andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 14. Dezember 2006, 05:05
(bisher 1.469x aufgerufen)

terminierend?

Fernsehserien gelten als Spiegel der Gesellschaft. Etwas verzerrt natürlich, sehr verzerrt sogar, aber auf die Details, auf die Handlung und auf einzelne Protagonisten spielt dieser Vergleich gar nicht an. Es geht viel mehr um das Menschenbild, das Rollenverständnis und die Wünsche des Zielpublikums. Darum wirken alte Serien oft so altbacken.
Bei Star Trek ist das anders – oder war zumindest anders. Schon der Pilotfilm wurde als „zu anspruchsvoll“ eingestuft und wäre sicherlich das vorzeitige Ende der Kultserie gewesen, wenn nicht alles komplett umgebaut worden wäre. Der Grund ist schnell erklärt: im ersten Anlauf nahm eine Frau die Position des ersten Offiziers ein. Das war in der Zeit des kalten Krieges undenkbar; - sogar im Genre Science Fiktion, das den kulturellen Fortschritt mehr in Richtung Cowboy-Heldentum verkaufte.
Trotzdem mogelte Roddenberry (der Erfinder und Produzent von Star Trek) einige Ideen in die Serie, die regelrecht revolutionär waren: ein Japaner (Sulu) und ein Russe (Checkov) gehören zur Führungsmannschaft, ein Außerirdischer ist Wissenschaftsoffizier und Amerikaner treten nur in Nebenrollen auf. Selbstverständlich ist der Kapitän ein US-Amerikaner, ein weißer US-Amerikaner. Aber das Wichtigste war: eine Frau, eine schwarze Frau, spielt als Lieutenant Uhura ganz oben im Führungskarussell mit (sie war für den Funk, die Kommunikation, zuständig. Ein Wink mit dem Zaunpfahl?).
Und sie war auch für einen Skandal gut: die besagte Uhura küsste einen weißen Mann (nach Drehbuch).
Das alles mag jetzt nicht sonderlich revolutionär wirken, klar, aber es ging in den folgenden Serien weiter in diese Richtung. Immer war Star Trek der aktuellen Entwicklung einige Jahre voraus und überraschte das Publikum mit provokativen Neuentwicklungen, die gerade noch im Rahmen des Akzeptierbaren waren.
So schaffte die zweite Serie einen französischen Kapitän an Bord. Der „höchste“ US-Amerikaner war plötzlich nur noch der erste Offizier, weitere Außerirdische tauchten auf (natürlich zuerst als Männer), ein Roboter kam hinzu (ein funktionsfähiger Mann) und die Frauenquote nahm zu: eine Chefärztin und eine Beraterin (wieder die Kommunikation …), die sogar neben dem Kapitän sitzen durfte.
Doch auch in der dritten Serie war das Publikum noch nicht reif für eine Frau an der Spitze. So wurde ein schwarzer Mann dorthin gesetzt, ganz nach der Regel der Sklavenhaltergesellschaft: eine Frau kommt nach den Männern; die Hautfarbe legt nur die Reihenfolge innerhalb der Geschlechter fest. – Als Bonbon war der schwarze Kapitän ein allein erziehender Vater und der erste Offizier eine weibliche Außerirdische (allerdings weiß).
So war es erst die vierte Serie, die eine Frau an die Spitze hievte. Captain Kathryn Janeway war natürlich … wie könnte es anders sein! … weiß. Ihr zur Seite stand ein männlicher Indianer als erster Offizier. Sehr amerikanisch und politisch korrekt. Und die innovative Neuschöpfung, ein denkendes Hologramm, war … na? … selbstverständlich ein Mann.

In der Realität läuft es meistens nicht in so künstlich erscheinenden Stufen. Sehen wir uns nur die amerikanischen Präsidenten an, da gibt es keine Schwarzen, keine Asiaten, keine Latinos und keine Frauen (egal welcher Hautfarbe). Alle Präsidenten waren ordentlich weiß und männlich.
Doch gilt nicht Hillary Clinton als Aspirantin für die nächste Präsidentschaft? Da scheint also das Model der kleinen Schritte von Star Trek nicht zu funktionieren. Fernsehserien sind halt doch nur Fiktion.
Aber, Hoppla, plötzlich taucht da ein Konkurrent auf. Einer, der Hillary die Chancen streitig machen könnte: Barack Obama. Er ist ein intelligenter schwarzer US-Amerikaner, jung, gutaussehend, sportlich, christlich, demokratisch – und ein Mann. Für ihn sind Kirchen eine Selbstverständlichkeit und den Glauben trägt er (scheinbar) nicht nur auf der Zunge. Er ist ausgleichend, sympathisch, sozial eingestellt – und er hat eine intakte Familie. Eine echte Gefahr für die affärengeschüttelte Hillary Clinton.
Barack Obama. Vielleicht ist er der nächste Präsident der USA. Vor (weißen) Frauen braucht er keine Angst zu haben und vor Franzosen muss er sich auch nicht fürchten, denn nur gebürtige US-Amerikaner dürfen Präsident werden.
Noch ist es so. Doch schon wird öffentlich mit dem Gedanken gespielt, diese traditionelle Regelung abzuschaffen. In Kalifornien ist jemand Gouverneur, der noch bessere Chancen als ein schwarzer Mann hätte, jedoch nicht in den USA geboren ist. Auch nicht in Frankreich, zugegeben, aber Österreich geht ja auch.


.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram