Scheinsein

Expressionistisches Gedicht zum Thema Diesseits/ Jenseits

von  Ophélia.Veriverbia

Sechzehn Jahre sollen ins Lande gezogen sein? -

Der Sand rieselt auf mich nieder

Und droht, mich zu ersticken.

Tick-tack; tick-tack; tick---

Grausames Unterfangen!


Vergangene Lebendigkeit

Zerrinnt zwischen meinen klammen Fingern.

Doch in dieser einen flüchtigen Sequenz:

Schweben und Träumen!

Scheinsein.


Dem Unausweichlichen entgegengehend,

Den Blick rückwärtsgewandt -

So laufe ich blindlings

WISSEND

In des Dolches Spitze;

Und merk's ja doch nicht!


Denn Dahingeschiedene sterben nicht.


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Kommentare zu diesem Text


 diestelzie (29.06.22, 21:51)
Das gefällt mir. 
Herzlich willkommen.

Liebe Grüße 
Kerstin

 Ophélia.Veriverbia meinte dazu am 29.06.22 um 23:02:
Herzlichen Dank, liebe Kerstin.

 Augustus (30.06.22, 11:34)
Salve,

Sechzehn Jahre sollen ins Lande gezogen sein? -


Möglicherweise knüpfen die sechzechn Jahre an einen Bruch im Leben dar, von dem aus neu gezählt wird. Möglicherweise aber aber wundert sich der/die 16 jährige Person über das Wesen der Zeit. 
Konkret zeigt der Vers die Verwunderung über die Zeit. Das Fragezeichen symbolisiert sozusagen die Wand, zwischen der Wahrnehmung des Ichs und dem Wesen der Zeit. Das Ich nimmt wahr, dass es sich verändert hat, äußerlich als auch innerlich, es weiß aber nichts von der Zeit. Hinter dem Fragezeichen steckt viel mehr eine Hilflosigkeit des lyrIchs, ein entschiedenes Element, welches auf das Ich einwirkt, nicht erfassen zu können. 

Die sechzehn Jahre sprechen aber auch für eine sensibilisierung der Zeit, die Zeit auf Erden bewusster zu nutzen. Allein die Verwunderung, wo sie geblieben ist, bedeutet auch gleichzeitig ihrer bewusst zu werden oder zumindest eine mit ihr Auseinandersetzung zu wagen. 

Letztlich wirkt das lyrIch überrascht von heute aus gesehen, rückblickend in die Vergangenheit zu schauen um festzustellen, dass der tatsächliche Output aus sechzehn Jahren Leben vielleicht nicht die gewünschten Erfahrungen erschlossen wurden, die in der Zeit erlebt werden hätten können. 

 
Tick-tack; tick-tack; tick---
 
Interessant ist hierbei, dass die Zeit als engverbunden mit einer tickenden Uhr gesehen wird.
Die tickende Uhr selbst wurde im 19 Jahrhundert entwickelt, während die alten Summerer und Griechen eine Sonnenuhr verwendeten, um die Zeit zu bestimmen. 

Die Vorstellung einer tickenden Zeit ist also ein relativ moderner Gedanke, dessen sich das lyrIch bedient. 

 
Grausames Unterfangen!

Der Ausruf zeigt die Meinung des lyrIch, was es von der göttlichen Konstruktion hält, unter der der Mensch eingeschränkt, verletzlich, in vielen Fällen unwissend, die Sekunden nicht halten könnend, nur eine begrenzte Zahl an Erinnerungen sein nennen,  andererseits vieles wieder vergessen, sich selten über etwas bewusst werden und oft sich allein überlassen, leben muss - immer vorwörts leben muss. 

Vergangene Lebendigkeit

Zerrinnt zwischen meinen klammen Fingern.

Doch in dieser einen flüchtigen Sequenz:

Schweben und Träumen!
Scheinsein.




Vergangene Lebendigkeit heißt als erstes eine Abwesenheit der Lebendigkeit in der Gegenwart. 
Andererseits vergeht auch die gegenwärtige Lebendigkeit. Lebendigkeit setzte ich mit Freude zusammen. Zumindest können hierfür keine negative Gefühle als Erklärungsversuch einer Lebendigkeit herangeführt werden. 

 Dass die vergangene Lebendigkeit zwischen den Fingern zerrinnt, heißt, dass die Gedanken selbst keine Empfindungen hervorrufen können. Denn Vergangenheit lebt ausschließlich in Gedanken.  
Doch anscheinend besitzt die Vergangenheit auch einen Trick, einen Zauber, mit dem eine vergangene Zeit, die lebendig war, gegenwärtig simuliert werden kann. 
Ungefähr wie ein 2D Abbild täuschend echt als 3d projiziert werden kann, projiziert das lyrIch sich genauso die eigene „Lebendige“ Zeit. 

Qualitätsmerkmale was eine „lebendige“ Zeit ausmacht, und eine „nicht lebendige“ Zeit, ist subjektiv. 

Die letzte Strophe klingt arg pessimistisch, da das lyr.Ich stets im Grunde vorwärts blickt, aber den Kopf Richtung Vergangenheit gerichtet hat, sieht es die Zukunft nicht. 
Die Zukunft wird also hier nicht mehr gestaltet, jeglicher Versuch wird nicht (mehr) unternommen diese mit eigenen Kräften und Willen gestaltet. 
Es wird an die Vergangenheit geklammert, anscheinend weil die Vergangenheit mehr bewusstlos als bewusst verbracht wurde. 

Da es nun gilt die Zukunft bewusst zu gestalten, versagt das Lyr.Ich, da es blindlings geht und diese nicht wissen kann. 
Es hat sich also früher schon zu stark den Impulsen überlassen, die nun wie Ranken oder Wurzeln nach höheren streben, sich aber an nirgends haften können, um weiter zu gedeihen. 
Automatisch fangen sie an zu verwelken, sich wieder nach unten zu krümmen. Denn allein das Bewusstsein, das Wissen, der Lebensentwurf, erzeugen jene unsichtbaren Töpfe und Gefäße und Gitter, in das die ehemaligen unbewussten Impulse hineingelegt werden können, von wo aus sie neu zweigen und blühen können. 

 Ophélia.Veriverbia antwortete darauf am 06.07.22 um 09:56:
Sei gegrüßt, lieber Augustus,

vielen herzlichen Dank dafür, dass Du Dich meines Gedichtes angenommen und mir Deine gehaltvollen Gedanken, welche ich als sehr stimmig empfinde, hierzu mitgeteilt hast.

Einen behaglichen Tag wünscht Dir
O.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 11.07.22 um 15:34:
Zuerst dachte ich, es geht um Angela Merkel, dann dachte ich, es geht um einen Film von Jim Jarmusch. 
Doch ich fürchte, keins von beiden passt.

Auch Augustus kommt in seinem Kommentar nicht aus der Abstraktion heraus und sagt uns nicht,

um was es geht.

 Ophélia.Veriverbia äußerte darauf am 11.07.22 um 17:17:
Deine erste Assoziation hat mich schallend lachen lassen, lieber Dieter. Ich danke Dir für Deinen humoristischen Einwurf.

O.

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 11.07.22 um 18:07:
Naja, du kannst nicht einfach irgendwelche bekannten Topoi reinbringen und dann nicht mit den entsprechenden Assoziationen rechnen. Das mag lustig sein, aber dein Gedicht ist schon jetzt so hermetisch-abstrakt (und damit auch nichtssagend, sorry), dass jeder beim Lesen etwas konkretes finden will.

 Ophélia.Veriverbia meinte dazu am 11.07.22 um 18:23:
Du musst Dich nicht für Deine Meinungsäußerung entschuldigen, Dieter. Ich danke Dir für Deine ehrliche Rückmeldung.

O.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 11.07.22 um 18:41:
O.K.
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