andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 29. Januar 2009, 04:37
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Solons Erbe

In der Geschichte geht es ähnlich wie in jeder Wissenschaft und in der Gesellschaft zu, zumindest, was die Benutzung der Begriffe angeht. Zuerst wird etwas gemacht oder erfunden, dann ändert es sich und erst danach bekommt es einen Namen. Dieser Name trifft die benannte Konstellation allerdings nicht ganz und wird auch gar nicht definiert, bekommt aber trotzdem eine Bedeutung … eine Bedeutung, die sich mit dem “Zeitgeist“ ändert, immer weiter von der ursprünglich benannten Sache abweicht und am Ende – mit etwas Pech – zu einem Schlagwort degeneriert.
Obwohl … manchmal ist das gar nicht die schlechteste Entwicklung.

Nehmen wir etwa die Demokratie. Was bedeutet das Wort? Was bedeutet die Demokratie uns?
“Volksherrschaft“ wird jetzt vielleicht der Eine sagen – unsere verwurschtelte Regierungsform sagte der Nächste.
Nach den Wurzeln befragt … nun … wie lange ist der Unterricht zur griechischen Geschichte her? Fünfte oder sechste Klasse? – Ach herrje …
Wie war das noch? – Die Griechen hatten die Demokratie, oder? – Also, die antiken Griechen … die alten Griechen … die …

Fast.

Ehrlich gesagt: so genau ist gar nicht bekannt, was sich im alten Griechenland abgespielt hat. Die Quellenlage ist dürftig und vermutlich durch mehrere Filter gegangen (sprich: ge- und verfälscht worden). Nie darf vergessen werden, dass die Geschichte von den Siegern (oder den Überlebenden) geschrieben wird und dabei so manche Schönung und propagandistische Aufrüschung erfährt.

Und: es geht hier um Geschehnisse der Bronzezeit! – Das ist verdammt lange her!

Demos bedeutet Volk, ja. Aber gemeint ist das Volk in politisch-gesellschaftlicher Hinsicht, nicht in genetischer, geburtsrechtlicher oder rassistischer. Das ist ein gewaltiger Unterschied (wenn auch für die, die über den Rand fallen, nicht so deutlich …).

Wer war Demos? – Griechen? Alle Griechen? Ausgewählte Griechen?
Zuerst einmal: es gab keine Griechen. Griechenland war in viele Regionen zersplittert, die mit etwas Glück eine ähnliche Sprache verwendeten und auf eine vergleichbare Kulturgeschichte aufbauten (Nachschlagwörter: Dorer, Mykener, Äoler, Ionier, Makedonier, Minoer …). Die geographische Situation Griechenlands förderte die Zersplitterung und kulturelle Inselbildung in besonders starkem Maße (wie das die Biologie auch bei der Artenentwicklung auf Inseln kennt). Es entstand keine einheitliche Kultur, es entwickelten sich viele Stadtstaaten mit eigener Kultur, Religion und Politik.
Zuerst waren diese Stadtstaaten wohl Monarchien (aber genau weiß das niemand). Kleinkönigreiche, wie sie auch im trojanischen Krieg auftauchen. Doch keine Monarchie kommt ohne Helfer aus, privilegierte Helfer, die ihre Macht schnell nutzen, um ein Stufensystem aufzubauen. So entstand auch in den griechischen Städten sehr schnell eine Adelsklasse.
Doch ein Problem haben alle kleinen ökologischen Systeme: sie sind viel bedrohter als große Systeme. Wer nur eine Stadt hat, der kann keine andere Stadt zu Hilfe rufen, wenn es Ärger gibt. Es gibt keine Truppen, die von außerhalb kommen und gleichzeitig das bestehende System stützen wollen. Wer von außerhalb kommt, der will selber an die Macht … der ist ein Fremder, ein Feind.
Kolonien sind ein möglicher Ausweg, ein Ausweg, den die griechischen Städte in sehr großem Maße betrieben (im gesamten Mittelmeerraum, um genau zu sein). Diese Kolonien können dem herrschendem System treu sein und zu Hilfe kommen … können, ja, aber die Gesetze der Logik sprechen dagegen. Denn: wer geht denn in die Fremde und gründet eine Kolonie? Der Zufriedene etwa? Der, der gut zurecht kommt?
So entwickelte sich eine sehr starke Adelsklasse, die einerseits Helfer war, andererseits aber auch Forderungen stellte. Der heutige Name sagt es eigentlich schon aus: Aristokratie. – Die Bedeutung: Herrschaft der Besten (so mögen sie sich damals schon gefühlt haben).

Doch solch eine Entwicklung hat nicht nur für einen Monarchen Nachteile. Das Beispiel machte Schule und die Leute fragten sich “Beste“? – Warum sollen sie besser sein? – Sie sind nur reicher und dadurch stärker!
So kam es immer mal wieder zu gewissen innenpolitischen Streitereien. Ja, sogar zu Bürgerkriegen.
Die meisten griechischen Städte waren davon wohl betroffen – und da sie klein waren … mussten sie nachgeben.
Es sind nicht alle diese Reformstadtstaaten bekannt. Besser gesagt: im Grunde weiß die Geschichtswissenschaft ziemlich wenig. Überliefert wurde nur ein kläglicher Ausschnitt (und der wiederum verfälscht). Klar ist nur, dass sich so manches Mal der Adel gegen den Alleinherrscher durchsetzen konnte und eine echte Aristokratie errichtete, eine Herrschaft aus mehreren Familien halt. Dagegen protestierten wiederum die Ausgeschlossenen …

Solon
(nein, nicht der mit Gomorrha …)

Solon war ein Adliger aus Athen, ein Lyiker, ein Dichter (damals galten die halt noch was …). Welche Rolle er spielte? – Na ja … das ist nur überliefert und mit ziemlicher Sicherheit erstunken und erlogen (sprich: historisch).
Solon wurde ausgewählt die Streitereien zu schlichten (was wohl klar zeigt, dass vorher schon eine Form von Mitbestimmung existierte) und er schritt gegen das Schuldsklaventum ein (wer seine Schulden nicht bezahlen kann, wird zum Sklaven des Gläubigers. Das kennen wir nicht mehr, aber es kann ja wieder kommen …).
Dieses Hauptziel seiner Reform ist ein Indiz für die breite Ausdehnung dieses Sklaventums. Andere Stadtstaaten lösten das Problem anders. Sparta erfand zum Beispiel die Staatssklaverei und verbot den persönlichen Besitz von Sklaven. Staatssklaven … – auch eine Möglichkeit … nicht?

Solon tilgte also die Schulden und entmachtete damit die Reichen (die Erbreichen). Er gab den Armen von den Habenden, gab ihnen eine stärkere politische Macht und erfand Demos, Demokratie.
War das Sozialismus? Kommunismus gar? – Eine Volksversammlung, die frei wählen konnte und ein seltsames Prinzip hatte, das an eine Lotterie erinnert? Immerhin wurde der Rat der 500 (angeblich) zufällig aus den Wahlberechtigten bestimmt. Das ist ja noch viel schlimmer als der Kommunismus; man stelle sich das mal heute vor …

Gemach, gemach … so umwälzend war die Reform gar nicht. Immerhin war nicht jeder zur Vollversammlung zugelassen. Nur Demos zählte und durfte abstimmen, nicht die Kinder, Jugendlichen und … ähm … Frauen. Nicht die Sklaven, Nichtathener (beide Eltern mussten in Athen geboren sein) und Habenichtse. Und schon bald zählte nicht die Geburt alleine, sondern in viel stärkerem Maße das Vermögen.
Nur der, der für den Stadtstaat etwas leistete … (kommt mir irgendwie bekannt vor)

Bei Demos kommt es also darauf an, wie das Volk definiert wird. So, so …


Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Bergmann (29.01.09)
Sehr interessant!
Wenn die Kolumne eine Anspielung auf unsere Finanzkrise und die deren Lösungsversuche darstellt - so wünschte ich mir eine Fortsetzung!
Herzlichst: Uli
wupperzeit (58)
(03.02.09)
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