andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 19. November 2008, 14:39
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Schule der Nation

Früher hieß es, das Militär sei die Schule der Nation. Dadurch sollte beschrieben werden, wie das Volk die Spielregeln der Gesellschaft beigebracht bekam. Spielregeln, die an den anderen Erziehungseinrichtungen – wie etwa der Familie – nicht gelehrt wurden. Nur sehr böse Zungen sagen heute, dass hier vor allem das Töten gelehrt wurde, das Töten als Methode gegen Widerstand, als Reaktion auf andere Meinungen und als Mittel der Macht.
Einiger ist man sich hingegen darin, dass es primär um das Gehorchen ging, um das Anerkennen der Machtstrukturen, um die akzeptierten Verhaltensweisen und . Darin mussten Frauen nicht eingebunden werden und die nicht mitspielenden Männer konnte man vernachlässigen. Es wurde nämlich nicht die Frage: „Haben sie gedient?“ gestellt, obwohl uns das durch gewissen Medien so vermittelt wird. Gefragt wurde: „Wo haben sie gedient?“, was andere Möglichkeiten einfach ausschloss.
Zeitgemäß ist eine solche Kategorisierung der Gesellschaft nicht mehr. Für das Militär untaugliche Männer sind trotzdem leistungsfähig, Zivildienstleistende haben schon allein durch ihre große Zahl die Verhältnisse geändert, die Wehrpflicht ist aufgeweicht und Frauen spielen in den Gesellschaftsstrukturen inzwischen mit (ob von einer echten Gleichberechtigung gesprochen werden kann, ist eine andere Frage …). Da taugt die Bundeswehr nicht als Spiegel der realen Zustände (soweit das Militär jemals dazu getaugt hat) und kann auch nicht die “Schule der Nation“ sein.
Und wo lernt das Volk heute die Spielregeln? – Fernsehen? Familie? Internet? – Der Begriff “allgemeine Schulpflicht“ sollte eigentlich alles sagen ...

Und was lehrt der Nachfolger von „Habt Acht!“ und „Rührt euch!“?
Dienen ist jedenfalls nicht mehr die erste Bürgerregel, blinder Gehorsam nicht das Ideal, Uniformen und Statuszeichen (Rangzeichen, Dienstgrad) werden nicht “von oben“ vorgegeben und Autoritäten und Hierarchien haben einen neuen Stellenwert. Stattdessen wird dem “Volk“ neben dem Lehrstoff etwas ganz anderes beigebracht, etwas, das auch bei der PISA-Studie nur zwischen den Zeilen zu lesen ist. Das Problem ist also: wie ist das herauszufinden? Wie interpretieren wir die moderne “Schule der Nation“? Was zeigt sich beim Thema “Spielregeln der Gesellschaft“?
Zuerst das, was zu erkennen ist: es gibt zu wenige LehrerInnen, weil nicht genug Geld da ist. Der Lehrstoff ist veraltet, oft unvollständig oder falsch, wird in immer stärkerem Maße “von oben“ vorgegeben (Zentralabitur, PISA-Studie …) und ständig aufgestockt. Die Lehrmittel sind nicht einheitlich, da von Schule zu Schule, von Stadt zu Stadt und von Bundesland zu Bundesland, andere Prioritäten gesetzt werden (nur bei einer Priorität sind sie sich einig: bei den Kosten). Das Thema “Migration“ wird als Problem – und nicht als Aufgabe – begriffen.
Wettbewerb wird als Ideal verkauft (selbst die Schulen und Bundesländer konkurrieren gegeneinander), wobei die Eingangsvoraussetzungen nicht verglichen werden. Die Noten machen oft einen willkürlichen Endruck, Wirkung schlägt Wissen, Faktenwissen schlägt Verstehen, Gewalt schlägt Toleranz, Anerkennung gibt es durch Anpassung (an die Lehrer, an die Mitschüler …) und materielle Güter werden vorausgesetzt (es wird nicht gefragt: „Hast Du einen Computer?“, sondern: „Was für einen Computer hast Du?“). Und: letztlich zählt nur das messbare Ergebnis und nicht der Weg dorthin, ein Ergebnis zudem, das klar definiert ist.
Interessant ist aber der Umgang mit dieser definierten Wahrheit, da sie wandelbar ist, aber jedes Mal als Fakt verkauft wird. Unterschiedliche Lehrer bedeuten unterschiedliche Wahrheiten und nur weil etwas lauthals abgelehnt wird, heißt das nicht, dass es nicht trotzdem gemacht wird (Ganztagsschulen? Niemals! – Aber bis 16 Uhr muss ein Kind schon mal in der Schule bleiben. Auch zwei oder drei Tage in der Woche …).

Zwar gibt es so manche Ausnahme bei den Lehrkörpern, engagierte Lehrerinnen und Lehrer, Nutzung von Internet und Förderprogramme, aber fehlendes Engagement wird nicht bestraft und wer das Pflichtprogramm durchlaufen lässt, der braucht sich keine Sorgen zu machen.

Die roten Fäden sind also: Geld und ein Wettbewerb aufgrund messbarer Ergebnisse, wobei irgendwie durchscheint, dass es im Grunde nur auf Nummer eins ankommt. Sagt das irgendetwas über die Gesellschaft aus, die eine solche “Schule der Nation“ fördert und erlaubt?
Nein, natürlich nicht! – Das Militär war ja auch nicht der Spiegel der vergangenen Gesellschaft …


A.G., November 2008

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(20.11.08)
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