andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 04. Februar 2010, 02:40
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Streik

Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, welche Argumente in den nächsten Tagen auf uns einregnen werden. Ein Streik (wenn auch nur ein Warnstreik) des öffentlichen Dienstes hat bisher immer die gleichen Stimmen ausgelöst.
„Wir haben einfach kein Geld und jetzt schon Schulden bis über beide Ohren,“ ist schon zu hören (etwa durch den Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski) und an den Feinheiten wird sicherlich noch gefeilt.
BILD titelt “Hier schlägt Ver.di heute zu“ und zeigt damit mal wieder ein feines Gespür für die Stimmung im Land: die Gewerkschaft als Aggressor. Aber das Gespür für die Stimmung sollte niemanden wundern, denn immerhin ist die BILD-Zeitung einer der wichtigsten Stimmungsmacher im Land und schürt schon seit langem die Aggressionen der Wenigverdiener aufeinander. Da werden Sozialschmarotzer (natürlich nur die wirtschaftlich unteren Schichten) an den Pranger gestellt, für Entlassungen wirtschaftliche Gründe postuliert, Fallbeispiele von arbeitsscheuen Arbeitslosen angeführt, Geschichten von der wirtschaftlichen Krise erzählt, Beamtenapparate und öffentliche Dienste als unzeitgemäß hingestellt und gleichzeitig immer wieder “deutsche“ Firmen und die Selbstheilungskräfte der privaten Wirtschaft in den Himmel gehoben.

Jetzt ist die Diskussion um die Leistungsgesellschaft erst einmal vertagt, obwohl natürlich noch immer die Vokabeln Tüchtigkeit, Leistung, Erfolg, Fleiß und Elite in den Köpfen herum schwirren. Stattdessen wird die Argumentation wieder in Richtung Volkswirtschaft gehen, die durch Aktionen wie dem Nahverkehrsstreik geschädigt werden.
Volkswirtschaft ist ein Begriff, der praktisch nur bei solchen Gelegenheiten aus dem Hut gezaubert wird. Plötzlich kommt es auf ein “großes Ganzes“ an, wird von Verantwortung gepredigt, von Einbußen, die man hinnehmen muss und von Mäßigung der eigenen Forderungen. (Das kommt besonders den Bahnkunden sicherlich bekannt vor, immerhin müssen sie das schon seit Monaten tun.)

In Dortmund streikt heute der öffentliche Personennahverkehr. Keine Busse und keine U-Bahnen werden fahren, dafür aber sicherlich der private Personennahverkehr. Zwar kann er die Massen nicht stemmen, aber gerade die super bezahlten Taxifahrer werden ihr Bestes geben und damit zeigen, wo das faule Gesindel sitzt …
Quatsch. – Die deutsche Mentalität wird sich durchsetzen und die Streikenden werden Verständnis für die Leidenden zeigen, um Verständnis betteln und mit wenig plakativen Argumenten winken. Dann werden sie sich voller Gewissensbisse mit viel weniger abfinden, als sie brauchen und wieder den Schwanz einziehen. Denn ihnen fehlt die eine Vokabel, die sie zum Erfolg und zur Elite führen könnte: Rücksichtslosigkeit.



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

wortverdreher (36)
(04.02.10)
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 AlmaMarieSchneider (09.02.10)
Da kein Herr seinem Knecht jemals etwas freiwillig bezahlt hat, bleibt dem Knecht nur der Kampf ums tägliche Brot und die, die darunter leiden sollten den Herrn fragen, wo denn sein Gewissen sei und nicht auf den Knecht zeigen, denn die Wenigsten von ihnen sind selbst Herren.
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