andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 07. Februar 2008, 01:03
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Deep Space 2008

Seit vielen Jahren wird der Einfluss der Medien auf die Gesellschaft, oder zumindest auf die gesellschaftliche Entwicklung, diskutiert. Die Meinungen gehen dabei weit auseinander, was vor allem daran liegt, dass schwer zu erkennen ist, ob die Darstellung reale Prozesse widerspiegelt, einen Gewöhnungseffekt bei der breiten Masse bewirkt, oder wirklich beeinflussen und Veränderungen hervorrufen kann.

Am Beispiel “Homosexualität“ wird das deutlich. Unumstritten dürfte sein, dass es in Deutschland seit langer Zeit einen schwulen und lesbischen Bevölkerungsanteil gibt. Die Verteufelung und das Ignorieren dieser Tatsache hat nur zu einer Parallelwelt geführt und vielen Menschen ein unglückliches Leben beschert. Die Realität konnte dadurch nicht verändert werden.
Lag es an der Aufnahme eines sympathischen Schwulen in die “Lindenstraße“, dass sich diese Situation großflächig verbesserte? War es die zunehmende Zahl freundlicher Zeitungsberichte, Fernsehdiskussionen und das “Outing“ von Prominenten? Oder spiegelte das ganze nur die wachsende Akzeptanz in der Bevölkerung wieder?
Die Frage muss vielleicht aus einer fiktiveren Position betrachtet werden – und nicht ganz so speziell. Nehmen wir etwa die Emanzipation der Frauen – oder besser: die Veränderung der Geschlechterrollen in Machtpositionen. Von Deutschland sollten wir uns auch ein wenig entfernen. Deutschland hat einfach nicht die Bevölkerungsbeeinflusser größeren Stils: die Traumfabriken.
Dann können wir auch gleich zum Visionären kommen, zum Blick in die fiktive Zukunft, zum Science Fiktion. Nehmen wir doch Star Trek, diese Serie, die bewiesenermaßen zeitgebundene Strukturen widerspiegelte und gleichzeitig Ideale verkörperte: alle Menschen sind gleich, es gibt immer einen friedlichen Weg, Gewalt ist nicht die Lösung von Problemen …
Besonders mit der Wahl der Protagonisten zeigte Star Trek immer sehr deutlich, wie weit sich die Gesellschaft eine Veränderung vorstellen konnte oder Entwicklungen akzeptierte. Eine Frau als Kapitän (-in) des ersten Raumschiffes? Unmöglich! – Es musste ein machohafter harter Knochen sein, der in Cowboymanier den Faustkampf gegen hoch entwickelte Außerirdische suchte. Das spiegelte – genau wie der männliche Führungsstab – die politischen Realitäten in den USA wieder. Genau so wollte das Volk auch ihren Präsidenten und die politische Führung haben.
Visionär durften nur die Nebenrollen sein, die trotz ihrer geringen Bedeutung sehr stark diskutiert wurden. Sulu, der Steuermann der ersten Serie mit eindeutig japanischen Wurzeln, wurde zwanzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg nicht sehr positiv aufgenommen. Chekov, der russische Navigator, schlug in der Zeit des kalten Krieges auch seine Wellen. Aber vor allem war es Uhura, die als Kommunikationsoffizier (-in) und afroamerikanische Frau, die Gemüter bewegte und in den Südstaaten Proteste auslöste. Da muss der erste Filmkuss zwischen einer Farbigen und einem Weißen gar nicht mehr erwähnt werden.

Bei der Besetzung der “echten“ Führungspositionen wurden in den späteren Jahren keine solchen Experimente gewagt. Nur winzig waren die Schritte, doch trotzdem vieldiskutiert. Ein Franzose als Kapitän, in den 80’er-Jahren ein kleiner Skandal (obwohl Frankreich für die Amerikaner noch nicht zur Achse des Bösen gehörte). Dagegen war die Aufnahme von Außerirdischen oder einem Roboter in die Crew nichts als Pippifax.
Zeigte das die wachsende Akzeptanz, die Vision, dass Ausländer in Zukunft auch hohe politische Ämter in den USA bekleiden dürften? – Arnold Schwarzenegger kam erst viel später …
Kann vielleicht eine Parallele zur momentanen politischen Situation gezogen werden? Der Gouvernator hätte gute Chancen gehabt amerikanischer Präsident zu werden, sicherlich, aber er darf ja nicht. Stattdessen streiten sich bei den Demokraten jetzt ein Farbiger und eine Frau um die Kandidatur zum Amt des Präsidenten.
Welche Antwort hatte Star Trek auf diese Frage? – Ganz einfach: nach dem Franzosen kam ein Schwarzer an die Macht, danach erst eine Frau, eine weiße Frau (es sind ja immer nur kleine Schritte). Es ist einfach eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz und da stand ein alleinerziehender Schwarzer besser da als eine Frau.

Bedeutet das jetzt, dass sich Barack Obama gegen Hilary Clinton durchsetzen wird? Kann eine Fernsehserie wirklich so visionär sein?

Homosexualität spielt im Star-Trek-Universum praktisch keine Rolle, nicht einmal bei Nebendarstellern kam es zum Outing. Stattdessen gab es munter (heterosexuelle) Hochzeiten zwischen Außerirdischen und Menschen und alles Nichtheterosexuelle konnte den Status eines Unterthemas einer Folge nicht überschreiten.
Und … in der letzten Serie verabschiedete sich auch der visionäre Gedanke einer nicht mehr durch Geld und Kapital gesteuerten Gesellschaft. Der friedliche Umgang miteinander wurde zurechtgestutzt, Krieg und Gewalt mehr in den Fordergrund gerückt und die Frauen wieder abgeschoben.
Ist das ein Spiegel der gesellschaftlichen Situation oder der Versuch einer Beeinflussung? – Noch steht es unentschieden zwischen Barack Obama und Hilary Clinton …


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 AlmaMarieSchneider (17.09.08)
Ein sehr guter Artikel. Natürlich beeinflussen die Medien, hetzen sogar gegen Minderheiten auf. Hier ist SAT1 doch das ideale Beispiel. Ab 11 Uhr werden "arbeitslose" Verbrecher abgeurteilt, danach stellt Britt die Faullenzer und lockeren Damen an den Pranger, danach wird wieder verurteilt (zu 90% Arbeitslose) und dann läuft neuerdings "Anna und die Liebe" in der Frauen als hinterlistig oder schlichtweg blöde gehandelt werden.
Doch stört mich etwas das verallgemeinernde Wort "Gesellschaft". Frauen sind ein Teil der Gesellschaft und im Artikel wird vornehmlich auf "männliche" Reaktionen Machtansprüche und Rivalitäten hingewießen.
Frauen stören sich kaum an Homosexualität. Sie sind von Männern weitaus Schlimmeres gewöhnt, genauso wie es den meisten Frauen egal ist ob ein Präsident weiß oder schwarz ist. Daß er etwas für Frauen tut, wird auch kaum erwartet. Hauptsache es wird nicht schlimmer.
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