andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 15. Oktober 2008, 14:00
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Elternpflichten

Bilder und Metaphern haben etwas Hypnotisches an sich. Das liegt vielleicht in dem Wunsch der Menschen begründet nicht nur die Welt (oder Auszüge aus ihr) zu verstehen, sondern sie möglichst kurz und griffig abzuspeichern. Bei den meisten Themen ist es ja so, dass sie nur auf dem ersten Blick einfach zu erklären sind.
Leider gibt es einen Haken bei diesem Verfahren: die Vergleiche hinken oft.

Nehmen wir etwa den Vergleich von Staaten und Familien, der eine gewisse Zeit sehr beliebt war. Da wird das Bild aufgebaut, dass die Regierungen die Familienoberhäupter seien, die die Menschen und Firmen ihrer Länder entsprechend führen, unterstützen und maßregeln könnten (und sollten). Besonders der Absolutismus und andere autoritär-hierarchischen Regierungsformen lieb(t)en dieses Bild, begründet es doch gerade die erste und dritte Form des Eingriffs in die Lebensabläufe (die zweite wird gerne vernachlässigt, was wohl eine echte Super-Nanny auf den Plan rufen sollte).
In der Demokratie ist dieser Vergleich aus der Mode gekommen. Er scheint sich fest in die Köpfe der Menschen verankert zu haben, dass “Familie“ in diesem Bild immer autoritär strukturiert sein muss. Vielleicht wird der Vergleich deswegen so selten bemüht, vielleicht sollte es uns aber auch einfach nur nachdenklich machen, wie unsere grundsätzliche Einstellung aussieht.

Selbst bei der momentanen “Bankenkrise“ bemüht kaum jemand den Familienvergleich, auch wenn heftig über die Unterstützung und die Kontrolle gegen den Missbrauch der Hilfe diskutiert wird. Dabei ließe sich da so leicht das Bild einer “flüggen“ Tochter mit eigenem Haushalt malen, die sich verspekuliert und verschuldet hat und nun bei Mama und Papa vorbeischaut, um die Hand aufzuhalten.
Vielleicht liegt es daran, dass sich die entsprechenden Politiker an ihren Verhältnis zu den Eltern erinnern - und fürchten, dass da Sprüche wie „Dein Bruder Kevin braucht auch Hilfe, Deine Hilfe“, „Du kannst als Gegenleistung den Gartenzaun reparieren“, „Was ist eigentlich mit dem letzten Geld passiert, das wir Dir “geliehen“ haben?“ oder „Du kannst ruhig mal häufiger vorbei kommen“ erwartet werden. Vielleicht besteht aber auch nur die Angst, dass jemandem auffällt, dass die ach-so-flügge Tochter noch immer zu Hause wohnt, am Mittagstisch mitisst, nie den Müll rausbringt und das Mitbringen einer Tüte Erdnüsse für ein angemessenes Kostgeld hält.
Wer kennt nicht das misstrauische Beäugen, ob da nicht ein Geschwisterchen bevorzugt wird? Kein Kind sieht es gerne, wenn Extrawürste gebraten werden (solange sie nicht der Empfänger sind). – Sollte hier der Grund zu finden sein, dass der Familienvergleich nicht bemüht wird?
Oder liegt es daran, dass es den verheerenden Trend gibt, die antiautoritäre Erziehung mit dem völligen Verzicht an Erziehung zu verwechseln? Grenzenlose Freiheit gilt als Ideal. Selbstbestimmung, Erfolg aus eigener Kraft, der Bessere wird schon gewinnen, klare Messbar- und Vergleichbarkeit gegenseitigen Handelns (egal was eingebracht wird, es wird zählbar gemacht und bewertet) … da möchte niemand über Interaktion reden, von Zufällen, Abhängigkeiten oder unterschiedlichen Vorbedingungen oder Beiträgen, die vielleicht falsch bewertet werden. Auch hier drängt sich der Familienvergleich auf, denn für die unterschiedliche Behandlung ihrer Kinder finden Eltern auch immer “gute Gründe“ …

Egal. Vermutlich ist der Familienbegriff heutzutage einfach zu aufgeweicht für einen Vergleich. Patchwork-Familien, alleinerziehende Eltern, Scheidungen, Stiefkinder, Verwahrlosung, Witwer und Witwen, kinderlose Paare, künstliche Befruchtung, Leihmütter … die Interpretierbarkeit scheint grenzenlos zu sein. Es gibt sogar Mütter, die mit dem Geld der Familie und ihren flüggen Töchtern “über die Dörfer“ ziehen und den Rest der Familie alleine wurschteln lassen. Spätestens hier bricht doch wohl jede Vergleichbarkeit in sich zusammen. Nicht wahr?

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Isaban (16.10.08)
Bissig und sehr schön bildlich auf den Punkt gebracht!
wupperzeit (58)
(16.10.08)
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