KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Dienstag, 20. Mai 2008, 18:51
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hier und hier und hier - ReneKain. II. Lyrik (20)

ReneKain wurde 1987 geboren. Er ist Student aus Sachsen. Über sich selbst schreibt er: „Und dann fiel auf einmal der Himmel um / Ich lachte und war blind / Und war wieder ein Kind /Im Mutterleib wild und stumm / Mit Armen und Beinen die ungeübt stießen / Und griffen und liefen.“ (Inge Müller)

das nest

ich bin der
der in den schrank steigen wird
dreihundertzweiundsiebzig jahre
dauert mein schlaf wenn
ich nicht wiederkomme
wundert euch nicht fragt nicht
nach dem fieber ich glaube nicht
an das fieber ich glaube an die rinden
hinter denen ich sitzen werde
anderswo an lethes strand
wurzle ich mit dunklem durst
um den mund ich werde
die götter bestehlen
und das ichsagen lernen
hier und hier
und hier


Ein starkes Gedicht! Mir gefallen die vielen evozierten Konnotationen, Assoziationen, vor allem zu Beginn: Ich bin, der ich war, der ich sein werde... das sind göttliche Attribute! Aber der Schrank ist der Schrein, der Sarg. Ich bin göttlich, und ich bin sterblich. Das ist unser modernes Selbstbild als allgemeines Menschenbild. Der Autor ironisiert diese Selbstcharakterisierung, der Gestorbene bleibt im Gedächtnis, er spielt mit dem Gedanken der Wiederauferstehung, unwillkürlich fällt mir Barbarossa ein, Jesus Christus natürlich auch... Ich glaube nicht, sagt er dann, ich glaube nicht an so ein Fieber, so einen Wahn, ich glaube nur an das Holz meines Sarges, an den Schrank aus Baum. Jetzt folgt die Metamorphose, nicht die Auferstehung, sondern in 372 Jahren wächst vielleicht aus der Asche in der Erde ein neuer Baum, alles verwandelt sich an Lethes Strand, der da unten in der Erde ist, wo ich Durst nach Leben habe, der Durst ist ja nur eine Projektion der Lebenden, die nicht sterben wollen - mich besticht die Atmosphäre dieser numinosen Mystik.

„die götter bestehlen | und das ichsagen lernen“

Jetzt wird klar, es geht um ein Sterben im Leben, es geht um die Selbstgeburt! Ich will sein wie die Götter, ich will Schöpfer werden, Schöpfer meiner selbst! Aber ich will es

„hier und hier und hier“

Ich will souverän sein, nicht nur in mir selbst, ich will nicht in einer festen Heimat stagnieren, sondern ich will überall wachsen und erwachsen sein. - Stark!

Ulrich Bergmann



Meine Kolumne am nächsten Freitag thematisiert Mondenkind,
in zwei Wochen beneelim (ehem. alois5), in drei Wochen Muninn, voraussichtlich in vier Wochen KeinB.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(16.05.08)
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 Bergmann (20.05.08)
Lieber René, ich habe einen Sachsen aus dir gemacht....
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