BlackHört

Un-Erhörtes aus der Musikwelt


Eine Kolumne von  BLACKHEART

Montag, 26. Juni 2017, 23:57
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Frontbericht: "Ganz'n Regen"

Was?
Noch ein Frontbericht?
Gehen dem Schwarzherzigen etwa kurz vor der Sommerpause die Ideen aus?
Ich kann euch beruhigen. Ich habe noch einige Themen in der Hinterhand. Warum dann also dieser Frontbericht? Ganz einfach. Weil er nicht geplant war.
Ich sehe immer noch Fragezeichen über euren Köpfen, also lasst es mich erklären. Frontberichte schreibe ich nicht zu jedem Konzert, auf dem ich bin, sondern nur zu solchen, wo etwas Besonderes passiert, oder die für mich eine gewisse Bedeutung haben.
So auch am vergangenen Donnerstag, als ich die, zu 60% wieder in Originalbesetzung spielenden, GUNS N' ROSES in Hannover live erleben durfte.

Aber auch die Fahrt nach Hannover hatte es bereits in sich. Ich fuhr mit einem befreundeten Pärchen, und wir hatten unseren Spaß auf der Fahrt, als wir plötzlich auf der Höhe von Northeim in ein Unwetter gerieten, das alles hatte, was zu einem Unwetter dazu gehört. Donner, Blitze, Hagel, alles. Die scheibenwischer kämpften einen fast aussichtslosen (Ha, ha.) Kampf gegen die Wassermassen, die da vom Himmel kamen. Nicht wenige andere Autofahrer fuhren sogar rechts ran und warteten, bis das Unwetter vorbeigezogen war. Wir aber fuhren weiter und hatten es bereits nach wenigen Minuten komplett hinter uns gelassen.
Die Wetter- und Verkehrsnachrichten im Radio ließen allerdings nichts Gutes erahnen. Und sie sollten Recht behalten.

Nachdem wir am Hannoveraner Messegelände angekommen und einen guten Parkplatz (Gebühr 7 €) bekommen hatten, machten wir uns auf den erfreulich kurzen Fußweg zum Veranstaltungsgelände. Bereits im Vorfeld war kommuniziert worden, dass nur Bauchtaschen, allerdings keine Rucksäcke oder ähnliche Tragetaschen auf dem Gelände erlaubt sind. Dementsprechend waren auch die Sicherheitsvorkehrungen. Neben dem obligatorischen Abtasten (Ich musste sogar meinen Autoschlüssel aus der Hosentasche holen und vorzeigen.) wurde man auch mit einem Metalldetektor abgescant, wie es an Flughäfen der Fall ist. Die Terrorakte und -drohungen der vergangenen Wochen hatten ihre Spuren hinterlassen.

Nach einer zweiten Schleuse, bei der die Tickets (Stehplatz ca. 95 € im Vorverkauf) abgescant und auf Echtheit überprüft wurden, kamen wir aufs eigentliche Messegelände. Erfreut stellten wir fest, dass es sogar teilweise überdacht war. In Anbetracht der Wettervorhersage kein unbedeutender Aspekt.

Meine Freunde hatten kurzfristig noch zwei Tickets für den Bereich "Front of Stage 2" (Stehplatzbereich zwischen den beiden Wellenbrechern) zum günstigen Preis ergattern können und begaben sich nun dorthin, wo sie sich mit anderen Freunden treffen wollten. Ich holte mir also mein erstes Bier (5 € + 1 € Pfand auf die unbedruckten 0,5 Liter-Becher) und verfolgte den Rest des Auftritts von PHIL CAMPBELL & THE BASTARD SONS, den man als solide Rock'n'Roll-Performance bezeichnen konnte. Ohne ex-MOTÖRHEAD-Gitarrist CAMPBELL würde diese Band aber wohl nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie an dem Tag bekommen hat. Der Auftritt schien doch etliche Leute zu interessieren.

Mich interessierten allerdings die mobilen Toiletten, die in mehr als großzügiger Zahl in zwei Hallen rechts und links vom Open Air-Bereich aufgestellt worden waren. Diese Hallen sollten sich später noch einer gesteigerten Beliebtheit erfreuen, allerdings noch nicht während des folgenden Schauers, der die Besucher zwar unter den überdachten Teil der Freifläche trieb, sich aber auch schnell wieder verzog.

Der Eine oder Andere hätte sich das wohl auch von den Briten KILLING JOKE gewünscht. Ihr Mix aus Punk, Wave und Gothic Rock war einfach nicht dazu geeignet, die nach Rock'n'Roll dürstende Menge anzuheizen. In der dunklen Szene sind sie sicherlich Legenden, aber hier waren sie einfach fehl am Platze.

Stichwort "Legenden": Das sind Bassist DUFF McKAGAN, Gitarrist SLASH und Sänger W. AXL ROSE spätestens seit den frühen 90er Jahren, als sie gemeinsam mit Gitarrist IZZY STRADLIN und Schlagzeuger NICKY ADLER (später MATT SORUM) unter dem Banner GUNS N' ROSES Musikgeschichte geschrieben hatten. Zumindest die drei Erstgenannten haben sich nun wieder zusammengetan, um unter dem Motto "Not in this Lifetime" wieder die Bühnen der Welt unsicher zu machen.
"Not in this Lifetime" war übrigens auch mein Gedanke, als ich die Preise für T-Shirts an den Merchendise-Ständen sah. 35 € für ein normales Tourshirt und ganze 40 € für ein spezielles "Hannover"-Shirt waren mir einfach zu viel.

Den Göttern schienen allerdings schon drei Songs zu viel zu sein, denn bevor der erste Akkord von "Welcome to the Jungle" als viertem Song verklungen war, wurde das Konzert wegen Unwetters unterbrochen. Alle Besucher wurden gebeten, sich in die angrenzenden Hallen zu begeben und dort auf weitere Instruktionen zu warten. Eine Aufforderung, der auch erstaunlich gesittet nachgekommen wurde. Ich orientierte mich aus zweierlei Gründen in Richtung der, von mir aus gesehen, linken Halle mit den mobilen Toiletten. Erstens musste ich diese aufsuchen (ich war inzwischen beim dritten Bier angelangt) und zweitens gab es auch in diesen Hallen jeweils einen kleinen Bierstand, die allerdings in der folgenden Stunde hemmungslos überlaufen waren. Auch die mobilen Bierverkäufer, die ihre Arbeit nun in den Hallen fortsetzten, konnten nicht wirklich für Entlastung sorgen.
Insgesamt verteilte sich die ca. 70000 Besucher auf fünf Messehallen, so dass es nicht wirklich eng wurde.

Der Abbruch erfolgte gegen 20:40 Uhr, gegen 21:30 Uhr konnte man sich wieder gefahrenlos ins Freie wagen und um 22:00 Uhr sollte es weiter gehen. Pünktlich um 22:25 Uhr kam dann auch die Band wieder auf die Bühne und machte da weiter, wo sie aufgehört hatten: Bei "Welcome to the Jungle". Um ehrlich zu sein hatte ich, mit Blick auf den Himmel, nicht damit gerechnet, noch einmal ein "Welcome" zu hören. Eher war ich auf ein "Sorry. Good bye." eingestellt gewesen. Umso erfreulicher war es, dass das Konzert nun nicht nur ohne weitere Unterbrechung, sondern auch ungekürzt weiter ging.

Neben eigenen Songs spielten die GUNNERS auch einige Coverversionen, u.a. "Live and let die" von den WINGS.
Nach diesem Song machte AXL eine etwas kryptische Bemerkung, als er sagte, sie hätten quasi als Entschädigung für die fast zweistündige Unterbrechung einen "Special Guest" dabei. Niemand Geringeren als ANGUS YOUNG nämlich, den Kultgitarristen von AC/DC, bei denen AXL ja im vergangenen Jahr noch als Sänger auf der "Rock or Bust"-Tour ausgeholfen hatte.
So verlängerte sich die Setlist auf insgesamt 28 Songs, weil noch "Whole Lotta Rosie" und "Riff Raff" von AC/DC zum Besten gegeben wurden. Es war irgendwie ein surrealer Anblick, zwei der größten Gitarristen (gemessen an ihren Fähigkeiten und ihrem Einfluss) auf einer Bühne zu sehen. Zumal der Eine (SLASH) sein Markenzeichen (Zylinder) trug, der Andere (ANGUS) seins (Schuluniform) aber nicht.
Egal, die Menge ging steil und das Unwetter war vergessen.

Im weiteren Verlauf des Konzertes wurden noch etliche Klassiker wie "You could be mine" (groß), "Civil War" (mit "Voodoo Child"-Intro), "Sweet Child o'mine" (mein persönlicher Favorit) und natürlich "November rain" (mit AXL am Piano) gespielt. Ein echter Gänsehautmoment war allerdings das Cover des SOUNDGARDEN Hits "Black Hole Sun" zu Ehren des kürzlich verstorbenen CHRIS CORNELL. Nicht nur bei diesem Song fiel auf, dass AXLs Stimme bei den Coversongs irgendwie kräftiger und "lebendiger" wirkte, als bei den eigenen Stücken.

Nach insgesamt 25 Songs kam dann das vorläufige Ende. Aber nur kurz. Kaum hatte die Band die Bühne verlasse, waren sie auch schon wieder da, um noch drei weitere Songs zu spielen.
Das unverwüstliche "Paradise City" beendete schließlich einen Abend, an den sich die Besucher noch lange zurück erinnern werden.

Bleibt die Frage, ob das Alles die ca. 95 Euro auch wert war.
Für mich kann ich diese Frage guten Gewissens mit "Ja." beantworten. Die Orga auf dem Gelände war erstklassig, das Krisenmanagement lief souverän und unaufgeregt, die Band selbst war frei von Allüren früherer Tage und der Gastauftritt von ANGUS YOUNG lässt nun wirklich kaum Wünsche offen.
Für diese Tour, die ja quasi ein "Comeback" darstellt, finde ich den Preis, gemessen an dem, was geboten wurde, angebracht. Sollten sie aber in naher Zukunft (ein - drei Jahre) wieder nach Deutschland kommen, sollten die Tickets aber günstiger sein. Nur leider wird das nicht passieren. "Sad but true".
Aber das ist von einer anderen Band, die auch mit GUNS N' ROSES und einem der schlimmsten Bühnenunfälle aller Zeiten in Verbindung steht. Und nein, ich meine nicht HELELE FISCHER.

In diesem Sinne:

Haltet die Ohren offen!

Zum Beispiel für meine TOP 5 der weiteren Coverversionen, die GUNS N' ROSES in Hannover gespielt haben.

Platz 5: "New Rose" von THE DAMNED
Platz 4: "The Seeker" von THE WHO
Platz 3: "Speak softly Love" von NINO ROTA (aus "Der Pate")
Platz 2: "Wish you were here" von PINK FLOYD

und

Platz 1: "Knockin' on Heaven's Door" von BOB DYLAN

Danke fürs Reinhören.


euer BLACKHEART


Song der Woche: "Thunderstruck" von AC/DC

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(27.06.17)
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 Dieter_Rotmund (27.06.17)
Beneidenswert. Hier bei mir wird immer Unwetter und Abkühlung versprochen, dann donnert es zaghaft zweimal, das war’s dann.
Frontbericht gerne gelesen!

 Dieter_Rotmund (29.06.17)
Wirklich nur für grammar nazis, ganz am Rande:

"Nachdem wir am Hannoveraner Messegelände angekommen und einen guten Parkplatz (Gebühr 7 €) bekommen hatten, machten wir uns auf den erfreulich kurzen Fußweg zum Veranstaltungsgelände."

Nach Rücksprache mit einer erfahrenen Lektorin bin ich nun sicher: So geht der Satz nicht. "Ankommen" ist ein Verb der Bewegung, folglich muss das Partizip "sein" verwendet werden. Sie wies mich außerdem draufhin, dass "auf den Weg machen" eine feststehende Redewendung ist, die man nicht einfach nach Gutdünken verändern darf.

Folglich heisse der Satz korrekt:

"Nachdem wir am Hannoveraner Messegelände angekommen waren und einen guten Parkplatz (Gebühr 7 €) bekommen hatten, machten wir uns auf den erfreulich kurzen Weg zum Veranstaltungsgelände."

Oder auch:

"Nachdem wir am Hannoveraner Messegelände angekommen waren und einen guten Parkplatz (Gebühr 7 €) bekommen hatten, begaben wir uns auf den erfreulich kurzen Fußweg zum Veranstaltungsgelände."

Und "Scheibenwischer" ist natürlich ein Substantiv.

 apple (08.07.17)
STEVEN Adler
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