andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 17. Januar 2008, 03:45
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Mütze ab!

Zuerst sollte dies eine Hymne auf die Fünfzigjährigen werden, auf einhundert Fünfzigjährige, um genau zu sein. Obwohl … auch das stimmt gar nicht. Viele von ihnen sind gar nicht so alt.
Aber dieser Geburtstag wurde auf kV schon gewürdigt und so wäre es nur ein müder Abklatsch. Lassen wir das also, diese Fünfzigjährigen gehören eh zum alten Eisen … ähm: zum alten PVC.

Die heutigen Zeiten kommen mit diesen Halbhundertjährigen nicht mehr gut zu recht. Vor einigen Jahren gab es noch einmal ein kurzes Zwischenhoch, aber dann war wieder Schluss. Zumindest hier unterscheiden sie sich von Menschen: diese stehen als Fünfzigjährige hoch im Kurs und gelten neuerdings als Leistungsträger der Gesellschaft.
Damit hatten es die Schlümpfe noch nie leicht. Sie wurden belächelt, angefeindet und verunglimpft. Mindestens zwei von ihnen durften gewisse Länder nicht bereisen (USA und Belgien), der Erste, weil er schwarz ist und der Zweite, weil er ein nacktes Mädchen ist. Er?
Da haben wir eines der Hauptprobleme. Welches Geschlecht haben Schlümpfe? Gerade heute eine wichtige Frage, denn junge Männer neigen doch zu Gewalt und können einparken und bei den Mädchen wird noch gestritten, ob sie Waschmaschinen und Bügeleisen instinktiv oder nur intuitiv beherrschen (Versuche im Mutterleib stehen noch aus; bisher scheiterten die ersten Tests an der Stromversorgung und der fehlenden Freiwilligkeit der werdenden Mütter).
Schlümpfe waschen selber und bügeln nicht, Gewalt ist ihnen fremd (bis auf eine sehr seltene Boshaftigkeit Katzen und Zauberern gegenüber) und mit dem Einparken haben sie es nicht. Andere deutliche Unterscheidungsmerkmale scheitern auch:
- mit einer Flasche Bier vor dem Fernsehgerät? Wurde noch nicht beobachtet.
- gröhlend im Fußballstadion stehen? Nein.
- gemeinsam auf die Toilette gehen? Welche Toiletten?
- genüsslich Fleisch grillen? Schlümpfe sind Vegetarier.
- stundenlang durch Schuhgeschäfte ziehen? Konservative Schlümpfe tragen nur Strumpfhosen mit eingearbeiteten Schuhen.

Es ist und bleibt schwierig. Auch wenn sie für die meisten Leute wie kleine Männer aussehen, so zeigt die Beobachtung der Biologie der Schlümpfe wenig Erfolg. Papa Schlumpf hat einen weißen Bart, was als männliches Attribut gewertet werden könnte und es gibt eine Frau, die Schlumpfine.
Aber Schlumpfine ist ein künstlich hergestelltes Wesen des bösen Zauberers Gurgelhals (oder Gargamel), das durch einen noch mächtigeren Zauberer (Papa Schlumpf) von der bösen und hinterhältigen Schwarzhaarigen in eine freundliche und naive Blondine verwandelt wurde. Nackt hat sie noch kein Nichtschlumpf gesehen, genau so wenig wie einen der übrigen Schlümpfe.
Und wenn doch, so würden wohl keine Geschlechtsorgane zu erkennen sein, denn Schlümpfe vermehren sich ungeschlechtlich: sie schlüpfen aus Eiern, die der Storch bringt. Dumme Sache.

Aber das ist ja gar nicht der Grund, warum Schlümpfe kaum noch beachtet werden. Der wahre Grund ist: sie sind zu träge und zufrieden. Jeder hat ein eigenes Pilzhäuschen und lebt in den Tag hinein. Keine Schwertkämpfe, keine spektakulären Zauberei-Duelle, kein martialisches Gehabe, kein Konkurrenzdruck, keine lauten Spezialeffekte … das passt nicht in die heutige Zeit. Die kleinen Bläulinge haben nicht einmal gegen einen Playmobilritter eine Chance!
Außerdem können heutige Kinder mit so einem “Kinderkram“ nichts anfangen. Im Kindergarten soll bald schon flächendeckend Englisch und die Benutzung des Computers gelehrt werden, der Grundschulunterricht wird aufgestockt und ab der fünften Klasse ist gar keine Zeit mehr für Belangloses.
Schon wird überlegt, ob die Zehnjährigen wirklich mit 35 Wochenstunden Unterricht auskommen oder ob das nicht etwas zu niedrig angesetzt ist. Der internationale Vergleich mit Pisa und Co winkt im Hintergrund – und das Zentralabitur kann auch nur eine Zwischenlösung sein. Kein Mensch redet mehr von der Ganztagsschule als den Ort, an dem die Kinder auch die Hausaufgaben machen und mit freier Zeit nach Hause kommen. Zwölf Stunden sollte ein junger Mensch schon am Tag für seine Bildung investieren können … dann noch etwas ehrenamtliche Arbeit, ein oder zwei Vereine, Theaterkurse, religiöse Betätigung und am Wochenende natürlich die Wettkämpfe des Sportvereins.
Für irgendwelche Gestalten, die singend durch den Wald laufen und einem – bestimmt pädophilen – alten Mann folgen, ist da wirklich kein Platz.

Also, werte Schlümpfe: Ihr müsst metrosexuelle urbane Schlümpfe mit Superfähigkeiten werden, die sich den täglichen Gefahren stellen und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen. Mützen ab und die Pump-Gun gegriffen. Ab ins Schlumpf-Camp oder ihr endet noch wie die Polkappen: dann seid ihr in fünfzig Jahren nur noch eine Wiederholungssendung auf dem Bildschirm.


Zum nachschlagen:
 altmodische Schlümpfe
 moderne Schlümpfe



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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(17.01.08)
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