Restposten

Erzählung zum Thema Single/ Single sein

von  3p1l

I. Erzähler

Frauen stehen auf Familientypen, das hatte er schon an den Blicken gemerkt, als er mal allein mit dem Sohn seiner Kollegin in der Stadt unterwegs war. Paradox eigentlich, denn einer mit kleinem Kind ist doch meistens nicht zu haben.

Frauen stehen besonders auf kochbewusste Familientypen. Das merkte er, als er mit Lauch im Rucksack vom Wochenmarkt kam. Zu jedem Gemüseeinkauf gehört Lauch, allein deshalb, weil er  aus jeder Tasche, jedem Rucksack, jedem Fahrradkorb herausschaut und den ernährungsbewussten Kochtypen verrät. Vielleicht spielt auch eine gewisse phallische Assoziation mit hinein.

Samstags heißt es also: immer zuerst zum Wochenmarkt gehen und dann, mit Lauchstange, zum Bäcker, Supermarkt, Buchladen. Vor allem zum Buchladen, da trifft man Frauen, die auf familienbewusste Ernährungstypen stehen. Man muss bloß aufpassen, mit dem großen Rucksack nicht zu ungeschickt im Weg zu stehen, mit dem Lauch niemanden unpassend zu treffen.

Im Buchladen also. Plötzlich stand sie vor ihm, direkt vor ihm. Ihre Blicke waren eindeutig, dabei gehörte sie gar nicht zu seiner phantasierten Zielgruppe der koch-, ernährungs- und familienbewussten Lesemädel. Sie hatte auch sicher nicht das, was man eine Traumfigur nennen würde. Sie war die junge Kassiererin, bei Jokers. Stapelte preisreduzierte Mängelexemplare, sortierte Restauflagen. Aber ihr Blick! Auf den Lauch. Dann auf ihn. Ein Lächeln. Er blieb lange im Laden, ihre Blicke kreuzten sich noch dreimal, mindestens. Jedesmal ein Lächeln. Er lief mit seinem Rucksack und seinem Lauch hin und her, blätterte, schaute. Sie kassierte, stapelte, sortierte.

Schließlich verließ er das Geschäft ohne ein Wort. Er fand einfach nichts, kein Buch, erfand einfach nichts, keine Frage.


II. Lektor

Pointe fehlt, Wortspiel reicht nicht, banale Alltagsgeschichte von einem, der gern interessante Frauen kennenlernen würde und stattdessen dicke Buchverkäuferinnen anstarrt. Geschichte wahrscheinlich selbst zwischen Bäcker und Supermarkt ausgedacht. Oder, noch schlimmer: selbst erlebt. Einer, der sich nicht einmal traut, die Verkäuferin anzusprechen – und der auch nicht kreativ genug ist, sich ein solches Gespräch für die Geschichte auszudenken. Papierkorb.


III. Gespräch

Ich könnte die Geschichte auch erweitern, falls Sie Ihnen gefällt...
  Nun ja.
Just an diesem Tag hatte ich noch mehr nette Begegnungen im Einzelhandel: Als erstes war ich beim Bäcker.
  Ja, und?
Ich verlangte nach Brötchen, die nur noch im Schaufenster auslagen. Die junge Verkäuferin fragte extra ihre Kollegin, ob die noch zum Verkauf geeignet seien. Jaja, ganz frisch, hieß es. Wäre ja sonst gefährlich für die Zähne, sagte die junge Verkäuferin zu mir (und lächelte).
  Ja, und?
Sie lächelte. Die Brötchen waren hart und trocken, aber das habe ich erst zuhause gemerkt
  Das war's?
Danach war ich im Gemüseladen, wissen Sie, so einer wo draußen auf der Straße Schreihälse unterwegs sind, „kauft ihr Leute“, „Erdbeeren ein Euro“, ließ mir grad Zwiebeln einpacken.
  Ja, und?
„Ich kann der ihre Stimme nicht mehr hören“, sagte meine Einpackerin (und lächelte). Beruf verfehlt, dachte ich. „Schönen Feierabend“, sagte ich (und lächelte zurück).
  Ja, und?
Das waren noch zwei weitere interessante, junge Verkäuferinnen, alles an einem Vormittag. Interessant, oder?
  Nun ja.


IV. Erzähler

Anbei ein Vorschlag zur Ergänzung meiner Kurzgeschichte aus dem Buchladen. Was halten Sie von einer gespiegelten Erzählperspektive? Ist das nicht ein wunderbares Stilmittel? Hier ein Vorschlag, schreiben Sie mir doch kurz zurück, was Sie davon halten. MfG.

Vorm Belletristik-Regal steht ein junger Typ mit Rucksack. War offenbar Gemüse kaufen, Lauch, Öko-Typ? Sieht aber nett aus. Steht da bloß ein bisschen ungeschickt mit seinem dicken Rucksack. Schiebe mich in die Nähe; er lächelt nett. Die Spiegel-Bestseller ignoriert er, schaut kurz bei den Krimis, aber da liegen nur Frauenbücher. Donna Leon. Muss ins Lager, an ihm vorbei. Lächeln! Dann ist er bei den Reiseführern. Wo will er hinfahren, mit wem? Scheint ziellos, steht da herum, blättert. Oder wartet er nur, dass ich wieder kassiere? Will er nur bei mir was kaufen? Er blickt durch den Laden, sucht er meinen Blick? Suche ich seinen Blick? Dann geht er langsam Richtung Ausgang. Muss an mir vorbei. Lächeln! Schon ist er auf der Straße verschwunden. Hätte er sich nicht wenigstens eine Frage ausdenken können? Wo wäre es einfacher, ein Gespräch anzufangen, als im Buchladen? Ich habe schon Ahnung von Literatur, auch bei Jokers gibt es Beratung. Wir haben auch Ernährungsbücher. Kochbücher. Familienbücher. War wohl nichts mit uns beiden. Mal wieder keiner für mich. Notiz für nach Feierabend: Lauch kaufen nicht vergessen.


V. Lektor

Sorry, auch die versuchte, reichlich vulgäre Sexualisierung fesselt mich nicht.

Möchten Sie die E-Mail wirklich löschen?

Ja.

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Kommentare zu diesem Text

Songline (45)
(16.01.11)
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 3p1l meinte dazu am 19.01.11:
Vielen Dank! Das wird Erzähler I, der mir besonders am Herzen liegt, sicher sehr freuen...

 makaba (16.01.11)
das ist toll! super Idee!

lg makaba

 3p1l antwortete darauf am 19.01.11:
danke, danke ;)
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