Rechtfertigung eines Beamten

Lyrischer Prosatext zum Thema Marionetten

von  modernwoman

wo ist das paradies
zeig es mir, oder ich schiess...

ich bin ein guter mensch
denn alles, was man mir sagt
das mache ich auch
ungefragt

später dann
wenn meine herren nicht mehr sind
habe ich eine entschuldigung
beeinflussung

natürlich war ich gezwungen
all die todesurteile
und die nebensächlichen deportationen
zu unterschreiben
schliesslich wollte ich ja
in meinem amte bleiben

ich habe doch familie wie ihr auch
wir müssen miete und essen zahlen
was kann ich denn
für das metzeln und die qualen

schliesslich sitze ich doch nur
in meinem büro und schreibe
das könnte jeder machen
auch die kritischen sachen

wie ihr also seht
ich bin nur ein kleines licht
ich lief nur mit
doch ich tötete nicht...

© Cornelia Warnke

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Kommentare zu diesem Text

Sturmschatten (32)
(24.09.06)
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 modernwoman meinte dazu am 24.09.06:
lieber johannes, was die holprigkeit anbetrifft, es ist kein gedicht im üblichen sinne, das wird dir sicher nicht entgangen sein. zudem ist es hauptsächlich satirisch und von der anlage her als text geschrieben.

also ich denke schon, da hört man genau den richtigen ton heraus. und genau um das schweigen und verdrängen geht es bei diesem text.

schliesslich war es damals ja so, dass die leute gesagt haben, ich habe doch nur befehlen gehorcht - oder noch schlimmer und oft gehört: na hätte ich es nicht getan, dann eben ein anderer und ich wäre brotlos gewesen.

also lieber ein mörder, als brotlos sein...

einen wunderschönen sonntag dir und liebe grüsse

conny
ElfchenofDarkness (19)
(25.09.06)
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 modernwoman antwortete darauf am 25.09.06:
hallo! erst mal danke für deinen kommentar. du irrst dich nicht. natürlich gab es widerstand. den wollte ich hier aber ausblenden, weil es garnicht erst zu dieser situation hätte kommen müssen, wenn die menschen früher ihren verstand benutzt hätten.

alle diese menschen, die weggesehen haben, wenn ihre jüdischen nachbarn abgeholt wurden und noch schlimmer, die vielleicht hinter vorgehaltener hand gemurmelt haben, schadet denen garnix, weil es vielleicht auch (was menschlich ist) nachbarliche differenzen gab. es ist bekannt, dass gerade wegen solcher differenzen viele deutsche ihre nachbarn ans messer lieferten.

wenn es immer heisst, na aber es gab auch widerstand, dann ist mir das nicht genug! denn die grosse masse wollte nun mal kanonen statt butter.

und wenn wir nicht aufpassen, wiederholt sich die geschichte. vielleicht nicht so extrem wie zur zeit des dritten reiches, aber eine diktatur, die menschen foltert und tötet, wie es ihr beliebt, reicht auch.

nicht zu vergessen, ereignisse in deutschen städten, wo ausländer zu tode gehetzt werden und deutsche bürger ihre fenster und türen schliessen nach dem motto der drei berühmten affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen !!!

liebe grüsse

conny
ElfchenofDarkness (19) schrieb daraufhin am 25.09.06:
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 modernwoman äußerte darauf am 25.09.06:
lieber axel, das schlimme ist, es gibt viele Hoyerswerda in deutschland. was war denn mit dem schwarzen, den die kackbraune nazibrut zu tode gehetzt hat? was war in potsdam, wo man einige schwarze zusammen getreten hat wegen ihrer hautfarbe? selbst in berlin (ehemaliges westberlin) ist es vor jahren mal dazu gekommen, dass rechte schläger einem schwarzen aus "spass" den daumen abgeschnitten haben. das schlimme ist, diese kreaturen gehen meist fast straffrei aus und verhöhnen hinterher noch ihre opfer. lg. conny
h2o (54)
(25.09.06)
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 modernwoman ergänzte dazu am 25.09.06:
lieber lothar, ich gebe dir völlig recht, was das zeigen mit dem finger auf nur eine gruppe angeht.

es war absicht und sollte provozieren. ich habe damals als noch fastkind nie verstanden, wenn beamte öffentlich stellung nahmen und sagten, schliesslich seien sie dem staat verpflichtet gewesen durch ihr beamtentum. das war ihre entschuldigung. dabei handelte es sich nicht etwa um briefträger oder kleine sachbearbeiter, sondern um menschen, die alle bereits in hohen positionen sassen.

ich habe mich damals schon gefragt, wo bei all dem eigentlich das gewissen gewesen ist. hatte es urlaub? machte es vielleicht grade eine kreuzfahrt um die welt?

mein stiefvater war ehemaliger ss-offizier und stammte aus einer alten offiziersfamilie. da gehörte der totschlag sozusagen zur tradition. als er klugerweise (schliesslich war er als akademiker ja nicht dumm) bemerkte, dass deutschland den krieg verloren hatte, ging er schnell nach moskau zur antifa und wurde dort "überzeugter" kommunist. später kam er nach deutschland zurück und war plötzlich ein kommunistischer politiker. aber wenn er betrunken war, dann sangen sie nazilieder und schwelgten in der vergangenheit.

ich weiss, dass die vielen kleinen beamten oftmals überfordert waren, aber fakt ist, ohne diese gut funktionierende maschinerie hätte hitler niemals diesen monströsen tötungsrausch ausleben können.

aus meinen nachfolgenden kommentaren ergibt sich aber auch, dass ich den titel lediglich als vehikel benutzt habe. ich denke, er hat sein provokantes ziel erreicht und gleichzeitig möchte ich hiermit sagen, dass ich keineswegs die beamtenschaft als solche angreife.

allerdings dachte ich mir schon, dass meine provokation dazu führen würde, dass nun linear von a nach b gegangen wird in einer art dominoeffekt nun alle gruppen angesprochen werden und sich angesprochen fühlen, bis wir plötzlich zu der erkenntnis gelangen, das ganze deutsche volk hat sich auf die eine oder andere art mehr oder weniger schuldig gemacht.

ich wünsche dir einen angenehmen abend und sende liebe grüsse

conny
(Antwort korrigiert am 25.09.2006)
MarieM (55)
(04.01.13)
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