BlackHört

Un-Erhörtes aus der Musikwelt


Eine Kolumne von  BLACKHEART

Dienstag, 20. Juni 2017, 09:17
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Frontbericht: "Waswardaloz"

Kommt euch das spanisch vor? Soll es auch. Oder besser gesagt "mexikanisch". So war nämlich die Ausrichtung der gesamten Gestaltung des "Matapaloz"-Festivals, mit dem die BÖHSEN ONKELZ ihre Vision eines Festivals am Hockenheimring wahr werden lassen wollten.
Ob sie das geschafft haben, weiß ich nicht, bzw. kann und will ich nicht beurteilen. Stattdessen schildere ich lediglich meine Eindrücke vom zweiten Festivaltag am vergangenen Samstag.

Den ersten Tag hatte ich aus dreierlei Gründen sausen lassen.
Erstens interessierten mich die Vorbands an dem Tag nicht.
Zweitens begnügte ich mich damit, mir das Erlebnis "ONKELZ" nur einen Abend zu geben. Als Nicht-Fan und jemand, den das Spektakel einzig wegen des Spektakels interessiert, kann man sich das Geld für zwei Festivaltage inklusive Camping einfach sparen.
Und drittens hatte ich am Freitag noch Nachtschicht.

Der Tag begann also damit, dass ich um kurz nach sechs Uhr morgens ins Auto stieg und nach Hause fuhr. Im Radio startete gerade ein Rock-Klassiker mit den Worten "It's early Morning, the Sun comes out." und ich wusste, dass es ein guter Tag werden würde.

Einige Stunden später saß ich dann halbwegs ausgeschlafen und frisch geduscht wieder im Auto und begab mich auf die Fahrt über vier Autobahnen (A7, A5, A67, A6) nach Hockenheim, wo ich schneller als erwartet (kalkuliert waren drei Stunden Fahrzeit, ich brauchte 2,5) ankam.
Die Beschilderung zum Tagesparkplatz und auch allgemein hätte noch ausführlicher sein können, aber ich kam an. Und erlebte sogleich eine erste Überraschung. Keine Ordner, die einen einwiesen. Normalerweise bin ich es von Events dieser Größenordnung gewöhnt, dass es Ordner gibt, die einem genau den Platz anweisen, wo man sich hinzustellen hat. Hier nicht. Man konnte parken, wo man wollte. Die Ordnung, die sich einstellte, wurde durch zick-zack-förmig verlaufende Balken geregelt, die durch ihre Form gewissermaßen die Parkplätze vorgaben. Nachdem ich stand machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum Gelände. Und was für einen. Vom Parkplatz aus ging es durch eine Unterführung unter der Autobahn entlang. Anschließend außen an der gesamten Tribüne vorbei, bis man endlich an den Einlass kam. Hier standen auch schon die ersten Essens- und Getränkestände und ich holte mir erst einmal einen Burger für 7 Euro. Etwas teuer, zugegeben, aber ich hatte bis dahin noch nichts gegessen.
Dann ging es weiter durch den Einlass aufs eigentliche Gelände (ungefähr bei Kurve 7, siehe  Plan).
Von hier aus musste man die Strecke entgegen der Fahrtrichtung entlang laufen, d.h. die gesamte restliche Parabolika, die zweite Gerade bis zur Nordkurve und weiter bis zur Start/Ziel-Linie, wo sich der eigentliche Zugang zum Festivalareal befand.
Die gesamte rechte Seite entlang der Tribünen war mit Essensständen gepflastert. Die Bühne befand sich vom Eingang aus gesehen links im Motodrom, ungefähr auf Höhe der Sachs Kurve. Noch während ich unterwegs war spielte hier bereits die erste Band des Tages, TOXPACK, von denen ich aber nichts mitbekam.

Als ich das Gelände betreten hatte, hatten auch die aus London stammenden Oi!-Legenden COCKNEY REJECTS gerade ihr Set begonnen. Von diesem bekam ich noch die letzten drei oder vier Songs mit. Vorher widmete ich mich aber etwas anderem, was vorher groß angekündigt worden war: einem Bereich namens "El Barrio".

Dieser sollte eine dystopische Landschaft im Stil von "Mad Max" (den richtigen Filmen, nicht dem platten Remake) darstellen, bestand aber "nur" aus etlichen 20-Fuß-Seefrachtcontainern, die so übereinander gestapelt waren, dass zwischen und unter ihnen Platz für Streetfood-Wagen, Tätowier- und-Piercing-Container, sowie einige Hot Rods und Custom Bikes war.
An dieser Stelle ein Paar Anmerkungen und Hinweise für Menschen, die noch nie auf einem Open Air-Festival waren.
Tipp 1: Macht keine Experimente beim Essen. Egal wie lecker es riecht oder aussieht. Es kann euch den Magen (und das gesamte Festival) verderben. Bleibt lieber bei den gewohnten Sachen (Pizza, Burger, Bratwurst,...).
Tipp 2: Lasst euch niemals auf einem Open Air-Festival tätowieren oder piercen. Auch wenn es noch so sauber und vertrauenserweckend aussieht, die hygienischen Vorraussetzungen für einen solchen Eingriff in den Körper sind auf solchen Veranstaltungen einfach nicht gegeben. Vor allem, wenn es so staubig ist, wie am Hockenheimring.

Zurück in den Staub und vor die Bühne. Nach den COCKNEY REJECTS folgte (für mich) das erste Highlight des Abends: ANTHRAX.
Und die New Yorker Mosh-Helden lieferten ab. Eine super aufgelegte Band ließ eine fast perfekte Setlist auf das Publikum los. Viele Klassiker wie "Among the Living", "Madhouse", "Indians" und "Antisocial", aber auch neuere Songs wie "Fight'em till you can't" ließen kaum Wünsche offen. Nur statt einem Song vom aktuellen Album "For all Kings" hätte ich mir persönlich noch den Klassiker "I am the Law" (Thema: "Judge Dredd") gewünscht.
Alles in Allem trotzdem ein geiler Auftritt. Und Perlen vor die Säue.
Man merkte deutlich, dass die meisten Besucher der Hauptband wegen angereist waren und die Vorbands (die allesamt persönlich von den ONKELZ aufgrund ihrer "Scheiß drauf was die Anderen sagen"-Attitüde eingeladen wurden) auf kaum Interesse stießen.

Selbiges muss ich leider auch über SLAYER sagen, die an diesem Abend als Co-Headliner antraten. Zwar ging im Publikum etwas mehr als bei ANTHRAX (es gab sogar einzelne Moshpits), aber die Vorfreude auf die ONKELZ war den meisten Zuschauern deutlich anzumerken.
Inzwischen hatte ich meine Kumpel vom  Metal Diver e.V. gefunden, die beide Tage da waren und auch campierten. Gemeinsam mit ihnen schaute ich mir nun den Auftritt von SLAYER an, den ich als routiniert beschreiben würde. Die Songs wurden solide und schnörkellos gezockt, wie man es von SLAYER gewohnt ist. Für Lacher sorgte die Ansage von Sänger und Bassist TOM ARAYA, dass sie als nächstes ein Liebeslied spielen würden. Es handelte sich dabei um den Song "Dead Skin Mask", in dem es um den Serienkiller ED GEIN geht. Natürlich blieb die Band keine Hits schuldig und endete standartgemäß mit dem infernalischen Dreierpack "South of Heaven", "Raining Blood" und "Angel of Death". Bei letztgenanntem Song vermisste man allerdings das große Banner, das sonst immer zu Ehren des 2013 verstorbenen Gitarristen JEFF HANNEMAN gehisst wird.
Egal. Geiler Auftritt. Pinkelpause. Man will ja nichts Wichtiges verpassen.

Verpassen kann man sich auf solch einem Festival mit zigtausend Menschen schon. Aber auch per Zufall finden. Wie zum Beispiel zwei befreundete Mädels aus meinem Dorf, die mich in der Schlange vor den Dixi-Toiletten sahen und recht erstaunt waren, mich auf dem ONKELZ-Festival zu sehen. Immerhin hatten sie mich gleich erkannt. Aber so viele langhaarige Kuttenträger liefen da ja auch nicht rum. Apropos Kutte: Zu dieser habe ich direkt und indirekt wieder einige Komplimente bekommen. Danke nochmals dafür.

Immer noch besser als "Danke für nichts", einer der vielen Songs, die an diesem Abend von den ONKELZ dageboten wurden. Wie mir erzählt wurde, wurden am Vorabend viele Songs aus der ersten Karrierephase der ONKELZ gespielt, was wohl vor allem bei jüngeren Fans nicht so gut ankam, weil sie die Songs zum Großteil nicht kannten.
An diesem Tag entsprach die Setlist, laut meinen Kumpels zu 60-70% der vom Vortag. Die Videoanimationen, die im Hintergrund liefen, und die Songs passend umrahmten, hätten auch keine allzu großen Änderungen zugelassen, da alles genau aufeinander abgestimmt war. Mir persönlich haben die Animationen zu "Kneipenterroristen" und "Freddy Krueger ist mein Freund" am besten gefallen.
Ein weiteres Highlight war für mich das Gitarrenspiel von GONZO. Man merkte ihm an, dass er einen musikalisch vielfältigen Hintergrund hat und nicht umsonst als einer der besten Gitarristen Deutschlands gilt. Gerade die bluesige Note, die er manchen Soli gab, machte das deutlich. Allgemein muss man festhalten, dass sich in den Reihen der ONKELZ hervorragende Musiker befinden, was sie von allen Nachahmern auch deutlich abhebt.
So auch Bassist STEPHAN WEIDNER, der anstelle von Sänger KEVIN RUSSELL die Ansagen übernahm und für "Wieder mal 'nen Tag verschenkt" sogar den Bass gegen eine Akustik-Gitarre eintauschte.
Erst zum Ende des fast dreistündigen Sets (man überzog dezent um ca. 45 Minuten) spielten die ONKELZ dann auch Songs, die ich kannte, u.a. "Keine Amnestie für MTV", "Nur die besten sterben jung" (emotionales Highlight für viele), "Wir ham’ noch lange nicht genug", "Auf gute Freunde" (da hat es sogar mich gepackt und die Luftgitarre war am Start) und natürlich DEN Klassiker überhaupt: "Mexiko", während dem auch mehrfach Pyros im Publikum gezündet wurden.
So etwas hat, in meinen Augen, bei öffentlichen Veranstaltungen nichts verloren. Weder auf Festivals oder Konzerten, noch im Fußballstadion. Aber das ist eine andere Diskussion.

Diskussionen gab es im Anschluss auch noch unter meinen Kumpels über die Setlist, da jedem noch der eine oder andere Song gefehlt hatte. Ich persönlich hätte gerne noch "Viva los Tioz", "Wenn wir einmal Engel sind" und "Terpentin" gehört, aber auch nur, weil es Songs sind, die ich noch kenne.

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass es ein interessanter Blick in eine Welt war, in der ich normalerweise nicht zu Hause bin. Ich werde auch weiterhin kein Fan der ONKELZ sein, aber das war auch nie das Ziel dieses Ausflugs. Ich wollte den "Mythos" ONKELZ mal live miterleben und das habe ich getan. Außerdem noch zwei sehr geile Vorbands, die leider nicht die Aufmerksamkeit bekomen haben, die sie verdient gehabt hätten.
Den Fans wäre sicher eine sechsstündige Non-Stop-ONKELZ-Show lieber gewesen und sie hätten immer noch "Zugabe!" gebrüllt.
Aber auch so gingen sie, teilweise "Oh, wie ist das schön" singend vom Gelände. Auch ich verabschiedete mich von meinen Kumpels und trat den Rückweg zum Parkplatz an.

Eigentlich ging ich davon aus, dass ich ca. eine Stunde brauchen würde, bis ich mit dem Auto den Parkplatz würde verlassen können (bei Veranstaltungen in dieser Größe nichts Ungewöhnliches), aber dank eines wirklich guten Ausfahrkonzeptes seitens der Polizei war ich innerhalb einer Viertelstunde bereits auf der Autobahn.

Und so endet mein Trip in diese andere Welt, in der die ONKELZ für die Bewohner Götter sind. Ich bleib dann doch lieber da, wo ich bin. Da fühl ich mich einfach besser aufgehoben.

In diesem Sinne:

Haltet die Ohren offen!

Zum Beispiel für meine TOP 5 der Bands, die die ONKELZ seit ihrem Comeback 2017 bereits als Vorgruppen hatten.

Platz 5: LIMP BIZKIT
Platz 4: SOULFLY
Platz 3: IN EXTREMO
Platz 2: ANTHRAX

und

Platz 1: SLAYER

Danke fürs Reinhören.


euer ONKEL BLACKHEART


Song der Woche: "Running in the Dust" von PRIMAL FEAR

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (20.06.17)
Was mich interessieren würde: Über was singen die Onkelz inhaltlich?

Ich kenne den Hockenheimring vom Hockenheimring-Radsporttag (ca. zweimal teilgenommen) und vom Hockenheimring-Lauf (einmal teilgenommen). Da darf man in das sog. "Fahrerlager" reinfahren und dort parken. Entferung zur Startlinie: ca. 300m. Staubig war es nicht. Musik wurde allerdings meiner Erinnerung nach auch keine gespielt.

"Waswardaloz" klingt für mich eher polnisch...

 Dieter_Rotmund (21.06.17)
Habe mich erkundigt: Die Onkeln spielen sog. Rechtsrock und sind für ihre gewaltverherrlichten Texte bekannt.
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