andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 01. Februar 2007, 06:29
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rüttgeresk

Vor ein paar Tagen nahm endlich auch mein Landesvater (Jürgen Rüttgers) das Wort in den Mund, dieses Wort, das so viel über diese Zeit aussagt, über die Einstellung der Deutschen und über ihre Versäumnisse. Dieses Wort, das in den letzten Wochen so gerne benutzt wird, weil es auf das Allheilmittel der Misere hinweist: Die Leistungselite.
Lange haben es sich die Leute schwer gemacht. Eliten sind verrufen, und verdächtig, ihre Nennung ruft Vorurteile ab, gilt sogar als Beleidigung. Ist nicht in einer Gesellschaft der Gleichen schon jemand auffällig, der in einer Sache besser oder erfolgreicher als andere ist? Und dann erst eine Elite, eine Gruppe der Besten der Besten!
Doch es gibt Lösungen, um mit Vorurteilen umzugehen und Wörter mit schlechtem Karma dennoch zu benutzen. Nehmen wir das Wort “Führer“. – Puh … das ist sehr besetzt. Machen wir allerdings ein zusammengesetztes Hauptwort daraus, schränken wir die Bedeutung auf einen Teilbereich ein … Na? – Hat jemand etwas gegen Lokführer, Bergführer oder Stadtführer?

Dieser Trick funktioniert auch bei der Elite. Bildungseliten, Eliteuniversitäten und letztlich die Leistungseliten wirken doch viel harmloser!
Und endlich können auch die wieder aus ihren Löchern kriechen, die meinen, dass Eliten die Lösung aller Probleme sind. Laut posaunen sie ihre Lehren heraus, mischen sie mit Schlagwörtern wie Wettbewerb, deutsche Wirtschaft und Globalisierung – und kommen sich dabei sehr klug vor. Wie ein Mitglied einer Elite halt.
Doch da ist das Problem bei der Sache. Besteht nicht ein Unterschied darin, ob jemand sich als Teil der Elite sieht, ob er dazu ernannt wird oder ob er es ist? Das mag im ersten Moment kleinkariert wirken und wortklauberisch, aber es beleuchtet den Kern der Vorurteile gegen Eliten: es fällt sehr leicht, sich auch außerhalb des Spezialgebietes als etwas Besonderes zu fühlen. Es fällt auch deswegen leicht, weil viele Menschen dazu neigen zu verallgemeinern und Menschen mit besonderen Talenten auf ein Podest zu heben.
Nehmen wir etwa Musiker. Sie machen nette Musik, sehen gut aus (nach welchen Kriterien auch immer) und verdienen viel Geld (was mit den beiden vorherigen Aussagen nicht unbedingt zusammenbohlen muss …) - und schon sind sie im Kopf vieler Leute die besseren Menschen, begehrenswert und in allen Gebieten bewandert. Das geht ganz leicht.
Auf diesen Zug möchten auch diejenigen aufspringen, die ganz klar ihre Talente sehen, aber leider nicht singen können. Sind sie nicht auch bessere Menschen? Sollten sie nicht auch zu Esoterik und Klimawandel gefragt werden, wo sie so toll im … Ausdenken von Eliteidealen sind? Dafür müssen sie natürlich mehr leisten, als eine Quantenphysikerelite oder Managerelite auf den Weg zu bringen. Sie müssen den Grundstein für eine größere Elite, eine echte Elite legen, von Menschen, die in mehr als nur einer Sache ganz vorne stehen.

Eliteuniversitäten sind nur ein Anfang. Eliteschulen werden folgen, dann Elitekindergärten, Elitekinderkrippen … eine ganz neue Bevölkerungsgruppe muss entstehen. Weg mit den Nichtskönnern, die auf obskuren Wegen an die Spitze gekommen sind, hin zum besseren Menschen. Steht nicht schon in der Bibel, dass aus einem Fischer ein Menschenfischer werden kann? Warum sollte ein Lokführer kein Menschenführer werden (bei Malern klappt das ja offensichtlich nicht …)?
Mit den Eliten funktioniert das bestimmt genau so. Zuerst definieren wir uns die Leistungseliten zurecht (ohne damit einen fleißigen Müllwagenfahrer zu meinen), dann werden die anderen Eliten wieder gesellschaftsfähig und zum Schluss haben wir endlich wieder eine deutsche Elite: gebildet, leistungsfähig und moralisch sauber.
Endlich ein Konzept, das in der Vergangenheit noch nie ausprobiert wurde und bestimmt nicht scheitern wird. Die neue Elite wird viel zu selbstlos und ehrlich sein, um aus anderen Gründen als Talent und Fähigkeit andere Menschen (etwa die eigenen Kinder) zu unterstützen.

Schöne neue Welt. – Bestimmt bekommen wir dann auch Elite-Politiker! - Nötig wär’s.


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Marla (01.02.07)
Hihi. Weißt du was? Ich hab sogar nen Führerschein! Grüße, A.

 Theseusel (01.02.07)
Rasse und Klasse füllt die Kasse! Hasse recht Andreas ... keiner nuschelt das so schön wie Rütti;)
Sektfrühstück (41)
(01.02.07)
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 Nicht registrierter NutzerClaymore (01.02.07)
Ich finde es schon überaus elitär, dass ich diese Zeilen lesen darf Stark geschrieben!
Ropa (33)
(07.02.07)
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 Bergmann (08.02.07)
Interessante Kolumne - du bist einer der wenigen Kolumnisten, die wirklich regelmäßig schreiben. Pluspunkt!
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