andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 08. April 2010, 03:14
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biblisch

Wenn es um die Aussagekraft der Bibel geht, sind wir in Europa nicht sehr fundamentalistisch eingestellt. In der Regel werden die Geschichten im alten Testament nicht ernst genommen – oder besser: die meisten Leute sehen in ihnen Metaphern und keine historisch belegbaren Fakten. Ob jetzt Sintflut, Garten Eden oder Erschaffung der Welt, die Meinung einer wortgetreuen Wahrheit wird eher von US-Amerikanern und Sekten vertreten.
Dabei haben Bibelforscher in den letzten Jahren viele Theorien aufgestellt, die gegen Metaphern sprechen und einen überraschend hohen Wahrheitsgehalt annehmen. So mag die Sintflut auf die Überflutungen fruchtbarer Lebensräume zurückgehen, die am Ende der letzten Eiszeit nicht immer schrittweise stattfanden, sondern auch schlagartig über die besiedelten Gebiete kommen konnten. Vielleicht wurde das schwarze Meer auf diese Weise geschaffen, schnell und plötzlich, als der Damm des Bosporus überspült wurde. Vorher mag es dort steinzeitliche Zivilisationen gegeben haben (dafür sprechen archäologische Funde), die innerhalb kürzester Zeit von einer riesigen Wasserfläche bedeckt wurden.
Ähnlich mag es dem Garten Eden gegangen sein, der vielleicht im heutigen persischen Golf lag und bei seiner Überschwemmung die Menschen aus dem fruchtbaren Landstrich vertrieb. Das wäre dann zwar nicht gerade das, was fundamentalistische Christen unter realen Hintergründen verstehen möchten, aber weitaus mehr als Metaphern, die “nur“ Aussagen transportieren sollen. Im Grunde wäre das für die Fundamentalisten ein Super-Gau, denn plötzlich stünde nicht nur die wörtliche Bedeutung in Frage, sondern der gesamte religiöse Hintergrund.
Noch schlimmer wird es dadurch, dass Archäologen und andere Forscher für immer mehr biblische Geschichten Vorbilder in älteren Quellen finden (sumerische Fundstücke, das Gilgamesch-Epos, babylonische Funde …). Das mag im ersten Moment wie eine Bestätigung des Wahrheitsgehaltes wirken, aber nach kurzem Nachdenken dürfte jedem klar werden, dass die Geschichten dann nur noch abgeschrieben sind, kopiert, übernommen, gestohlen oder plagiiert. Also genau das, was das “göttliche Wort“ nicht sein darf.
Seltsamerweise ist das gar nicht neu für die Bibelforschung. Schon vor vielen Jahrzehnten wurde herausgearbeitet wie und wann die Bibel entstand, warum sie geschrieben wurde und was ihre Hauptaufgabe sein sollte. Sogar die Frage nach dem Wer fand einige plausible Antworten.
Vor dem babylonischen Exil war eine schriftliche Fixierung offenbar nicht nötig, aber in der Fremde – und unter dem Einfluss der anderen Kulturen und Religionen – musste der jüdische Glaube in einem heiligen Buch niedergelegt werden. Vielleicht hatten die Bibelmacher Angst, dass ihre Religion der Konkurrenz und Verführung nicht standhalten könnte, vielleicht waren sie fasziniert von einer anderen Buchreligion oder vielleicht musste gegen innerjüdische Streitigkeiten vorgegangen werden. Die genauen Gründe werden wir wohl nie erfahren.
Aber wenn sich auch die anderen Geschichten im alten Testament aus wirklichen Ereignissen entwickelt haben und schon an anderen Stellen niedergeschrieben waren, ist die Bibel vielleicht doch eine Art Geschichtsbuch und hat den Wahrheitsgehalt, den sich die Gläubigen immer gewünscht haben (wenn auch mit anderer Interpretation).
Und doch: eine Pointe oder ein Happy-End wird es bei diesem Thema nicht geben. Eine Änderung natürlich auch nicht, denn es geht um den Glauben und da haben Fakten noch nie eine große Rolle gespielt. Egal ob in Europa oder in Amerika.


Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (09.04.10)
Das alte Testament, ein Vom-Hören-Sagen-kennen-Wiki der Antike? Nunja, keine schlechte Idee...
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