Neuer Wind

Text zum Thema Natur

von  Muuuzi

Die kalten Ungeziefer nagen unsicher am festen Rindenmantel, den die alte Eiche mit Bedacht trägt und an sich schmiegt. Ihre noch gefrorenen Adern hängen über ihren Kopf und schmücken sich bereits allmählich mit weißzarten Knospenträgern, deren Blüte noch als Geheimnis in ihrem Inneren aufbewahrt wird. Die kleinen Tierchen bewegen sich steif und willkürlich wie Blinde umher und suchen ihre frostigen Mahlzeiten. Die Ruhe kommt zu einem Ende. Der wilde Trieb nach Bewegung soll nun wieder Herrscher über die Tiergehirne werden. Alle sollen singen, laufen und lieben.

Die Luft haucht leise Winde, bis sie sich plötzlich in stürmische Atem verwandeln und am Horizont verschwinden. Zurück bleibt der kühle Nachklang, den sie zurück ließen. Ein weicher Nebelschleier ist in dieser einen Frühlingsferne noch minutenlang zu erkennen, doch auch er wendet sich bald ab und vergeht im Augenblicksloch. Verwüstet und tot bleiben die zerrissenen Windesopfer zurück und beenden ihre Klagelieder.

Am halbvollen Schneeteller, der bereits zerdrücktes Gras erkennen lässt, befinden sich Tierspuren, welche sich bunt durcheinander gereiht hatten. Nur die Birken sind immer noch kahl und fleckig. Sie erinnern an alte Dalmatiner, die sich in die Erde gegraben haben und ihren baldigen Tod erahnen lassen sollten. Ihre Ohren hängen schlapp herunter, da sie von ihnen keinen Gebrauch mehr erhoffen würden.

Die langen Schwarzbeinchen, die aus den Mauerspalten spazieren, bewegen sich mühsam, doch mit einer gewissen Schnelligkeit und Eleganz, sodass die kleinen Mädchen zu schreien beginnen, wenn sie in der neuen Jahreszeit die erste Spinne entdecken. Die Menschen sitzen auf einer modrigen Bank und genießen den heißen Kaffee, dessen Dampf sich zu wunderbaren Perlenmuster verbindet.

Die Vögel brummen bedeutsame Lieder, welche die Nachtigall gedichtet haben könnte. Man weiß es natürlich nicht so genau. Aber man vermutet es wahrscheinlich. Die Bären sind erwacht und piepsen gebrechliches Brüllen, da sie ihre Stimme noch nicht wieder zurückerlangt haben. Vier grauschwarze Mückengestalten schweben durch das unsichtbare Element und paaren sich freudig.

Alles hat die altgewohnte Form, und doch ist jeder neue Frühling ein neuer Anfang, dessen Ende noch nicht geschrieben worden ist.

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