The Business of Paper Stars

Text zum Thema Erwartung

von  Erdbeerkeks

Als Emily am nächsten Tag zu dem Baum zurückkehrt, hofft sie, Gerard dort anzutreffen. Natürlich würde sie das niemals zugeben, nur über ihre Leiche würde er erfahren, dass sie schon wieder auf ihn wartet.
Doch Gerard ist nicht da.
Sie macht die Augen zu, ganz fest hält sie sie geschlossen und hofft. Macht sie wieder auf. Doch Gerard bleibt verschwunden und Emily enttäuscht. Seit gestern hat sie angefangen, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Sie hat es schon immer gehasst, wenn Menschen nicht verstanden, dass sie so oft selbst Schuld waren, an ihrem eigenen Leiden und auch diesmal hat sie eine gute Erklärung finden können. Emily ist ihm langweilig geworden. Nichtmehr hübsch genug. Zu dumm um ihn zu verstehen. Es kann viele Gründe geben.
Nur ändern muss sie sich. Aufregender werden, schöner, klüger, anmutiger. Wenn sie doch nur wüsste, wer dieses andere Mädchen ist, diese mysteriöse Unbekannte. Sie will sie kennenlernen um zu sehen, was sie besitzt, was Emily nicht hat. Um sich zu ändern, damit es danach wieder nur sie gibt, nur Emily und Gerard, eine Linie und kein Dreieck.
Erst hat sie sich überlegt, zu zeigen, wie verletzt sie ist, vor ihm weinen wollen, damit er sie tröstet, auch wenn es vollkommen würdelos erschiene, aber vor Gerard hat Emily ohnehin so etwas wie Würde und Stolz nie gebraucht. Aber das würde nicht passen.
„Emily.“, flüstert Gerard in ihren Gedanken und sie fühlt wieder diese Sehnsucht, die ihre Luftröhre hinaufkriecht und sich wie heißes Quecksilber in ihr ausbreitet. Sie kann sich genau vorstellen, wie er zu ihr kommt, mit diesem warmen Blick, der die Schokolade in seinem Blick zum Schmelzen bringt und Emily vollkommen einlullt.
Aber wozu vorstellen, wenn er genau in diesem Moment vor ihr kniet, inmitten der Kastanien von gestern und reumütiger nicht blicken könnte.
„Emily“, wiederholt er traurig. Er legt eine Hand in ihren Nacken, zieht sie zu sich in seine Arme und hält sie fest. Eilig drücken sich ihre Hände an seinen Rücken, krallen sich in sein Shirt und wie betäubt lehnt Emily an seiner Schulter. Sie ist ihm noch nie so nah gewesen.
„Verzeih mir.“, sagt Gerard.
Emily nickt ohne nachzudenken, nickt, weil es gerade zum Moment passt und ein Nein alles kaputt gemacht hätte, nickt, weil alles, worüber sie nachgedacht hat, auf einmal verschwunden ist und nickt, weil das andere Mädchen nicht existiert.
Aber Gerard schüttelt den Kopf, hält sie an der Schulter fest, sieht sie an und sagt: „Nein, du sollst mir verzeihen und nicht verdrängen. Erinner dich daran, dass ich es war, der dir das angetan hat, der es gewagt hat, dich in Frage zu stellen. Erinner dich daran und sag mir, ob deine Antwort trotzdem noch die gleiche ist.“
Die beiden sitzen lange so da und während Emily weint und denkt, sitzt Gerard stillschweigend daneben und wartet.
Er traut sich nicht, Emily zu trösten und sie auch nur anzurühren, bis sie keine eindeutige Antwort hervorgebracht hat.
Er wartet und wartet, bis sie leise
„Okay“
sagt.

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