andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 12. August 2010, 01:48
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Storch schlägt Thor

Als ein bekannter Hersteller für Outdoor-Bekleidung einen Feldzug gegen diejenigen antrat, die (seiner Meinung nach) sein Markenlabel verwendeten, war die Empörung recht groß. Verständlicherweise, denn dieses Markenlabel ist kein aufwändig gestaltetes Designprodukt oder künstlerisch wertvolles Zierrat, sondern einfach nur eine Abbildung dessen, was ein Tier auf feuchtem Boden oder im Schnee hinterlässt, wenn es darüber hinweg läuft: ein Pfotenabdruck.
Richtig gewehrt hat sich bei diesem Feldzug kaum jemand, denn es hat sich inzwischen nicht nur herumgesprochen, dass Gerichtsverhandlungen teuer und langwierig sind und gegen große Firmen kaum anzukommen ist, sondern auch, dass Marken- und Urheberrechtsstreitigkeiten weder vorhersehbar enden, noch abzuschätzen sind. Oft scheint es, dass die Rechte der Rechteinhaber geradezu festgenietet sind und nicht einmal eine Brechstange helfen könnte.
Die Firma Thor Steinar vertraute offenbar auch darauf, als sie gegen Storch Heinar vorging, die nicht einmal einen Hehl daraus machen, dass sie sowohl den Namen, als auch das Firmenlogo aufs Korn genommen haben.
Doch diesmal trat ein höheres Recht dazwischen, ein Recht, das im Gegensatz zum Marken- und Urheberrecht sogar im Grundgesetz verbrieft ist: das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Die Einzelheiten kursieren in den Medien und Nachrichten, darum müssen sie nicht an dieser Stelle erwähnt werden. Weder die Vorliebe Rechtsradikaler für die Marke Thor Steinar, noch die Beweggründe, die den Storch Heinar ins Leben riefen, müssen hier angesprochen werden. Aber die Begründung der Richter sollte es werden, denn hier versteckt sich auch für die Plattform keinVerlag.de eine wertvolle Botschaft: Satire und Persiflage steht unter dem Schutz der Kunstfreiheit, also der freien Meinungsäußerung.
Zwar wurde auch gleich noch gesagt, dass keine “markenrechtliche oder wettbewerbsrechtliche Verletzungshandlungen des Beklagten“ vorläge und die “Kennzeichen und Waren der Klägerin durch den Beklagten weder herabgesetzt noch verunglimpft würden“, aber das Gericht stellte klar, dass die Klage nicht daran scheiterte, sondern daran, dass die “satirische Auseinandersetzung mit den klägerischen Marken“ erlaubt sei. Das ist ein großer Unterschied und nicht nur die Aufdopplung mehrerer Gründe.

Ideendiebstahl, Urheberrechtsverletzung, Verwertungsrechtsverletzung, Plagiat und Markenrechtsverstoß werden oft in einen Topf geworfen, weil die Unterschiede nicht jedem klar sind. Hier bei keinVerlag gibt es immer wieder Verwechslungen, die darauf zurückzuführen sind. Mal meint der eine, er könne einen Text unter seinem Namen veröffentlichen, sobald der Urheber mehr als siebzig Jahre tot sei, mal meint der nächste, er könne gegen jemanden vorgehen, der eine ähnliche Grundidee in einem Text verwurstet – oder auch nur ein seltenes Wort verwendet, das jemand anderes vorher benutzt hat.*
Von freier Meinungsäußerung, Kunstfreiheit oder dem Recht der Satire scheint manchmal nicht viel in den Köpfen angekommen zu sein. Stattdessen sind die Scheuklappen auf engsten Fokus gestellt, Texte (Werke) werden mit ihren Schöpfern gleichgesetzt (sowohl von den AutorInnen selber, als auch von KommentatorInnen) und jede Ähnlichkeit wird sofort als bösartiger Diebstahl empfunden.**
Und dabei rede ich noch nicht einmal von Satire und Persiflage! – Sind wir nicht meistens Thor Steinar ähnlicher als Storch Heinar (was nicht politisch gemeint ist)? Würden wir nicht auch einen von uns gezeichneten Pfotenabdruck als unser persönliches Recht begreifen wollen – und nicht als handwerkliche Umsetzung von etwas, für das wir kein Eigentum einfordern können?
Oder genauer ausgedrückt: tun wir das nicht immer wieder?





* übrigens alles Quatsch mit Soße. Ein Textdiebstahl (= Plagiat) hat nichts mit dem Alter des Textes zu tun. Junge und alte Werke sind geschützt, doch vergessen die Leute gerne die Verwertungsrechte (ist ja auch ein sperriger Begriff) oder denken, dass Urheber- und Verwertungsrecht das Gleiche seien. – Und bei der Grundidee muss es sich schon um eine Idee handeln, die selber eine “individuelle Schöpfungshöhe“ erreicht, also einmalig, kreativ und unverwechselbar ist. Das erreicht weder ein selten benutztes Wort, noch eine tausendfach verwendete Idee. Auch die beliebten Wortschöpfungen liegen meist Meilen davon entfernt.

** Es ist wohl allgemein bekannt, das einige große Werke der Literatur und Kunst auf gestohlenen Ideen aufbauen. Manchmal geschieht das mit Vorsatz, manchmal vergessen die Künstler die zugrunde liegende Inspirationsquelle und manchmal mag die Idee auch wirklich kreativ und unabhängig entstanden sein (nur leider nicht das erste Mal, was zeigt, dass man auch unwissentlich zum Dieb werden kann). Oft ist es aber auch so, dass die Idee schon so oft und lange benutzt wurde, dass niemand mehr ein Recht darauf haben kann. Aber Gemeineigentum ist in unserer Zeit ein recht unbekannter Begriff.



Andreas Gahmann

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