andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 18. Februar 2009, 22:03
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Erbe des Mannseins

Es ist noch nicht so lange her, da wurde noch laut darüber gestritten, ob die Emanzipation auch bei der Sprache ansetzen müsste. Damals ging der Streit zwischen “Mann“ und “Herr“ völlig unter, und zwischen “Frau“ und “Weib“ war er schnell entschieden. Stattdessen ging es um das “man“ und die Anrede “Fräulein“, um die Endung “-in“ hinter den Berufsbezeichnungen und um neutrale Benennungen.
Obwohl Letzteres kaum diskutiert wurde, hat sich diese Form heimlich einen hohen Stellenwert erkämpft. Nun gibt es den “Studierenden Ausweis“, der nicht nur schwer über die Zunge geht. Und auch in vielen anderen Bereichen muss sich der Interessierte durch seltsam verschlungene Formulierungen quälen. So muss (Achtung: böse) “man“ sich an einen Stellvertretenden wenden und nicht an den Stellvertreter oder die Stellvertreterin, es gibt keine Forscher mehr, sondern Forschende und im Krankenhaus wird man/frau vom Pflegepersonal versorgt – oder vergessen, je nachdem.
Die Neutralisierung (es meint nicht Zerstörung, obwohl das oft genug treffender wäre) hat gegenüber der Feminisierung allerdings einige Nachteile. Beim Personal wird das deutlich, denn es gibt keine Singularform. Darum wird dann ein Mitglied-des-Personals daraus, was reichlich schwergängig klingt und einem nach Hilfe rufenden Kranken einige Schwierigkeiten bereiten wird. Andererseits … wenn sich der Krankenpfleger durch ein „Schwester, Hilfe!“ nicht angesprochen fühlen muss, dann sollten die Kranken schnell dazu lernen.

Einfach ist es bei den Abgeordneten geworden. Die setzen bei “Abgeordnete“ je nach Wahl ein “die“ oder “der“ davor und schon ist die Sache geritzt. Klar, wenn es um die eigenen Belange geht, dann findet man eine elegante Lösung …

Aber zu den Wörtern:

Mann / man geht wohl auf das indogermanische manu für Mensch zurück und findet sich im germanischen Sprachraum in vielen Variationen wieder. Oft ist die Bedeutung durch die Wirren der Zeiten erhalten geblieben, etwa im englischen man / mankind und im deutschen man , doch geprägt wird die Bedeutung eher durch das mittelalterliche Verständnis, dass nur ein Mann im Besitze des menschlichen Wesens sein könne und darum als Mensch (= Mann) bezeichnet werden dürfe.
Das erklärt zwar, warum der männliche Körper in so vielen Abbildungen als alleiniges Modell in der Medizin und bildenden Kunst verwendet wurde (und oft noch wird), hinterlässt aber dennoch ein ungutes Gefühl.

Herr kommt mit ziemlicher Sicherheit von erus / herus , dem lateinischen Wort für Hausvorstand, Besitzer oder Gebieter. Die religiöse und besitzrechtliche Benutzung zeigt noch genau dahin: die Herrschaft Gottes, der Hausherr, der Grundherr. Es ist immer das duale System von Besitzern und Besessenen.
Herrin kann da keine Alternative sein. Es ist als Wort auch relativ jung und leitet sich nicht von era / hera (Hausfrau, aber auch: Geliebte) ab, sondern entstand erst, als Latein nicht mehr prägend war. Mit der griechischen Göttin darf das nicht in einen Topf geworfen werden, obwohl sich hier Latein und Griechisch sehr ähnlich sind (griechisch: heros für Gebieter und hera) für Gebieterin). Vielmehr ist es vermutlich nur ein Kunstwort, das geschaffen wurde, um herrschende Frauen aus dem romanischen Sprachraum zu benennen (woher auch “Dame“ ursprünglich stammt: von domina ).

Frau ist sprachgeschichtlich schwer zu fassen und geht vielleicht auf das althochdeutsche frouwâ und das mittelhochdeutsche frouwe zurück, was in seiner Bedeutung aber umstritten ist. Es könnte sich um eine weibliche Form eines männlichen Begriffs handeln, der dann verloren ging (oder durch Herr ersetzt wurde?) und auch wieder auf eine Herrschaft (oder Freiheit?) anspielt. Zumindest gibt es einige ähnlich klingende Götter und Göttinnen, die darauf hinweisen könnten.
Aber: im Grunde wissen wir nicht, wie Frau entstand und könnten genauso gut ein neues Wort erfinden.

Weib ist noch schwerer zu fassen und gibt durch den sächlichen Artikel weitere Rätsel auf. Persönliches Eigentum bekam so einen Artikel oft verpasst (z.B.: Haustiere: Pferd, Schaf, Schwein, Huhn) und es scheint nur geklärt, dass es sich nicht um eine “Herrschaftsbezeichnung“ handelt (die im Deutschen verloren gegangen ist und sich im Englischen als queen erhalten hat – was allerdings der Vermutung Frau = Gebieterin einen Dämpfer verpasst). – Es könnte sogar sein, dass es sich um eine echte Geschlechtsbezeichnung handelt, so dass zumindest der Begriff “weiblich“ anständig benutzbar wäre.


Insgesamt zeigt sich, dass die Gleichstellung in der deutschen Sprache noch lange nicht erreicht ist. Da reicht einfach keine Feminisierung oder Neutralisierung, um eine geschlechtsgerechte deutsche Sprache zu bekommen. Da muss dringend eine Gleichstellungsstelle her, besser gleich noch ein Ministerium dazu, damit dann Sprachwissenschaftende, Übersetzende, Germanistende und andere Forschende ein neues Regelwerk der deutschen Sprache entwickeln.
Da hätte man doch etwas, auf das man sich freuen könnte …



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Jorge (19.02.09)
"Da reicht einfach keine Feminisierung oder Neutralisierung, um eine geschlechtsgerechte deutsche Sprache zu bekommen. Da muss dringend eine Gleichstellungsstelle her, besser gleich noch ein Ministerium dazu, damit dann Sprachwissenschaftende, Übersetzende, Germanistende und andere Forschende ein neues Regelwerk der deutschen Sprache entwickeln."
Noch nie ist mir das mit der Neutralisierung so bewußt geworden, wie mit deinem Stirnschlag. Da stelle ich mir doch gleich an gleicher Stelle eine Gleichstellungsstelle gleichermaßen vor.Ähnliches gibt es natürlich auch hier in Spanien. Da wirds denn noch gleicher. Neben der geschlechtsgerechten Anpassung erscheinen dann sämtliche !! amtlichen Bekanntmachungen und Schreiben zweisprachig. Nein, nicht spanisch und englisch, sondern spanisch und valenciano.
Wo führt das alles noch hin? MannoMann - FrauoFrau
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