andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 20. August 2009, 00:39
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an der Theke

Der heißeste Tag des Jahres steht bevor … und soll ausgerechnet an meinem Kolumnentag stattfinden. Das freut mich natürlich sehr, denn heißes Wetter finde ich gaaaanz toll. Mir ist eh schon seit Wochen, als würde mein Gehirn schmelzen und jeder klare Gedanke verdampfen.
Aber vielleicht geht es ja nicht nur mir so. Schon der Zirkus um die Schweinegrippe schien nicht sonderlich … ähm … logisch und orientiert zu sein. Und es scheint, dass die Neigung zu Überreaktionen momentan recht groß ist. Ist dies etwa ein besonders warmes Sommerloch?

Nehmen wir etwa die Sache mit dem Greiskraut. Noch nicht gehört? – Na gut, von dem bösen Kreuzkraut im Rucola aber schon, oder? (das ist eh das gleiche Zeug)
Da hat also jemand einen einzigen Greiskrautstängel in einer Schale mit Rucola gefunden und ihn auch noch erkannt. Dann wurde die Schale an eine Bekannte geschickt, die zufällig eine Initiative zur Warnung vor dem Kreuzkraut betreibt, und analysiert. Das Ergebnis: giftig! Mehr als das Zweieinhalbtausendfache der täglich erlaubten Dosis (  SPIEGEL ). Puh.
Und was passiert? – Der Rucolahandel bricht komplett ein, weil die Supermärkte diese Salatpflanze verbannen. Schon sprechen die Bauern von einem Desaster und wollen die Felder unterpflügen.

Sicherlich ist es keine angenehme Vorstellung, dass sich eine Giftpflanze im Salat finden könnte. Und sicherlich gehört sie da auch nicht hin und es muss Vorsorge getroffen werden, dass es nicht wieder passiert. Aber, ganz ehrlich: wir wollen doch alle möglichst preiswerte Lebensmittel, wehren uns gegen die zunehmende staatliche Kontrolle und gleichzeitig soll das Essen biologischer werden, die Landwirtschaft ohne Schutzgifte auskommen und wir wollen uns blind auf die Produkte verlassen können.
Ist es nicht logisch, dass Pannen vorkommen? Muss deswegen gleich der Katastrophenfall an der Salat-Theke ausgerufen werden?

Sollte es an der Hitze liegen und daran, dass nicht nur die Trollgehirne bei Terry Pratchett, sondern auch Menschenhirne bei Kälte besser arbeiten, dann sehe ich für das Monatsende schwarz. Die große Wahl trifft dann auf geronnene Gehirne, die versuchen sich zwischen Merkel und Steinmeier zu entscheiden. Wer war in den letzten Jahren das Greiskraut im Regierungs-Rucola? Wen wollen wir im Salat-Buffet wieder sehen und wen nicht? Oder wechseln wir zum Rotkohl mit den verdächtig aussehenden Stückchen? Oder lieber diesen grünen … oder den gelben Salat? Etwas Graues vielleicht? Oder gar braun?

Mir fällt die Wahl an der Salat-Theke immer schwer. Je größer die Auswahl, je verlockender das Angebot, desto schwieriger wird es. Aber auch bei einer ausschließlichen Präsentation von Dingen, die ich nicht sehr mag oder einem Angebot, das irgendwo zwischen Schweinegrippe und Hepatitis liegt, kann ich mich kaum entscheiden.
Da mag dann eine Schlagzeile reichen, um kurzfristig zum falschen Salatkopf zu greifen. Plötzlich habe ich kalten Nudelsalat auf dem Teller, weil mir der Rucola suspekt ist … und dabei finde ich kalten Nudelsalat widerlich.
Nein, keine Salat-Theke in dieser Hitze. Ich bestelle lieber von zuhause und abends nach einer kalten Dusche. Dann arbeitet mein Gehirn besser und niemand bedrängt mich, dass ich endlich mein Kreuzkraut beim Salat mache … ähm … Kreuzchen, natürlich. Offenbar werde ich schon greise.

Einen angenehmen Tag wünsche ich – und eine Klimaanlage, Kaltgetränke und Eiswürfel in Massen – mir.
Und was darf es für Sie sein? Vielleicht etwas Rauke?



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (20.08.09)
Gefällig, gefällig...
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