andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 29. März 2007, 05:56
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fruchtbar oder nicht

Zur Zeit geht es auf Kavau ja mal wieder um die üblichen Themen: Kann die Masse noch Qualität hervorbringen? Wo sind die guten alten Autoren geblieben? Verschandeln die Lobhudel-Kommentare die Plattform; fördern sie gar die mindere Qualität? Wieso wird die Qualität immer geringer? Sind daran die Neuen schuld? Warum müssen sich denn immer Leute in den Vordergrund schieben? – Ach ja … Früher war alles besser … in der guten alten Zeit … Wir brauchen Kontrollinstanzen! – Wir wollen uns unsere Freiheit nicht nehmen lassen!

Es ist Zeit über Ameisen zu sprechen.

Forscher haben herausgefunden, dass manche Ameisenarten eine Art Polizei besitzen, die illegal abgelegte Eier vernichten. Bei Ameisen gibt es nämlich ein Monopol für das Legen der Eier und Plagiate werden nicht geduldet (aus: „Ameisen haben Spezialtruppen“ von Christian Stöcker – SPIEGEL-online vom 28.3.2007). Woran erinnert mich das nur?
Wir können jetzt also eine neue Metapher zu den Oberbegriffen “Ameisen“ und “Staat“ aufnehmen: die freiwilligen Plagiat-Jäger. Neben “fleißig wie eine Ameise“, “selbstlos bis zum Opfertod“, “ungeziefervernichtend“, “Ameisen-Monarchie“, “Sexverzicht im Dienste des Staates“ und “geordnet wie ein Ameisenstaat“ macht sich das neue Bild recht gut.
Bestimmt finden die Bio-Deppen auch bald weitere Vergleiche. Gilt doch die evolutionäre Entwicklung für viele Menschen noch heute (wenn sie die Evolution überhaupt akzeptieren!) als Treppe, die zum Thron Mensch empor steigt. So gilt es aus ausgemacht, dass aus Fischen Amphibien wurden, aus Amphibien Reptilien, aus denen sich dann Säugetiere – und zum Schluss Menschen entwickelten. Insekten hocken irgendwo zwischen Krebsen und Fischen, unterhalb der Vögel, aber eindeutig über den Schnecken. Oder so ähnlich.
Nach dieser Logik sind Ameisen so eine Art “ganz-frühe-Vorfahren“ und offenbaren uns die Geheimnisse unserer primitiven Vergangenheit. Klar, kennen wir ja: Sklavenmentalität, kuschen vor der Obrigkeit, die da-oben bekommen alles (in diesem Fall sogar den einzigen Sex), jeder macht nur sein Ding, Gruppenzwang … all diese schönen Vergleiche zum Menschen.
Gut … Ameisen sind weiblich – fast alle – und darum nicht die besten Abgleichmuster. Egal. Beim Menschen haben die Männer ja auch ein x-Chromosom.
Gut … Ameisen kennen den Sex nur als one-night-stand mit einer Dame mit mehreren Herren. – Na ja, Spötter werden sagen, dass wir uns dem ja irgendwie annähern …
Gut … Ameisen haben nur ein Mal Sex im Leben … (manch ein Mensch wäre froh, wenn es so viel wäre …)
Gut … bei den meisten Ameisenarten sind die Arbeiterinnen so steril, dass sie gar keine Plagiat-Jäger brauchen. – Dafür finden sich beim Menschen bestimmt auch Parallelen. Künstlerische Kreativität etwa.
Gut … Ameisen können auch unbefruchtete Eier legen. – Wo wir schon bei den Kunst waren …
Aber … aus unbefruchteten Ameiseneiern schlüpfen auch Larven. Und zwar männliche! Nur aus den befruchteten Eiern werden Weibchen. – Jetzt fällt der Vergleich ungleich schwerer. Einmal kurz im Schulwissen gekramt und schon beginnt das Kopfkratzen. Wie war das noch mit dem x- und dem y-Chromosom? – Ähm … haben Ameisen nicht? Dumme Sache. Ist bestimmt ein Zeichen für ihre Primitivität, nicht?
Das y-Chromosom ist später erfunden worden, erst bei den Fischen oder Amphibien … Was? Reptilien haben die auch nicht immer und das Geschlecht wird dann durch die Umgebungstemperatur der Eier bestimmt? – Na ja, die sind halt noch primitiv.
Bei den Vögeln aber, nicht? – Sie haben so etwas wie xx und xy, nennt sich bei denen nur zz und zZ. Ist also vergleichbar … bis auf die Auswirkung, denn zz sind die Männchen und zZ die Weibchen …

Lassen wir diese Spitzfindigkeiten und wenden wir uns wieder den wichtigen Dingen zu. Wir waren bei dem Vergleich Mensch – Ameise. Da gibt es ganz viele Parallelen und darum können wir auch Kavau mit einem Ameisenstaat vergleichen. Produktive Königinnen, die fruchtbare Eier legen, fleißige Arbeiterinnen, Polizei, Sexverbot, lästige Männchen, freundliches Betrillern (das heißt wirklich so), füttern der Fleißigen und Wichtigen, Brutpflege für fremde Eier, illegale Eier, unbefruchtete Eier …

Wir sollten häufiger über Ameisen reden.


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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 IngeWrobel (29.03.07)
...sehr sehr schön! Alles gesagt! Gefällt mir uneingeschränkt.
Schmunzelnder Gruß von einer ....ähhhh, .... ja was denn nun? Mussich noch rausfinden - gute Beschäftigungstherapie fürs WE (Hilfe! ich bin eine Ameise.... aber was für eine? ......)
...also dann halt von einer undefinierten Inge :))))

 mondenkind (29.03.07)
eine frage bleibt jedoch offen. nein. eigentlich sogar zwei:
1.wer melkt denn nu die blattläuse? die männlein oder die weiblein? und
2. schlafen ameisen jemals? ansonsten ist es ein sehr ansprechender bericht, herr G(rzimek). 'betrillern' übernehme ich ab sofort in meinen wortschatz. danke! lg, nici :)

 AlmaMarieSchneider (03.04.07)
Auch wenn der Vergleich arg hinkt (besonders im Bezug auf die lästigen Männchen) eine echt witzige Betrachtungsweise.
War mir ein Vergnügen.
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