Idylle mit ertrinkendem Hund

Erzählung

von  ZAlfred

***"Letzte Woche trafen sich in unserem Ü40-Special hier zwei Menschen, die natürlich heute wieder mit dabei sind: Monika und Michael."
***Auftritt von Monika, einer drahtigen Rothaarigen in Schluppenbluse, Jeans und Turnschuhen. Sie führt den blonden Michael im Klammergriff ins Studio.
***Michael wankt kleinmütig und kläglich durch die Dekoration. In seinem quergestreiften Pullunder, wie ihn nur eine liebende Mutter ihrem Kinde morgens zum Anziehen herauslegt, wirkt er wie ein großer Junge, der nur lieb sein will und sich in seiner Haut nicht wohl fühlt.
***Monika beherrscht das Bild. Nicht weil sie Michael mit ihren hohen Absätzen um Haupteslänge überragt. Monika strahlt Lebensfreude aus. Michael zeigt sich anwesend, mehr nicht.

***"Hallo, ihr zwei", bemüht sich der Moderator die Atmosphäre aufzulockern, "wie ein richtiges Paar seht ihr aus." Er nimmt Monika beim Arm.
***"Das ist ja toll!" Er weist auf den Boden und zupft gleichzeitig Monika am Blusenärmel. "Das passt ja. Teppich und Bluse im selben Farbton. Das sieht ja aus wie Absicht"
***"Ja, die von der Requisite haben heute extra angerufen und gefragt, was ich anziehen werde." Monika antwortet mit schnippischem Unterton. "Sie bräuchten das, um die Farbe für die Auslegware auszuwählen."
***Michael beeilt sich, diese Replik mit künstlichem Gelächter zu unterstreichen.
***Der Moderator verzichtet auf weiteren Smalltalk und kommt sofort zur Sache.
***"Weiter in Text", rutscht ihm heraus. "Die beiden flogen mit dem Herzblatt-Hubschrauber nach Rantum auf Sylt. Wo sie einen traumhaften Tag erlebten. Hier sind die Bilder... "
***Die Einspielung beginnt. Monika und Michael sitzen Arm in Arm im Hubschrauber und grinsen gequält. 
***Die beiden mit einem Abgesandten der Inselverwaltung, der einen überdimensionalen Umschlag übergibt. 
***Monika, die ihm das Kuvert aus den Fingern reißt.
***Monika und Michael mit lächerlichen weißen Hauben über den Haaren neben einem Weißkittelträger, im Hintergrund eine Flaschenfüllstraße für Mineralwasser.
***Ein Postkartenmotiv mit Krabbenfischer und einem Korb voller fangfrischer Nordseekrabben im Hafen.
***Zum Abschluss folgt noch eine Aufnahme, die eine strahlende Monika mit Sonnenbrille im Strandkorb zeigt. Neben ihr, beinahe schon außerhalb des Bilds, versieht Michael sein Gesicht mit einer deckenden Schicht Sonnencreme.

***Der Sender gönnt dem Zuschauer keine Pause. Es folgt die unvermeidliche Ansage: „Und nach ihrer Rückkehr haben wir die beiden getrennt voneinander befragt."
***Schnitt. Monika erscheint in der kleineren Splittscreen-Ansicht. Sie beginnen mit Michael!
***"Wie war es denn mit Monika? Wie hat es Dir auf Sylt gefallen?"
***"Ja, also, ich meine ja", druckst der herum, "also, die Monika, die ist ja irgendwie schon eine ganz schön Wilde. Wie die mit den Männern auf der Insel geschäkert hat. Ich weiß nicht so recht. Was die Mama wohl dazu gesagt hätte?"

***Schnitt, die Bildschirmausschnitte wechseln, Monika antwortet.
***"Der Michael, das ist so ein ganz Lieber. Der geht so gar nicht ran. Stand immer einen Schritt hinter dem Geschehen. Immer nur dabei, nie mittendrin. Und als ich ihn dann provozieren wollte und den süßen Friesen von der Tourismuszentrale ein klitzeklein wenig angebaggert habe, da macht dieser Typ einfach 'nen Abflug und verzieht sich in den Hubschrauber. Der war doch mit mir da. Wieso gibt der Michael sich keine Mühe? Warum hat er nicht mal versucht, um mich zu kämpfen?"

***Schnitt. Großaufnahme Michael. Er verzieht das Gesicht. Die Frage aus dem Off geht im Beifall und Gelächter des Studiopublikums unter.
***"Das war so ein tolles Programm! Schade, dass die Michaela so gar keinen Sinn für die faszinierende Mineralwasserabfüllanlage hatte. Die hat ja nicht mal richtig hingeschaut. Dabei war das so beeindrucken, wie die Flaschen ganz automatisch gespült und dann aus der Quelle direkt gefüllt und verschlossen wurden. Und wie toll das laut geklirrt hat, das war wie Musik, nur lauter."

***Es geht direkt weiter mit Monika.
***"So ein Stoffel. Steht da in dieser Flaschenbude und starrt die rasselnden Flaschen mit offenem Mund an. Das ist doch kein Mann ! Bestenfalls ein großgewachsenes Kind. Der ist doch völlig zurückge... "

***Das Studiopublikum johlt begeistert. Der Moderator hat alle Mühe, den Saal zur Ruhe zu bringen.

***Michael rutscht auf dem Hosenboden und ringt, ungefragt, nach Worten.
***"... und dann, wo wir schon mal im Strandkorb sitzen, eigentlich ein Moment, wo wir endlich mal die Schönheit der Nordseeküste, die gute Luft und das Reizklima ungestört genießen könnten," sein Redefluss stockt, er sieht sich Beifall heischend um, "... und was macht da die Michaela? Sie zeigt mir eine Wolke, behauptet, die sieht aus wie ein ertrinkender Hund und erzählt mir dann, dass der ertrinkende Hund die Nummer 187 im Kamasutra ist. Wenn ich nicht der Mann wäre, der ich bin, ... "

***"Wenn Du wirklich ein Kerl wärst", unterbricht Monika ihn, "würdest Du breitbeinig grinsend davon träumen, dass wir noch mal den ertrinkenden Hund machen." 
***Tosender Beifall, das Publikum tobt, grölt und ist nicht mehr zu beruhigen.

***"Die Nummer mit dem ertrinkenden Hund interessiert mich ja nun brennend!", raunt der Moderator, der glaubt, in dem Tumult würde es niemand bemerken, Monika ins Ohr. Er beugt sich zu ihr herüber, sieht ihr tief in die Augen und legt seinen Arm um sie. Der alte Fernsehhase irrt. Sein Mikrophon am Revers und die Kamera übertragen auch diesen Lapsus in Millionen Wohnzimmer. Den nächsten Kameraschwenk auch. Auf den Bildschirmen erscheint seine Hand, die auf Monikas Po ruht.
***Musik, Abspann.

***In dieser Ausstrahlung waren Monika und Michael zum letzten Mal gemeinsam zu sehen.

***Eine Woche später, die nächste Herzblatt-Folge. Ein gutgelaunter, strahlender Moderator tritt breitbeinig grinsend vor die Kameras ...


© ZAlfred 2012


Anmerkung von ZAlfred:

... und noch ein geklauter Titel:


»Idylle mit ertrinkendem Hund«
von: Michael Köhlmeier
Gebundene Ausgabe: 112 Seiten
Verlag: Deuticke Verlag; Auflage: 6 (20. August 2008)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3552060766
ISBN-13: 978-3552060760

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Kommentare zu diesem Text


 Martina (07.08.12)
Perfekt folgendes ausgedrückt:
Wenn Zwei etwas anschauen, müssen sie nicht dasselbe sehen =)

Lg Tina.

 ZAlfred meinte dazu am 07.08.12:
DU entdeckst Sachen ...
den Fokus auf die Unterschiedlichkeit der beiden Prots zu legen, das war schon beabsichtigt, aber diesen Nebeneffekt hatte ich nicht bedacht. Aber auch wenn ich aus Versehen etwas gut gemacht habe, bleibt immerhin etwas, das ich gut gemacht habe. *stolzdieBrustschwell*
Ich danke Dir von ganzem Herzen.

 Lluviagata (07.08.12)
*kicher*

Aber- lieberZAlfred, ist "drahtig" nicht eher ein Adjektiv, dass man nur Kerlen aufdrückt.
Watt meinste? ♥

 ZAlfred antwortete darauf am 08.08.12:
*freumichüberDeinKichern*

Aber deinen Einwand zu "drahtig", den weise ich entschieden zurück. Sieh Dir nur mal die aktuelle Berichterstattung aus London an. Alles drahtige Frauen, wohin ich auch sehe, beim Beach-Volleyball, im Sprint, auf der Langstrecke, beim Hochsprung, beim Stabhochsprung auch und dann ... ohne Ende drahtige Deerns!

nu möt ik möl grinn' dohn.
(Antwort korrigiert am 08.08.2012)
magenta (65)
(08.08.12)
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 ZAlfred schrieb daraufhin am 08.08.12:
Danke für die Blumen, liebe magenta.

Frag' nicht was es war, aber Dein Kommentar brachte mich darauf, die hinreißende Story von Gringo noch mal lesen zu wollen. Nun ja, es muss im Moment beim Wollen bleiben. Schade.
Gute Nacht und danke, Magenta
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