andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 18. Mai 2005, 16:09
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Girl‘s best friends

Ein Diamant ist unvergänglich, sagt man (stimmt natürlich nicht). Ein Zeichen für Liebe, Treue und Ewigkeit (na ja, für‘s Freikaufen wohl eher). Und auch für Härte, Reinheit, Feuer und Schönheit...

Nun lese ich im aktuellen SPIEGEL (DER SPIEGEL Nr. 20 / 14.5.05 / S. 162 - 163) einen Artikel mit der Überschrift “Opa am Ringfinger“ von Frank Thadeusz, in dem eine interessante neue Geschäftsidee vorgestellt wird. Ein Bestatter aus Berlin namens Renè Andree bietet für 3.000 - 7.000 Euro die Möglichkeit an, einen verstorbenen Menschen – oder besser : Teile der Asche – in einen Diamanten zu verwandeln. Synthetisch hergestellte Diamanten aus Kohlenstoff gibt es ja schon länger, warum nicht eine spezielle Asche nehmen?
Das Ergebnis liegt irgendwo zwischen Hell- und Dunkelblau, was an den “Verunreinigungen“ liegt. Aber bei jedem Stein sei es ein anderer Farbton, betont die Firma Algordanza aus der Schweiz. Es spiegele die individuelle Note eines Menschen wieder (besser spät als nie, oder?).
Natürlich gibt es auch einen besonderen Service, den der Konkurrent LiveGem (USA) anbietet: die freie Farbwahl. Es wäre ja noch schöner, wenn das Blau nicht zur Lieblingsfarbe des Hinterbliebenen passen würde. Rot, gelb, grün oder was auch immer. Farblos war gestern! – Das geht selbstverständlich nur mit künstlichen Zusätzen... - wie im richtigen Leben halt.
Hmmm...

Ich finde die Idee einfach klasse, aber nicht für die normalen Verwandten wie Eltern, Kinder oder Großeltern, sondern vielmehr für den verstorbenen Lebenspartner. Endlich bekommt er den Glanz und das Feuer, das im Leben so oft fehlte. Endlich kann man sich mit ihm schmücken und ihn herum zeigen.
Keine fettigen oder ausgehenden Haare mehr, kein Übergewicht, keine Tränensäcke oder heruntergezogenen Mundwinkel. Stattdessen wird der (mehr oder minder) geliebte Mensch in die Form gepresst, die ich mir wünsche. Die Kanten werden abgefeilt, das Aussehen zurechtgeschliffen und poliert – und endlich gibt es auch interessante Facetten. Eine strahlende und funkelnde Erscheinung.
Aber für welches Schmuckstück würde ich einen solchen Stein nehmen?
Für einen Ring? Etwas sehr symbolisch, oder? Der Kreis als Zeichen geradezu magischer Bindung. Was nutzt da noch der Umstand, dass ich den Anderen endlich so eng fassen kann, wie ich will. – Für einen Anhänger? An die Kette gelegt, sozusagen (aber dann stelle ich mir vor, ich hätte die ganze Familie am Hals...). – Für ein Armband? Da kann ich ja gleich Handschellen nehmen. – Für eine Brosche? Vorzeigbar, problemlos abzunehmen und mit Platz für weitere Steine... Nicht sehr persönlich, fürchte ich. – Für einen Ohrring? Auf immer ein Ohr für den Anderen haben. Na, ich weiß nicht. – Für ein Fußkettchen? Auch nach dem Tod am Bein hängen haben? Ach nein.

Wie wäre etwas Modernes? Piercing?
Am Mund? Wohl nur ein Lippenbekenntnis. – An der Nase? An der Nase herumführen? Och nein. – In der Zunge? Auf jeden Bissen schauen lassen? Nein danke. – An der Augenbraue? “Mein Auge ist nie fern von Dir...“ Na ja, muss nicht. – Oder als Intimschmuck?
Das scheint mir die Lösung zu sein: Der geliebte Mensch ist immer dabei... *räusper*

Ach ja: und die Erben hätten auch noch etwas davon, so unvergänglich wie ein Diamant ist.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Symphonie (73)
(19.05.05)
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 ViolaKunterbunt (19.05.05)
Genial diese Idee! (Mal ganz abgesehen davon, dass es auch noch genial geschrieben ist....)
Und da man ja aus einer Person bestimmt ganz viele Schmuckstücke machen kann, da darf sich doch dann die ganze Familie bedienen. So bleibt Oma dann überall präsent und glänzt bei allen! Nee, ist das genial.
Kunterbunte Grüße, Viola

 Triton (26.05.05)
Hey, die ist absolut genial, richtig nach meinem Geschmack. Und 'ne Idee dazu hätte ich auch noch. Aus unseren Politikern, Managern und ähnlichen macht man Industriediamanten für Bohr- und Schleifwerkzeuge, dann arbeiten die endlich auch mal was, reiben sich mal wirklich auf bei der Arbeit. Hihihi. (Ja Brigitte, ich weiß, bin schon wieder bitterböse, kopfsenk). LG Triton

 BrigitteG (26.05.05)
Hach Triton, so ein gelungener Zynismus ist doch was feines ... "reiben sich auf bei der Arbeit" ... *g*...
Ropa (33)
(27.02.06)
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