andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 15. Januar 2009, 00:44
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Tipps für Vegetarier

Letztens habe ich einen langen Bericht über die neu entdeckten Gesundmacher gelesen: Omega-3-Fettsäuren.

Leider ist es mit Artikeln über Gesundheit, Medizin und Arzneimitteln nicht ganz einfach. In den seltensten Fällen sind die AutorInnen Fachleute in diesem Bereich, oft nicht einmal annähernd. Auch wirken viele dieser Berichte abgeschrieben oder „fremd inspiriert“ (eine nette Umschreibung für Plagiat), sind nicht sehr genau oder fundiert oder folgen nur einer Modeströmung.
So kommt es dann, dass Kaffee in regelmäßiger Folge als gesundheitsfördernd oder krankmachend bezeichnet wird, wobei dies nicht an den unterschiedlichen Blickwinkeln liegt, sondern fast immer an den neusten Studien, die angeblich das Eine oder Andere belegen.
Zudem lassen die AutorInnen oft den gesunden Menschenverstand (soweit es ihn gibt) an der Garderobe hängen und packen auch Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten ungehemmt in ihre Artikel. Dabei sollte doch klar sein, dass ein grober Schnitzer einen kompletten Artikel versauen kann.

Dieser Artikel war gut aufgemacht und für ein nichtwissenschaftliches Publikum formuliert. Akribisch wurde erklärt, was Omega-3-Fettsäuren sind (essentielle Fettsäuren, da sie vom menschlichen Körper nicht hergestellt werden können) und was darunter zu verstehen ist (Eicosapentaensäure – EPA, Docosahexaensäure – DHA – und Alpha-Linolensäure – ALA). Es wurde sogar erwähnt, dass die drei Genannten nur die (vermutlich) wichtigsten Omega-3-Fettsäuren sind und es somit noch mehr von ihnen gibt (die allerdings kaum erforscht sind, was durch das “die wichtigsten“ nicht deutlich wird; - na ja, eher ein kleiner Schnitzer).
Auch der chemische Aufbau wurde kurz gestreift und praktisch alle vermuteten Wirkungen waren aufgelistet: Herz-Kreislauf-Stärkung, Blutdrucksenkung, Minderung von Herzrhythmusstörungen, Verminderung der Gefahr von Schlaganfällen, Hemmung der Arterienverkalkung, Entwicklung des Gehirns bei Babys … Arthritis, Morbus Crohn … und so weiter. Gleich dahinter wurden die derzeitigen Forschungen aufgeführt. Oder besser: die Krankheiten, bei denen Omega-3 eventuell helfen mag. Hier schrammte der Artikel dann nah an einem groben Schnitzer vorbei, denn in mehreren Fällen ließ sich der Autor von der Euphorie der Forschenden mitreißen, die mal wieder von den tollsten Ergebnissen bei Demenz, Depressionen, Allergien, Schizophrenie, den beliebten Menstruationsbeschwerden und anderen populären Krankheiten schwärmen. Eigentlich fehlten in der Reihe nur noch die Midlife-Krise und die Wechseljahrbeschwerden und der Katalog der meistdiskutierten Krankheiten wäre perfekt gewesen.
Aber gut, ein Schnitzer sei erlaubt. Immerhin wurde auch gesagt, dass ALA eine pflanzliche Omega-3-Fettsäure ist (die nur bedingt zu wirken scheint) und EPA und DHA nur in Tieren vorkommen (speziell in Fischen). Dann wurden die Risiken besprochen, Gegenstimmen genannt (wenn auch nicht ausführlich) und sogar die Kosmetik-Produkte abgekanzelt, die damit werben, dass diese wichtigen Stoffe auch über die Kopfhaut (Shampoo) oder über das Gesicht aufgenommen werden könnten (Hautcreme). Das versöhnt doch. Nicht?

Zum Schluss gab es sogar einige Ernährungstipps für Zweifler (etwa: Waren da nicht Umweltgifte in Fischen?), von denen ich den Tipp für Vegetarier am wertvollsten finde: ALA ist zwar in vielen Pflanzen (und nur in Pflanzen), aber es wird nicht sehr gut vom Körper aufgenommen und umgewandelt. Darum sind Nahrungsergänzungsmittel unerlässlich (da genmanipulierte Pflanzen noch nicht zur Verfügung stehen!). Darum soll der überzeugte Vegetarier doch einfach zu Fisch-Öl-Kapseln greifen.

Da hat der Autor echt Glück gehabt, dass ihm kein grober Schnitzer passiert ist …





Quelle: HealthSmart Magazine, Reader’s Digest / 8.2008 (ohne Autorenangabe)

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wupperzeit (58)
(15.01.09)
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