter eines Menschen geschlossen hätte? – Als wenn wir sofort an Menschen mit dem gleichen Namen denken würden … ts, ts, ts … Nein, so simpel sind wir nicht gestrickt.

„Mein kleiner Nicki ist an Typhus gestorben. Jetzt brauche ich einen neuen Hamster,“ pflegte ein Freund von mir die Verkäuferinnen in Zoogeschäften anzusprechen. Ein ehrlicher Dackelblick dazu und schon war ihm Mitleid gewiss (wenn ich gesagt hätte: „Meine Hannelore ist tot,“ hätte ich nicht einmal ansatzweise den gleichen Erfolg gehabt. Okay, okay … den Dackelblick bekam ich auch nie so gut hin. Außerdem wurde Hannelore uralt für einen Hamster.).
Manchmal bekam mein Freund sogar einen Hamster geschenkt, weil er doch ein sooo hartes Schicksal erlitten hatte. Nur in ganz wenigen Fällen rückten die jungen Frauen von ihm fort und er musste versichern, dass es nicht ansteckend sei.
An einigen Tagen packte mein Freund auch noch die Geschichte seines zweiten Haustieres aus. Es kam immer gut an, dass er Ben, die weiße Laborratte, aus einem Schlangenkäfig gerettet hatte. Süßes pelziges Tier gegen geschupptes Würgetier. Ja, das verstanden die Zoohandlungsfachverkäuferinnen (oder wie auch immer heißen mögen), besonders in den Geschäften, in denen auch Tiere verfüttert wurden.
Dann erzählte er auch gerne von Nena, seinem dritten Haustier. Er beschrieb, wie weich und kuschelig sie sei und wie gerne er sie über seine Hände und Arme laufen ließ. Und er erzählte auch, dass sie ganz winzig gewesen war, als er sie bekam …

Aber ich war ja bei den Hamstern.
Nicki starb an Typhus, was für ein Schicksal. Nicki 2 starb auch an Typhus. Bei meinem Freund starben alle Nickis an Typhus – und zwar innerhalb eines Tages!
Typhus hieß die Netz-Python meines Freundes und sie fraß ausschließlich Hamster (und Wüstenrennmäuse, aber die sind weitaus teurer). Ben (die Ratte) wurde von Typhus nicht als leckere Beute erkannt. Er wohnte tagelang im Terrarium und schlief sogar auf der zusammengerollten Schlange. Darum durfte Ben in einem eigenen Käfig wohnen. Das klassische Problem von Leuten, die süße Puscheltiere verfüttern: überlebt eines der Futtertiere, so bekommt es oft lebenslang Asyl. – Dafür war Ben auch eine extrem liebenswerte Ratte, die sogar zu Fremden freundlich war. Die Verkäuferinnen aus den Zoogeschäften wären bestimmt begeistert gewesen … sobald sie sich an einen Rattenbock gewöhnt hätten, hinter dem sich problemlos eine durchschnittliche Katze verstecken konnte.

Namen haben heutzutage gar nichts Magisches mehr. Wir verbinden mit ihnen nichts und assoziieren keine Fantasiebilder herauf. Wir sind immun gegen solche Interpretationen, wie auch in unserem Forum ständig bewiesen wird. Wer würde denn von einem Nick-Namen auf die Persönlichkeit schließen? Oder aus einem Text, einem Gedicht, einem Kommentar oder anderen Worten den Charakter lesen wollen?

Mein Freund kaufte übrigens auch noch Heimchen in den Zoogeschäften (soweit er sie nicht über die Uni bekam). Diese Tierchen sangen dann tage- und nächtelang ihre Lieder und erfreuten damit die Nachbarn. Irgendwann starben sie … meistens durch Nena … was nicht an dem Gesinge lag. Nena war der Name der Rotfußvogelspinne.



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Maya_Gähler (14.06.07)
Auf die Idee muß man ja erstmal kommen und seine Schlange Typhus nennen...
Irgendwie bin ich belustigt, würde jetzt gerne einen total coolen, wissenschaftlich fundierten, hochmeisterlichen Kommentar schreiben...
Aber... ich bin ich... und ich kann dir nur meine Freude hier lassen und dir sagen, dass ich deine Kolumne gerne gelesen habe... wie schon des Öfteren... nur.. ich lasse selten ein Zeichen da...
Es grüßt dich die Maya
wupperzeit (58)
(15.06.07)
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