andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Mittwoch, 08. Juli 2009, 22:20
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Michael Jackson

Sicherlich gehen die Meinungen zum Tod eines Superstars immer weit auseinander. Das ist auch normal so, denn für das Leben und das Werk gilt das Gleiche. Wenn viele Leute etwas kennen, dann haben sie einfach auch die Chance eine Meinung zu haben. Dazu kommt natürlich, dass viel mehr Menschen mit unterschiedlichen Mentalitäten und Lebensauffassungen aufeinander treffen, was die Meinungsvielfalt enorm anhebt.
Jemand wie der Abdecker Karl-Heinz Kawutke aus Gelsenkirchen hat nur einen kleinen Kreis von Leuten, die sich eine Meinung über ihn gebildet haben. Meist sind es Kollegen, Nachbarn, Familienangehörige und andere “Bekannte“, die alle aus einem ähnlichen Umfeld kommen. Da sind die Parameter für die Meinungsbildung nicht sehr weit gefasst. Stirbt er, dann heißt es höchstens „schade um ihn“ oder „zumindest hat er nicht lange gelitten, als er in den Fleischwolf kam“ und kaum jemand wird es für nötig halten ein öffentliches „endlich ist er tot, der Mistkerl“ zu äußern oder zu sagen „sein Tod geht mir am Arsch vorbei“.
Bei Superstars ist das selbstverständlich anders. Da trauern auch Leute sehr tränenreich, die den Menschen nie kennen gelernt haben. Da werden Sachen in ihn, in sein Werk oder in seine “Botschaft“ hinein interpretiert, die mit viel Glück unter Fantasie-mit-Schneegestöber fallen, oft aber schon einen geradezu religiösen Anstrich haben. Offensichtliche Lügengeschichten werden verbreitet, Wahrheiten geschönt, Gerüchte verbreitet und langsam bilden sich Mythen. Und manchmal …

(Ort: U-Bahn-Station in Dortmund / Personen: 1. eine ältere und ausgemergelt wirkende Frau, sitzend – 2. eine jüngere Frau, stehend)

jüngere Frau: „Hallo …, schön Dich mal wieder zu sehen. Wo warst Du denn?“
ältere Frau: „Ich war im Knast, ich hatte mal wieder so eine Phase.“
jüngere Frau: „Im Knast? – Aber wieso denn?“
ältere Frau: „Die Bullen haben mich aufgegriffen und ich war nicht so gut drauf.?
jüngere Frau: „Was hattest Du denn?“
ältere Frau: „Weißt Du denn nicht, dass Michael Jackson gestorben ist?“
jüngere Frau: „Doch.“
ältere Frau: „Da bin ich natürlich durchgedreht.“
jüngere Frau: „Wieso denn?“
ältere Frau: „Na, weil der King of Pop gestorben ist. Das hat mich voll erfasst, weil ich so sensibel für die Schwingungen bin.“
jüngere Frau: „Schwingungen?“
ältere Frau: „Ja, die Schwingungen. Wenn jemand stirbt, der so bedeutend ist …“
jüngere Frau: „Ach.“
ältere Frau: „Ja, so ist das. Ich spüre das dann im ganzen Körper und bei den ganz besonderen Menschen halte ich das nicht aus und drehe dann durch.“
jüngere Frau: „Das tut mir leid. Muss hart sein.“
ältere Frau: „Ja, aber was soll ich machen? Bin halt so empfindlich für die Schwingungen.“
(die U-Bahn fährt ein. Die stehende Frau wendet sich zum Bahnsteig, die Sitzende bleibt sitzen)
jüngere Frau: „Dann hoffe ich mal für Dich, dass so schnell keiner mehr stirbt.“
ältere Frau: „Keine Sorge. Den letzten Anfall hatte ich als Elvis starb. Jetzt ist auch der große Jacko tot, da kann mir gar nichts mehr passieren.“
Die jüngere Frau geht zur U-Bahn und die ältere murmelt noch leise: „Aber dunkel wird die Welt ohne ihn sein.“

Zwar fiel mir spontan ein dummer Kommentar dazu ein („Ja, er war sehr bemüht heller zu werden“), aber den schluckte ich selbstverständlich herunter. Immerhin hatte ich gerade den … ähm … interessantesten Nachruf auf Michael Jackson erleben dürfen.



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Ingmar (09.07.09)
cool, das teil.
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