KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Samstag, 21. Januar 2012, 17:57
(bisher 2.394x aufgerufen)

Ein Wort für Wagner

288. Kolumne

Mit Anti-Wagner-Clichés bin ich in der Schule aufgewachsen. Aber ich erlebte die Wagner-Liebe meines Großvaters und erkannte später die historischen Zusammenhänge genauer.
Ich will den Antisemitismus des 19. Jahrhunderts keinesfalls verteidigen. Er ist jedoch kein hinreichender Grund zur Verurteilung Wagners. Theodor W. Adorno schätze ich in dieser Hinsicht überhaupt nicht, seine Wagner-Analysen (Text und Musik) sind zwar verständlich angesichts des Schicksals der Juden im Dritten Reich, aber nicht zutreffend; sie werden Wagner nicht gerecht. Adorno hat sich auch bei Celan vertan, was seine These, nach Auschwitz sei keine Lyrik mehr möglich...
Und Hanslick ist in vieler Hinsicht eine üble Gestalt. Wir lieben doch Brahms UND Wagner, Bruckner UND Mahler...
Zum Glück hat Wagner das alles bisher überstanden. Die geistige und politische Utopie, die im „Ring“ steckt, die tiefe Menschlichkeit im „Parsifal“ und in den „Meistersingern“ kann von künftigen Generationen – frei von allen Wagner-Clichés und frei von der nationalen und deutschtümelnden Verwendung Wagners (bis hin zum Missbrauch) durch die alte, in Kunstdingen teils naive gesellschaftliche Elite – endlich angemessen erkannt werden, so dass auch der emanzipatorische Gedanke, der in Wagners Werk steckt, mehr zur Geltung kommt. Er ist hier Nietzsche ähnlich; die Erlösungsidee konnte Nietzsche allerdings nicht akzeptieren. Hier scheint Wagner inkonsequent zu sein, aber diese ‚Schwäche’ zeigt seine Menschlichkeit, gerade diese macht ihn übrigens auch zum Realisten: Der tragische Untergang des Menschen in der Liebe und im Scheitern an einer gebrochenen Welt, die eben nicht mehr ganz zu machen ist. Das wollte Nietzsche nicht hinnehmen. Nietzsche hat hier übersehen, dass Wagner nur als Künstler seine Utopie einer Welt ohne Götter realisieren konnte, einer Welt, in der wir uns selbst gestalten. Aber Ganzheit gibt es nur im künstlerischen Werk.

[Brief an darkjoghurt, 11.1.2012]

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 loslosch (17.02.12)
ich sehe wagner eher kritisch, nicht nur weil ich alphons silbermann in köln dazu gehört habe. wagner soll sich, wenn er anhub zu komponieren, in dekorative gewänder geworfen haben.

wenn seine musikalischen werke auf leise gestellt sind (denn mittendrin wirds manchmal unverhofft laut), kann ich wunderbar dösen. musik als tranquilizer - für mich!
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram