andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 08. Juli 2010, 02:40
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Emanzipation?

Die Themen “Feminismus“ und “Emanzipation“ werden momentan nicht großartig diskutiert. Es könnte sogar gesagt werden, dass hier das große Schweigen angebrochen ist. Die berühmte öffentliche Meinung ist stumm, andere Themen scheinen wichtiger zu sein. Etwa die so genannte Migrantenfrage, die als Problem junger Männer aufgebauscht wird, als Bildungs-, Schulabschluss- und Ausbildungsproblem. Da fallen nicht nur die Migrantinnen raus, sondern auch die übrigen Frauenfragen.
Woran liegt das, wo Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte inzwischen flächendeckend verbreitet und Frauen in fast allen Berufen (wenn auch manchmal unterrepräsentiert) zu finden sind? Sollte etwa kein Bedarf mehr bestehen oder ist die Akzeptanz so hoch? Oder liegt es an der Kanzlerin, die mit ihrer Selbstverständlichkeit die Kritiker mundtot macht?
An dem Sieg der Emanzipation kann es jedenfalls nicht liegen. “Emanze“ gilt längst wieder als Schimpfwort, aufgemotzte Frauen sind anerkannt wie lange nicht mehr, kurze Röcke und knappe Teilchen überfluten Mode und Straße und die Frauenrolle boomt.
Sicher, Frauen dürfen auch erfolgreich im Beruf sein, aber dennoch müssen sie auch “Frau“ bleiben (manchmal sogar mehr als die weniger erfolgreichen). Und Männer müssen wieder Männer sein, sogar “Kerle“ sind akzeptiert. Die Rollen der Hausfrau, Mutter, Schlampe, Domina und des Vamps oder braven Mädchens wurden zwar ergänzt und erweitert, aber in den Grundzügen blieben sie erhalten.
Jetzt wird der eine oder andere sagen, dass doch eine Frau auch ohne Anfeindung anders leben könnte … und damit sogar Recht haben … aber: das Problem ist nicht die fehlende Toleranz von außen, sondern die Sperre in den Köpfen. Männer sehen solche Frauen nicht als potentielle Partnerinnen oder Affären – und Frauen sehen sich selber auch nicht so.
Interessante Erfolge der Emanzipation sind hingegen bei den Männern zu entdecken: sie achten mehr auf ihre Frisuren, trainieren ihre Muskeln und kleiden sich bewusster. Die klassischen Status- und Sexsymbole wie Autos und Job werden dabei nicht vernachlässigt, nur der Bierbauch als Anmachhilfe hat ausgedient. Seltsamerweise spielt das Eingehen auf Frauen aber nur eine untergeordnete Rolle, es ist also keine Mischung der Prioritäten der alten Balzverhalten der Geschlechter zu beobachten.
Das Gleiche gilt für die Frauen: gewisse Verhaltensweisen der klassischen Männerrolle wurden zwar von einigen Frauen übernommen, doch es ist eine Auswahl und nicht die Top-Five. So gilt es jetzt zwar nicht mehr als “unmöglich“ ungerecht zu sein, egoistisch und sachlich, aber der berufliche Erfolg als Sexappeal will sich für Frauen nicht so recht durchsetzen.
Nun könnte daraus geschlossen werden, dass das Ideal der echten Gleichberechtigung der Geschlechter nicht erreicht werden kann und somit die feministische Idee schon immer zum Scheitern verurteilt war. Doch dürfte es sich eher um eine Pendelbewegung handeln, die noch gar keine Aussage über den Endzustand erlaubt. Immerhin beeinflussen die Medien nicht nur durch “Sex in the City“ die Gehirne, sondern auch durch den ganzen anderen Müll, der über Bildschirme und Papier flimmert und flattert. Von einem neuen Geschlechterbild kann da nämlich kaum einmal die Rede sein … und wenn doch einmal ein Ansatz da ist, so wird er mit Sicherheit durch konventionelle Liebschaftsgeschichten platt gemacht. Und das wirkt vor allem auf diejenigen KonsumentInnen, die es erfolgsmäßig nicht nach oben geschafft haben.
Überhaupt ist die Emanzipation längst nur noch ein Thema der gehobenen gesellschaftlichen Klassen. Der Rest nimmt die Brosamen, die übrig bleiben oder haben ganz aufgegeben und sich mit dem aktuellen Frauenbild arrangiert.
Politische Gründe sind kaum zu finden, auch wenn das Konservative immer weiter die politische Mitte bestimmt. Denn: die Linke war nie sonderlich an dieser Frage interessiert und so bildete die Koalition derjenigen, die der Emanzipation feindlich oder gleichgültig gegenüberstehen, eh die Mehrheit. Es ist also ein rein gesellschaftliches Thema (geworden?), ein Thema einer beschränkten Auswahl an Frauen und Männer.

Oder besser: es ist kein Thema mehr, denn die modernen Frauen interessieren sich kaum dafür. Reden wir also lieber über die armen jungen Männer mit Migrationshintergrund, die gefördert werden müssen. Die Frauen mit Migrationshintergrund? Die landen eh im Haushalt …



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 AlmaMarieSchneider (08.07.10)
Warum wird immer wieder Gleichberechtigung und Emanzipation mit Gleichmacherei gleichgesetzt?

Eine Frau kann doch Frau bleiben und ihre Rechte durchsetzen. Frauen haben in der Regel mit ihren kurzen Röckchen und oberer Übergröße als Symbol ihrer Weiblichkeit kein Problem. Das Problem hat doch eher der Mann, dem plötzlich der Verstand abhanden kommt und der dann nur noch Stuß von sich gibt.

Ich finde es gut, daß die Frau zu sich als Frau findet, ihre vom Patriarchat aufgezwungene Rolle ablegt und gegebenfalls auch ohne Mann ihren Weg geht.
Jahrhunderte lassen sich nicht in ein paar Jahrzehnten auslöschen.
Daß Frauen massiv von Männern beruflich ausgeblockt werden liegt wohl auch an deren Angst, daß sie ihre Stärke in der angestammten Rolle hatten und nicht im Charakter.
Die Zukunft bringt Frauen mit besseren Schulabschlüssen als Männer, Akademikerinnen sind zahlenmäßig überlegen, sie sind hübscher und wissen was sie wollen.Sie werden auch Kinder wieder gesellschaftsfähig machen, denn Kinder sind derzeit der einzige Makel, den Männer den Frauen noch anhängen können. Ein äußerst mieses und pefides Verhalten.
Die Welt steht den Frauen offen. Beharrlichkeit wird sich auszahlen.

 AlmaMarieSchneider (08.07.10)
@Jack
Nicht der Makel Kinder in die Welt zu setzen, sondern der Makel Frauen deshalb zu diskriminieren und beruflich zu benachteiligen.
Deine Antwort zeigt mir nur wieder "Hosenstalldenken". Mehr war wohl auch nicht zu erwarten.
wortverdreher (36)
(08.07.10)
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 AlmaMarieSchneider (08.07.10)
Privat klappt es ja zwischen Mann und Frau, zumindest in Teilen Europas.

Doch die Welt, der Wortverdreher hats noch nicht mitbekommen, globalisiert sich. Es geht um berufliche und gesellschaftliche Benachteiligung oder schlicht weg gesagt um die Existenz.

Die Opfer von Menschenhändlern sind nach wie vor zum großen Teil Frauen und die Händler sind Männer. Nach wie vor büßen Frauen dafür mit einer sehr viel kleineren Rente weil sie Kinder aufgezogen haben, nach wie vor werden bei Einsparungen erst einmal den Frauen die Möglichkeit zum Gelderwerb genommen, indem man Kindergartenplätze streicht.
Die praktizierte Lohnpolitik in Deutschland ist schlichtweg eine Schande und kein Grund dieses Problem anzutun.

Ja, die Diskussion um Gleichberechtigung MUSS auf eine andere Ebene gestellt werden. Gleichberechtigung muss endlich umgesetzt werden:

in Löhnen
im gesellschaftlichen Ansehen der Kindererziehung
in den Köpfen von Männern, daß auch Mädchen eine Lehrstelle in technischen Berufen erhalten (hier war uns die DDR meilenweit voraus)
weltweite Gleichberechtigung und nicht nur Geschwafel


und Wortverdreher: Mit mir mußt Du nicht diskutieren. Tun solltest Du etwas. Das Patriarchat existiert noch und das hauptsächlich in den Köpfen der Männer. Die können davon nicht lassen. Der Mann im Haus, der Ernährer, das Oberhaupt. Mir begegnen täglich derartige Ärsche, das kannst Du mir glauben und das nicht in geringer Anzahl.

 AlmaMarieSchneider (08.07.10)
Jack

Bei "Gleichen Rechten" geht es nicht um "genetische Veranlagungen". Die spielen hierfür überhaupt keine Rolle. Eine "gleichberechtigte" Gesellschaft sollte in der Lage sein ihre Kinder nicht zu Sündenböcke für Diskriminierung und benachteiligung ihrer Mütter werden zu lassen.

Jede Frau ist selbst dafür verantwortlich für den Männertyp den sie sich erwählt----denkt man

sofern ihr das gestattet wird.

Nicht einmal in Europa ist hat sie ausnahmslos diese Entscheidungungfreiheit und wird nicht selten dafür umgebracht!!!

Doch es geht nicht um "Privates". Es geht um gesellschaftliches und berufliches Miteinander. Hier liegt die Benachteiligung.

 Dieter_Rotmund (13.07.10)
"Schweigen, das anbricht" - ein reichlich schiefes Bild, oder? Bestenfalls ein leicht verunglücktes Oxymoron, finde ich.

Was ist denn "Die Frauenrolle"?

 AlmaMarieSchneider (25.07.10)
Lieber Dieter,

nach Meinung mancher Männer wohl blond, dumm und devot.
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