Zeit

Gedicht zum Thema Tod

von  Herbstlaub

Zeiten wogen auf und nieder,
„Zeit heilt Wunden, Zeit vergeht.“
„Zeit bringt dir die Freude wieder.“
- Was wenn Zeit so stille steht?

Wenn gefroren jede Stunde,
wenn so zäh wie Nektar sie
reißt solch eine tiefe Wunde,
dass die Narbe heilet nie.

Zeit – sie wurde uns genommen.
Deine Zeit lief plötzlich ab.
Mir ist jeder Blick verschwommen
und ich steh an deinem Grab.

Fragen! Und der beißend Zweifel.
Vorwurf! Und die brennend Qual.
Ich wünscht, so vieles könnt ich ändern
und für dich da sein, dieses Mal.

Doch Zeit verrann und Tat verging.
Ich lese nur dein letztes Wort,
spür noch einmal deine Aura,
hoffe du wirst glücklich dort.

Mögen dort die tausend Sterne,
Trost dir spenden, und dein Herz
möge endlich Freiheit spüren,
fernab von dem Weltenschmerz.

Zeiten wogen auf und nieder,
„Zeit heilt Wunden, Zeit vergeht“
Zeit – sie bringt dich niemals wieder!
...Unsre Zeit wurd fortgeweht.

(c) Herbstlaub, 21.06.2011

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (06.01.20)
Herzlich willkommen Herbstlaub!

hab mal geschmökert und finde, dass du die Technik gut beherrschst, nur ist mir aufgefallen, dass du ein wenig dem Reimzwang verfallen bist, was dem Gedicht hier - meines Erachtens - nicht gut tut!

Nur mal ein Beispiel:
In der ersten Strophe hier finde ich die letzte Zeile etwas steif. Ich hab sie mal ganz einfach formuliert:

Zeiten wogen auf und nieder,
„Zeit heilt Wunden, Zeit vergeht.“
„Zeit bringt dir die Freude wieder.“
- Was, wenn die Zeit stille steht?

Ich wünsche Dir viel Feude hier!

Liebe Grüße
Llu ♥

Anmerkung - ein copyright ist hier auf dieser tollen Plattform nicht notwendig, da sämtliche Daten erkennbar vermerkt sind. Außerdem verlängert es unnötig das Format, was einem Nominieren zum Kurztext des Tages dann im Wege stände, wären alle anderen Kriterien erfüllt ... ;)

Kommentar geändert am 06.01.2020 um 10:36 Uhr

 Artname meinte dazu am 06.01.20:
Liebe Lluviagata,
leider muss ich dir handwerklich widersprechen. Deine Änderung betrifft einerseits keinen Reimzwang , dessen Existenz mE sowieso nur vom Geschmack des Lesers abhängt. Und andererseits spricht der alternierende Rhythmus der vorangehenden Zeilen gegen deinen Vorschlag. Im Original wechselt sich nämlich folgender Zeilenrhythmus ab:
XxXxXxXx
XxXxXxX

Dein Vorschlag bedient , so gesehen, S1V4 metrisch echt kompliziert. Hielte man den vorgegebenen Rhythmus weiter ein, müsste man " DIE Zeit" betonen. Eine sehr schöne, interessante Variante!!

Kann aber auch zum echten Stolperstein werden. Betont man nämlich geläufig, bringt dein Vers ein neues Versmass in das Gedicht (dessen metrisches Schema ja ansonsten durchaus klassisch ist):
Xx(x)X XxX.
oder
xXxX XxX

Ich selber habe keinerlei Einwände gegen den originalen Vers!
Hätte ich als AUTOR welche, änderte ich vielleicht so::

"Zeit, was machst du, wenn du stehst."

Aber damit wären ein unsauberer Reim und somit ein Haufen neuer Probleme entstanden...

Antwort geändert am 06.01.2020 um 14:45 Uhr

 Herbstlaub antwortete darauf am 06.01.20:
Vielen Dank für deinen Kommentar, dein Willkommen, deine Anregung, liebe Lluviagata!
Tatsächlich mag ein gewisser "Reimzwang" bei mir vorherrschen. Dieser Eindruck mag sich sogar verhärten, liest du meine anderen Texte Ich kann mir nicht helfen, aber ich schreibe am liebsten so. Und am allerliebsten im Kreuzreim.
Mag manche*r als einseitig empfinden, aber das ist so ein vertrautes Terrain, dass es formal keines großen Aufwandes mehr bedarf und der Inhalt im Schreibprozess im Vordergrund steht. Bei diesem Text war das zentral. Und wichtig.

Lieber Artname,
danke für deinen Kommentar, die Verteidigung der Ursprungsform und die damit verbundene tiefere Auseinandersetzung mit meinem Text.

Beste Grüße an euch.
Herbstlaub

 FrankReich schrieb daraufhin am 07.01.20:
Hi Herbstlaub,

von mir ebenfalls ein "Herzliches Willkommen", allerdings gleichwohl zunächst etwas Kritik im Sinn von Lluviagata, da Du meiner Meinung nach an der Qualität des Ausdrucks arbeiten solltest,
Wie Llu versuche auch ich das am Beispiel des vierten Verses zu verdeutlichen, wobei ich mich besonders am Adverb "stille" stoße, allerdings auch an der Ellipsierung dieses Verses sowie der "Zeitüberflutung", daher folgender Änderungsvorschlag:

doch was bringt sie, wenn sie steht?

Wenn ich Llu richtig verstanden habe, wollte sie andeuten, dass der Satzbau und die Verwortung (z. B. "heilet" oder "wurd") unter den Reimen und der Versifizierung nicht mehr als nötig leiden sollte, und da sehe ich in obigem Gedicht noch erheblichen Verbesserungsbedarf.
Bitte verzeih mir, aber auch inhaltlich kann ich diesem Gedicht nichts abgewinnen, was ebenfalls im Stil begründet liegt.

Ciao, Frank

P.S.: Kreuzreime sind von den drei gängigsten Formen am seltensten, auch ich mag sie, witzig finde ich besonders, dass Dein Gedicht meine Anforderungen an ein Doppelsonett erfüllt. :D

 Herbstlaub äußerte darauf am 07.01.20:
Hej Frank,

vielen Dank für dein Willkommen und deinen Kommentar.
Deine Anmerkung bezüglich der "Zeitüberflutung" kann ich verstehen, dies war jedoch beabsichtigt und im Sinne einer gewissen Redundanz/Monotonie angedacht (synonym für die innerlich immer wiederkehrenden Phrasen, dass Zeit ja alle Wunden heilt und all der Kram) und keinesfalls mangelder Einfallsreichtum. Offenbar erzielt es jedoch nicht bei jedem Leser die Wirkung, die intendiert war.

Die Häufung der Verwortungen fällt mir bei nochmaligem Lesen nun auch auf. Und ja, das geschah wohl zum Wohle des Metrums und im Sinne eines Reimzwangs. Dahingehend gäbe es möglichwerweise Optimierungsbedarf.

Ich werde am Text allerdings nichts mehr ändern. Er ist für mich ein Zeitzeugnis und eine Kanalisierung meiner damaligen Empfindungen über einen schmerzlichen Verlust eines Nahestehenden. Er ist nie als formschönes durchgefeiltes Gedicht gedacht gewesen.

Dass du dem inhaltlich nichts abgewinnen kannst, und das mit dem Stil begründest erscheint mir etwas ...konfus? Entweder du magst den Stil nicht oder den Inhalt nicht, oder beides. Aber das eine mit dem anderen zu begründen kommt mir gerade etwas unlogisch vor, oder irre ich mich da?

Beste Grüße,
Herbstlaub.

P.S: Jetzt bin ich neugierig, wie sind deine Anforderungen an ein Doppelsonett, dass ich sie mit diesem Text - zufällig - erfüllte?

 FrankReich ergänzte dazu am 07.01.20:
Hallo Herbstlaub, zunächst einmal zu Konfuzius, :D.
Dem Inhalt kann ich deshalb nichts abgewinnen, weil er durch die Gestaltung und Sprache auf mich banal, bzw. oberflächlich wirkt, wie gesagt, nichts für ungut, aber dazu fällt mir gerade noch folgender Sinnspruch ein: "Sprache ist die Kunst, Inhalt zu vermitteln."

Ciao, Frank

P.S.: Ganz einfach, ein Sonett erfordert für mich lediglich 14 Verse, der Rest ist nur Brimborium, das kann jeder so gestalten, wie er will. Dein Gedicht hat 28 Verse, ist für mich also ein Doppelsonett.

 Artname meinte dazu am 07.01.20:
Lieber Frank, gestatte bitte auch mir einige Fragen:

Dem Inhalt kann ich deshalb nichts abgewinnen, weil er durch die Gestaltung und Sprache auf mich banal, bzw. oberflächlich wirkt, wie gesagt, nichts für ungut, aber dazu fällt mir gerade noch folgender Sinnspruch ein: "Sprache ist die Kunst, Inhalt zu vermitteln."
Dein Zitat bezieht sich eindeutig auf Sprache! Es wäre angemessen, würde sich Herbstlaub KEINER Sprache bedienen. Ist dem so?

Kreuzreime sind von den drei gängigsten Formen am seltensten,.
Welche beiden Formen rangieren denn vor dem Kreuzreim? Welcher Quellen bedienst du dich da?

Ganz einfach, ein Sonett erfordert für mich lediglich 14 Verse, der Rest ist nur Brimborium, das kann jeder so gestalten, wie er will. Dein Gedicht hat 28 Verse, ist für mich also ein Doppelsonett.


Das Sonett und seine Machart war in Deutschland viele Jahrzehnte unter den Dichtern heftig umstritten. Sagt dir z.B. das Stichwort TAS etwas?

Antwort geändert am 07.01.2020 um 23:33 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 08.01.20:
Hi Arty,

okay, das mag sich etwas sehr einfach anhören, allerdings gehört zur Sprache auch immer das "Wie", also der Ausdruck, und in der Schriftsprache halt auch die Form und sonstige Gestaltung.

Paarreim und umarmender Reim, als Quelle dient mir die eigene Erfahrung, Irrtümer nicht ausgeschlossen, allerdings sind die meisten Sonette in den Quartetten blankgereimt, gereimte Zweiverser sind zwangsläufig immer Paarreime, die meisten barocken Epigramme sind es auch, aber selbstredend lasse ich mich da eines Besseren belehren.
Ach so, dass diese drei Endreimarten die häufigsten sind, liegt auf der Hand, denn die Schweif,- und Haufenreimung sind fast schon lyrische Stiefkinder, einmal abgesehen von meinen verzweifelten Integrationsversuchen.

Nein TAS sagt mir nichts, doch habe ich mir eine eigene Meinung bilden können, denn wenn Du in Betracht ziehst, dass es sogar schon im Barock ungereimte, rein stychische, und auch gegen die sogenannten rhetorischen Erfordernisse verstoßende Sonette gab, wirst Du evtl. auch zu meiner Überzeugung gelangen, denn eines haben alle gemeinsam: 14 Verse, und daran orientiere ich mich ebenso bzgl. aller anderen Abwandlungen, wie Halbsonette und Mehrfachsonette, für mich eine Frage der Logik.

Ciao, Frank

P.S.: Wenn das hier zu einer längeren Sitzung gerät, sollten wir vll. zu einer Forendiskussion übergehen, andernfalls könnte es unsere Gastgeberin ziemlich bald als Unhöflichkeit empfinden.

 Artname meinte dazu am 08.01.20:
Wenn das hier zu einer längeren Sitzung gerät, sollten wir vll. zu einer Forendiskussion übergehen, andernfalls könnte es unsere Gastgeberin ziemlich bald als Unhöflichkeit empfinden.


Meine Fragen ergänzen mE nur ihre nach dem doppelten Sonett, Auch mich verwundert deine Assoziation.

1. ich kenne keine Sonette, die auf 4hebigen Trochäen-Versen fussen.
2. Der Paarreim wird in den Quartetten mE eher selten benutzt. Ausserdem verstand ich dich so, dass Paarreim und umarmender Reim generell häufiger als Kreuzreim benutzt würden.
3. TAS bezieht sich auf eine inhaltliche Forderung des italienischen und englischen Sonetts, die bis heute noch für das deutsche Sonett konträr diskutiert wird: die Quartetten enthalten thematisch eine These und eine Antithese, die Terzette die entsprechende Synthese. Das sind allerdings inhaltliche Forderungen, die mE weit über ein blosses "Brimborium" reichen.

Ich habe mich einige Zeit mit dem "Klanggedicht" beschäftigt, mich aber nicht darin verlieben können. Unter anderem deshalb, weil eben viele moderne Sonettschreiber (im Netz) klanglich und inhaltlich unmodern und lieblos gestrickt klingen.

Antwort geändert am 08.01.2020 um 07:34 Uhr

 FrankReich meinte dazu am 08.01.20:
Guten Morgen Artname,

natürlich bezieht sich unsere Diskussion vornehmlich auf Herbstlaubs Text, dennoch sollten wir es nicht übertreiben. Nein, die TAS sagte mir wirklich nichts, ich beziehe mich in meinen Studien auf Poetiker wie Burdorf, Lamping, Wagenknecht, etc.,

zu. 1. Ich deutete ja bereits an, dass bis auf die 14 Verse im Sonett für mich keine Grenzen mehr existieren. Kennst Du bspw. reimlose Sonette?

zu 2. Die Häufigkeit der Reimung bezog ich nicht auf Sonette, und ja, wenn Du meine Aussage für alle Gedichtarten zugrunde legst, ist das korrekt, es spricht allerdings nichts dagegen, Paarreime in Sonetten zu verwenden, zumindest für mich nicht.
Mich beschränken kein TAS, oder irgendwelche selbsternannte Lyriküberwachungsvereine, sondern es ist die Logik, die zählt sowie das daraus resultierende Erscheinungsbild des Sonetts. Das bedeutet halt, das es bis auf das Skelett egal ist, wie ein Sonett aufgebaut ist, solange es in sich stimmig ist.

zu 3. Okay, aber es sind Forderungen, doch wozu? Gerade im Barock neigte die Schreiberei zum Einheitsbrei, während der Aufklärung verschwand das Sonett in Deutschland fast vollständig vom Tapet, dazu gibt es sehr erschöpfende Essays von Volker Meid und Wilhelm Große, die sowohl formelle als auch inhaltliche Mängel diskutieren, wie gesagt, Kombination, Intention und der Umgang mit dem Sonett sind für mich wichtig. Alles kann, aber nichts muss, bis auf die 7/14/21/28, usw., Verse. :D

Momentan bevorzuge ich die madrigale Sonettform, sie bringt Leben ins "Skelett", und das Madrigal pfeift auf die strenge Ordnung der Metrik bzgl. der Verse. Jambus und Trochäus wechseln sich ab. Witzig finde ich bspw., ein gereimtes Sonett auf die Endreime abzustimmen, d. h., nach einer weiblichen Endung den nächsten Vers im Trochäus zu beginnen, bzw. nach einer männlichen im Jambus. Im Daktylus habe ich das noch nicht versucht, wäre aber mal ein Anreiz, weil das auf metrische Enjambements hinausliefe.
"Klanggedicht" ist eine eher unübliche Bezeichnung für das Sonett, "Klinggedicht" konnte sich im Barock nicht wirklich durchsetzen, der Ausdruck dient seit der Aufklärung auch mehr zur Bezeichnung von Verballhornungen und Parodien á la Johann Heinrich Voß, und was die Liebe zum Sonett angeht, halte ich es wie in der Liebe: Ich trenne für mich die Spreu vom Weizen, im Übrigen haben auch andere Mütter hässliche Töchter.

Ciao, Frank

P.S.: Die Entschuldigung an Herbstlaub ist auch prophylaktischer Natur, denn wie Du siehst, hast Du mich hier bei meiner absoluten Leidenschaft gepackt, und ich könnte jahrelang so weitermachen. Das Thema Sonett ist für mich einfach unerschöpflich.
Experimente erfordern natürlich auch Wortneuschöpfungen. Der Begriff "metrisches Enjambement" existiert wahrscheinlich nur in meinem Vokabular. :D

 Artname meinte dazu am 08.01.20:
Ich geb dir im Prinzip Recht, lieber Frank. Ausserdem verstehe ich deine Kritik nun besser. Wie du sicher ahnst, könnte auch ich noch tagelang...

Lass uns das also lieber auf mehrere Fäden (oder gern auch das PF) verteilen.

lg

 FrankReich meinte dazu am 08.01.20:
Gerne, und Dank noch einmal an Dich, Herbstlaub, für Dein Verständnis.

Ciao, Frank

 Lluviagata meinte dazu am 08.01.20:
Eine tolle Diskussion, die ich mir noch mehrmals zu Gemüte führen werde.

Danke, Ihr Zwei! ♥
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