andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 16. August 2007, 13:47
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konkurrenzfähig?

Manchmal ist es gar nicht so einfach positiv zu denken. – Das gilt natürlich besonders für uns Deutsche, die ja laut Experten eh zu den großen Pessimisten der Welt gehören. Es geht uns gut in Deutschland: die Armut hält sich in Grenzen (wird behauptet), die Löhne sind in Ordnung (da sollten nicht die Lokführer gefragt werden …), die Kriminalität geht zurück und die Lebensqualität ist hoch. Und doch quengeln die Deutschen nur.

“Neid ist es“, posaunte noch vor einiger Zeit die Presse heraus, “alles die, die ihre persönliche Faulheit nicht zugeben wollen und die Schuld bei den Fleißigen und Begabten suchen.“
Eine erfolgreiche Kampagne. Schon sprießen Eliteschulen und –Universitäten in den deutschen Ländern und das Zentralabitur stößt auf wenig Widerstand. Die Einführung von Studiengebühren wurde durchgewunken, Lehrpläne verschärft, die Studiengänge einem internationalen Standard angepasst und Universitäten zusammen gelegt. – Wir wollen doch international Konkurrenzfähig bleiben!
Alles dient dem hohen Ziel der Wirtschaftlichkeit, die erst den Rest ermöglicht: Die persönliche Entfaltung, die bunte Unterhaltung, die angenehme Lebensqualität, das Recht auf Individualität … zusammengefasst: die Freiheit.
Freiheit … neben Liebe, Sicherheit und Gerechtigkeit das Lieblingsthema der Menschen (zumindest wenn sie genug zu essen haben und einen gewissen Wohlstand genießen).

Doch da taucht die Diskussion über Ethik und Moral auf. Fragen werden gestellt, düstere Prognosen erstellt und Probleme benannt. Und nimmt nicht die Moral durch die Bilderflut von Sex und Gewalt ab? Wie leiden die ethischen Werte, wenn es immer nur um Geld und Erfolg geht? Was ist das für eine Moral, die das Leben um jeden Preis schützen will, aber ein Problem mit der Definition vom würdigen Sterben hat? Wie beeinflusst das (un-) moralische Verhalten deutscher Führungskräfte die Moral der Kinder und Jugendlichen?

Da ist er wieder: der Pessimismus. Die Deutschen neigen dazu Schuldgefühle zu entwickeln, sie zu pflegen und zu hätscheln. Dabei sollten sie sich lieber an der internationalen Konkurrenz orientieren.

Nun gut … bei der Sache mit dem moralischen Verhalten unserer Führungskräfte ist ein Nachfragen sicherlich erlaubt. Korruption und Bestechlichkeit brauchen keine Diskussionen um Ethik und Moral, denn wenn die Trennung von Wirtschaft und Politik aufweicht, ist niemandem geholfen. Betrug, Bestechung, persönliche Bereicherung … nein, das darf nicht sein.
Doch ausgerechnet hier vergeht praktisch kein Tag, an dem uns nicht neue Hiobsbotschaften erreichen: überzogene Abfindungen für unfähige Manager, juristisch erlaubte Nebentätigkeiten von Politikern, seltsame berufliche Karrieren von ausgeschiedenen Politikern, käufliche Betriebsräte, Lobbyisten und Amigos überall, vorsätzliche Pleiten und Bestechungen im Ausland, die in Deutschland von der Steuer abgezogen werden durften …
Fast könnten wir den Eindruck bekommen, dass in den oberen Etagen unserer Firmen und Behörden keine Moral mehr herrscht. Die Angst ist berechtigt, dass es nach unten hin immer weitere Kreise zieht und bald kein Schuldbewusstsein mehr existiert, weil mit: „das tun die da Oben doch auch“ oder: „das macht doch jeder“ argumentiert wird.
Oder ist es schon zu spät? Haben die Pessimisten Recht? Ist Deutschland ein Korruptionssumpf?

Nur keine Panik! - Nach den Berechnungen von Transparency international sieht es in Deutschland ziemlich gut aus. Im Korruptionsindex dieser unabhängigen und sehr kritischen Organisation liegt unser Land seit vielen Jahren immer im oberen Bereich der “guten“ Länder, die von Ländern wie Australien, Kanada, Neuseeland, Schweiz, Island und Finnland angeführt werden.
Im Jahr 2006 reichte es problemlos für Platz 16 (von 163) mit ca. 8 von 10 Punkten.

Also bitte! – Platz 16 trotz der Affären, Schmiergeldzahlungen, Lobbyisten und Amigo-Wirtschaft … Toll.
Aber … wie sieht das dann erst in den 147 Ländern dahinter aus? Oder mit Ländern die unter 5 Punkte bekommen haben (etwa 100!)? Müssen wir uns auch hier der internationalen Konkurrenz anpassen?

Manchmal ist es gar nicht so einfach positiv zu denken.

 Transparency international

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Marla (16.08.07)
Ohren zu, Augen zu und immer fein vergessen. Dann geht das ganz gut! Informative Kolumne, ein wenig lustig sogar. Das Leben ist ne schlechte Tragödie. Liebe Grüße! A.

 Bergmann (22.08.07)
Ein sehr komplexes Problem wird hier zu einfach abgehandelt.
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