andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 16. Juli 2009, 00:16
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über den Müll hinaus

Bei der Bewertung in positiv und negativ, wahr und unwahr, richtig und falsch, gut und böse und anderen Bezeichnungen für die Umgehensweise, die Welt in zwei Häufchen vorzusortieren, um sie dann leichter in die Schubladen der entsprechenden Kommoden verteilen zu können, vergessen die eifrigsten Sortierer seltsamerweise oft die fundamentale Regel der Relativität. Oder um es nicht mit einem langen Bandwurmsatz auszudrücken: bei Bewertungen kommt es auf den Sichtwinkel an.
Positiv und negativ erscheinen in diesem Zusammenhang noch recht einfach zu sein, da sie aus der Mathematik entlehnt sind. Wenn wir uns dabei von den reinen Zahlen und Vorzeichen entfernen, die selbstverständlich wertneutral sind, bleibt ein betrachteter Sachverhalt (eine Meinung, Situation, Zielvorgabe o. ä.) und die unterschiedlichen Einflüsse darauf. Diese Einflüsse können dann in positiv und negativ (und neutral) eingeteilt werden. Nehmen wir jetzt etwa einen warmen und sonnigen Sommertag als angestrebten Sachverhalt, so können die möglichen Einflüsse leicht in positiv und negativ (oder neutral) eingeordnet werden. Wolken sind dann, zum Beispiel, leicht negativ einzuordnen. Was sich selbstverständlich bei einer geänderten Zielvorgabe komplett umdrehen kann.
Leider neigen wir Menschen aber nicht dazu, eine zielgerichtete Sichtweise zu haben. Wir sortieren lieber endgültig ein, was für die überwiegende Zeitdauer der Menschheitsgeschichte auch die gesündeste und energiesparendste Einstellung gewesen sein mag (etwa: dunkle Wolke -> ein Gewitter mit Blitzen droht -> ich bleibe lieber in meiner Höhle am Feuer -> Wolken böse). In der heutigen Zeit ist das Umdenken jedoch sehr wichtig geworden, zumindest behaupten das immer wieder diejenigen, die meinen, dass sie dazu eine klare Meinung haben sollten.
Flexibilität ist angesagt und gefordert wird auch, dass nicht nur der Sichtwinkel, sondern auch die Sichtweite angepasst wird. Weiter sollen wir sehen, die Zusammenhänge erkennen.
So wissen wir natürlich, dass Wolken nicht böse sind, sondern uns nur den sonnigen Tag versauen können. Wir wissen auch, dass wir ohne Wolken in einer knochentrockenen Gegend wohnen würden, was wir auch nicht wollen. Nur den letzten Schluss schaffen wir nur mühselig und mit viel Ignorieren: Wolken sind weder gut, noch böse.
Dabei sind Wolken noch leicht. Schon bei der Müllfrage stoßen wir schnell an Grenzen und bei noch komplexeren Zusammenhängen (Rentenfrage, Bildung, Politik, Industrie, Arbeitslosigkeit …) kommt unser Gehirn völlig ins Straucheln. Immer möchten wir endgültige Werturteile fällen, wollen einsortieren in richtig und falsch oder gut und böse. Schon alleine das Neutrale gefällt nicht - und der Umstand, dass etwas einerseits positiv, auf einen anderen Sachverhalt (oder Sichtwinkel) bezogen jedoch negativ sein könnte, lässt unsere Gehirne in den stand-by-Modus fallen. Nein danke, das ist zu kompliziert.
Bleiben wir kurz bei dem Müll. Wir sortieren ihn (tun wir doch, oder?), weil es ungehörig und dumm ist, ihn in einem Gemenge aus Schadstoffen, Giften und Rohstoffen auf die Deponie zu schütten. Altpapier kann wieder verwendet werden, Gelbsackmüll wird aufgearbeitet, Glas eingeschmolzen, Elektroschrott wird gesammelt, Batterien ordentlich entsorgt … alles ganz einfach und klar. Hier haben wir gezeigt, dass wir umdenken können und flexibel sind. Nur …
Heißt es nicht oft, dass der Müll mit dem grünen Punkt verwertet wird? Genauer gesagt: thermisch verwertet? Was mag das wohl bedeuten? Die werden doch wohl nicht den ordentlich sortierten Müll mit den mühsam ausgewaschenen Joghurtbechern verbrennen? Oder doch?
Tja …
Was passiert eigentlich mit dem Elektroschrott, den Batterien und dem Sperrmüll? – Na?
Seltsam. Bei allen möglichen und unmöglichen Fragen gelten die Behörden und Politiker als inkompetent und schlecht organisiert. Aber bei solchen Fragen ist plötzlich das große Vertrauen ausgebrochen. Auch für die freie Wirtschaft, die sich auffällig klaglos in die Gesetze und Verordnungen gefügt hat (etwa bei der Batteriesammlung). Hat eigentlich jemand mitbekommen, dass es eine Neufassung der Regelung zur Entsorgung von Batterien und Akkumulatoren gibt? Ist übrigens vom 25. Juni 2009, also nicht besonders alt.
Und wie reagieren Menschen auf komplexe Zusammenhänge? Da bleibt wohl nur eine Lehre aus der gesamten Vorrede über Sichtwinkel und Blickweiten: aus dem Auge, aus dem Sinn.

Ich wünsche eine energiereiche Rest-Woche.

Interessante Links:
 Fotos von der Müllentsorgung in Indien
 PDF-Datei BattG vom 25. Juni 2009


Andreas Gahmann

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