andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 13. September 2007, 17:38
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vom Nachmachen

Nachäffen ist aus der Mode gekommen. Nicht das Nachäffen selber, nein, das gibt es nach wie vor (und vielleicht hat es sogar zugenommen und sollte mal Diät machen …), aber der Begriff ist nicht mehr zu hören. Stattdessen werden Begriffe wie “Nachmachen“, “Imitieren“, “Kopieren“ oder gar “Plagiieren“ benutzt, die zwar auch alle einen negativen Beigeschmack besitzen, aber bei weitem nicht so bildhaft sind. Die spöttische und abwertende Note fehlt mir irgendwie.
Nachäffen stand für mich immer für ein besonders plumpes Nachmachen, das dem Nachäffer auch gleich ein gerütteltes Maß an Lächerlichkeit gab (geschickt ausgeführt konnte es aber auch eine Parodie auf das Original sein). Dagegen sind die heutigen Begriffe kalt und sachlich. Sie hören sich mechanisch oder technisch an, auf jeden Fall unpersönlich.

Leider stammt der Begriff “Nachäffen“ aus einer Zeit, in der die Affen als eine Art pervertierte Form des Menschen betrachtet wurden. Der Mensch war der Macher, der Kreative, derjenige, der nach dem Abbild des Schöpfers geschaffen wurde und darum selber erschaffen konnte. Der Affe schaffte es im besten Fall das Verhalten des Menschen nachzuäffen; - ohne den tieferen Sinn dahinter zu verstehen.
Im Gegensatz dazu stammen die heute gängigen Begriffe aus der Schatztruhe des Erlaubten (oder Geduldeten). Eine Kopie war früher der Versuch das Werk eines Meisters zu vervielfältigen, es also ohne Sinnverfälschung zu verbreiten. Der Kopist war dem entsprechend ein geachteter Beruf (man denke an Mönche, die Bücher kopierten).
Mit einem Imitat versuchte man etwa das Aussehen eines wertvollen Materials hin zu bekommen und hatte nicht den Anspruch dadurch etwas ähnlich Wertvolles zu schaffen. Teures Holz wurde durch das Beizen einfachen Holzes imitiert, Marmor durch eine aufwändige Gipsmischung, Steinmetzarbeiten durch Stuck …
Das Nachmachen war also nicht mit dem Bewusstsein einer Fälschung verbunden, wie es heute (außer bei den Chinesen) so verbreitet ist. Es hatte vielmehr schon den Status einer eigenen Kunst oder ehrte doch zumindest das Original. – Wobei nicht vergessen werden darf: auch der Begriff “Fälschung“ war bekannt.

Heutzutage ist praktisch jede Form des Nachmachens verrufen. Jeder will einmalig sein, unverwechselbare Dinge tun und ein individuelles Leben führen. Besonders die Leute mit einem künstlerischen Anspruch beharren darauf und selbst die Inspiration wird abgelehnt, soweit sie nicht aus einem selber kommt.
Denn das unterscheidet den kreativen Menschen vom Tier, das nur nachäffen kann.

Esther Herrmann vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat da einen anderen Ansatz. Sie und andere Forscher fanden bei Vergleichsuntersuchung von menschlichen Kleinkindern mit Schimpansen und Orang-Utans heraus, dass der Hauptunterschied zwischen Mensch und Affe wohl darin liegt, dass der Mensch bereit ist gesehenes Verhalten sofort nachzumachen, die Affen aber lieber selber herumprobierten.
Esther Herrmann drückt es so aus: „Schimpansen haben verstecktes Futter schneller gefunden, kleine Summen besser addiert und Werkzeuge öfters benutzt. Affen besitzen eine Knobelnatur.“ – Und der Projektleiter Michael Tomasello fügt hinzu: „Weil wir (Menschen) von anderen lernen, Verhalten abschauen und es imitieren, können wir so schnell so viel klüger sein als Affen.“

Das Wort “Nachäffen“ ist also zu Recht aus der Mode gekommen. Zeitgemäßer wäre das “Nachmenschen“, da es den menschlichen Drang zum Lernen beschreibt – oder besser: die angeborene Bereitschaft nachzumachen.
Derjenige hingegen, der etwas unbedingt selber ausknobeln will, macht sich eigentlich zum Affen.

Eine frohe Botschaft für Plagiatoren, Diebe und hemmungslose Kopierer: es ist sehr sehr menschlich … zumindest für Kleinkinder.
Ruft mal jemand im Kindergarten an?



Quelle: dpa / z.B.:  hier

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