andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 14. September 2005, 17:45
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PENSIONEN ERLANGEN

Das zweite Mal wollten wir es anders machen, ganz anders. Oder besser: wo anders. Auf gar keinen Fall im gleichen Haus. Kein Doppelbett in einen so kleinen Raum gequetscht, dass nur eine Seite zum “Aussteigen“ möglich ist, keine schlaftrunkene Kletterpartie mehr (obwohl es auch einen gewissen körperlichen Reiz hat), keine wackeligen Wasserhähne, knirschenden Fliesen, schmuddeligen Duschen, jahrzehntealten Teppiche...

Doppelzimmer mit WC und Dusche hieß es. Die Seite im Internet hatte einen ordentlichen Eindruck gemacht (auch wenn es mich wunderte, dass ausschließlich über’s Internet reserviert werden konnte), das Haus liegt sehr zentral und ist leicht zu finden. Soweit zum guten Eindruck.
Die kleine Rezeption ist in der ersten Etage, hinter einem Bildschirm und einer Palme versteckt. Die Theke quillt über von Broschüren und Papierstapeln, davor steht ein Zweisitzersofa aus Korb. Soweit okay.
Unser Zimmer liegt direkt am Frühstücksraum, ungewohnt. Es ist ein kleiner Raum zum Frühstücken, nur etwa vier mal vier Meter mit drei Türen (Eingang, Küche, Zimmer 14) und einem großen Fenster, das zu einem Innenhofumlauf hinaus geht. Drei kleine quadratische Tische, zwölf Stühle, fehlende Fußleisten, offen liegende vergilbte Heizungsrohre, Wände, die nach Farbe rufen, ein schmaler Tisch für das Buffet... Wenigstens hatte ich es noch nie so nah zum morgentlichen Kaffee.
Dann das Zimmer: großzügig. - Ein Tisch mit zwei Stühlen, ein Schrank, ein großer Spiegel, zwei nebeneinander stehende Einzelbetten, zwei Nachttischchen, zwei große Fenster und eine weitere Tür. Dahinter ein zweiter Raum mit Tisch und Korbsesseln, Schrank, Spiegel, Einzelbett, einem Stahlrohr-Etagenbett (= zwei Betten) und noch einer Tür, die zum Bad führt. Waschbecken, Dusche, Toilette, - alles wie bestellt, wenn auch drei Betten zu viel. Oder doch nicht zu viel : die Etagenbetten haben eine Fünf-Zentimeter-Matratze auf einem starren Eisenrost. Schon beim kurzen Draufsetzen drückt sich das Muster auf das Gesäß durch. Hier jemanden mit mehr als 40 Kilogramm Lebendgewicht übernachten zu lassen grenzt schon an Folter.
Bei einem der beiden Betten im ersten Raum liegt die Matratze leicht quer und das Bettzeug fehlt. Durch ein kurzes Lupfen entdecken wir den Grund : eine Latte des Rosts ist gebrochen, die angrenzenden angebrochen (was da wohl für eine Geschichte hinter steht...). Auch stellen wir fest, dass der fleckige Teppich ruhig mal gesaugt werden könnte. Holzsplitter machen sich nicht gut in nackten Füßen. – Aber wenigstens kann nichts unter den Teppich gekehrt werden, da er mit Spax-Schrauben mit dem Boden verbunden ist.
Brigitte ist dennoch nicht sehr unglücklich. Ein eigenes Zimmer zu haben, obwohl sie mit mir unterwegs ist... Sie lächelt betont unauffällig.
Als am Morgen der zweiten Nacht der Lattenrost meines Bettes abrutscht, weil er zu klein für den Bettkasten und nicht fixiert ist, lacht sie sogar. Nach dem lauten “Rums“, mit dem ich tiefergelegt aufwache, hatte sie Schlimmeres befürchtet.
Über das Bad hingegen lächelt sie nicht. Die kleinen Fliesen vor der Toilette sind lose und laden zum Puzzlen ein, die Spülung sollte in Plätscherung umbenannt werden, ein zweiter Siphon an der Wand ist notdürftig mit Aluminiumfolie abgedeckt, eine Tür der Duschabtrennung ist durch einen schmierigen Duschvorhang ersetzt und die Brause der Dusche glänzt mit dem satten Strahl eines Wassserhahns. Ist aber nicht schlimm, da sie eh nicht feststellbar ist und die Duschkopf gegen die blumigen 70erjahre-Fliesen schlägt.
Apropos Wände... könnten auch ruhig alle 20 Jahre gestrichen werden... Na gut, dann würde es sich natürlich mit der abblätternden Farbe der Türen beißen. – Aber nett ist, dass eine Bürste für die Reinigung der Heizrippen bereit liegt. Ob sie viel nutzt, wenn mehr Rost als Farbe zu sehen ist?
Aber diese schönen nostalgischen Kipplichtschalter (brutzel)... Oder der mediterrane Innenhof (inklusive Mülltonnen, vertrockneten Pflanzen und Deponie-Charakter), das übersichtliche Buffet, der durchscheinende Kaffee, die interessante grünliche Farbe des heißen Teewassers...
Das zweite Mal Erlangen, das zweite angenehme Treffen und schon zeichnet sich eine Tradition bei der Unterbringung ab. Brigitte nuschelt etwas von: „... ich will ein Hotel. Hotel!“, aber das meint sie sicherlich nicht ernst. Wir haben doch längst nicht alle Pensionen durch...

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 ViolaKunterbunt (15.09.05)
Klasse! Das ist ja köstlich, was Ihr da mal wieder durchmachen musstet. Es tröstet mich doch ein wenig darüber hinweg, dass ich nicht dabei sein konnte. Hast Du wunderschön beschrieben. Kunterbunte und gar nicht mitleidige Grüße, Viola

 Nicht registrierter Nutzermueller (15.09.05)
Ich kenne da ein wirklich nettes Hotel in Fürth. Nein, sogar zwei. Da würde ich sogar das Taxi-Geld in Kauf nehmen! *ggg* Hat Spaß gemacht zu Lesen! Viele Grüße vom hotelgeschädigten Tom

 BrigitteG (15.09.05)
Also mit dem Frühstück konnte ich mich arrangieren, es war Wurst, Käse und Marmelade da, das war o.k. Das Ätzende war im wesentlichen das Bad.

 rela (15.09.05)
Köstlich zu lesen Deine Zimmerbeschreibung lieber Andreas. Nun bin ich richtig froh, daß ich nicht nach Erlangen kommen konnte sonst hätte ich möglicherweise dieses Zimmer erwischt (lach). Doch wie ich in Marburg feststellte kommt man bei KV Treffen sowieso nur für wenige Stunden in den
Genuß seines Zimmers. Nur den dünnen Kaffee, den würde ich sicher auch
sehr übel nehmen nach einer Nacht im durchgebrochenen Bett :)) amüsierte Grüße von Rela
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