KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Dienstag, 07. Juli 2015, 18:05
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Alexis Zorbas ad infinitum?

465. Kolumne


Angenommen

Angenommen, wir wären miteinander verwandt, sagen wir, du bist mein ältester Bruder, und ich hätte Geld, und sagen wir, ich hab dich gern und du mich auch, dann würde ich dir natürlich Geld geben, aber du müsstest es so verwenden, dass du dir bald selber helfen kannst, ich würde erwarten, dass du deine allzu teuren Hobbys aufgibst, Panzer und andere Spielzeuge, ich würde dich ja beschützen, und ich würde hoffen, dass du dich änderst und keine neuen Schulden machst. Ich gäbe dir dann auch gern viel Geld, und vielleicht brauchst du es dann auch nicht mehr zurückzuzahlen, wenn die ganze Familie von dir Nutzen hat. Und dann wäre ich auch stolz auf dich und ich würde denken: Da fließt immer noch das Blut der Alten durch eure Adern bis ins Hirn, eine Melange von Epikur und Euklid! Und ich würde auch sehr gern von dir lernen, wie man besser lebt, wenn ich sähe, dass du ziemlich glücklich bist. Deine mediterrane Art habe ich ja schon immer geschätzt, und viel davon für mich selbst übernommen. Eine meiner Lieblingsgestalten ist dein Alexis Zorbas, und wie er im Scheitern den Sirtakis tanzt, das hat mir die Tränen in die Augen getrieben! Das war göttlich! Das schien mir – jenseits aller Ideologien – wie eine Widerlegung des armen Sisyphos, weil ich mich in Zorbas wiedererkannte.

Ich schwimme mit dir und Europa auf meinem Rücken durch die Fluten des Mittelmeers nach Westen und über den Atlantik und die Nordsee bis in die Ostsee hinauf ins Baltikum, weil deine Schönheit mir gefällt, weil deine Weisheit bis heute glänzt wie der thalassische Himmel, deine blinkenden Tempel auf dorischen Säulen, die so fest mit der Erde verbunden sind und schwere Dächer trugen und dennoch federten und wippten unter dem Gewicht ihres Firmaments. Alle deine wunderbaren wahren Mythen, lieber Bruder, schwingen in mir. Auch ich war ein kleiner Odysseus auf jugendlichen Irrfahrten, und ich lese heute noch in den besten Werken unserer europäischen Literatur die alten Erkenntnisse in neuen Kleidern.

In den Narrentänzen mancher deiner Freunde sehe ich kein gutes Rezept für unsere Familie, auch wenn sie in mancher Hinsicht Recht haben mit ihrer Kritik an einem mörderischen Kapitalismus, dem Europa vollkommen egal ist. Lass uns darüber reden, wenn du deine Autonomie wiederhergestellt hast. Auf diese Zeit freue ich mich.

Ulrich Bergmann, 7.7.2015

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(10.07.15)
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 Bergmann (10.07.15)
Kazantzakis beschreibt diese Schwäche der Griechen, an dieser Wahrheit kommt keiner vorbei. Auch ich nicht in meiner Sympathieerklärung für das klassische Griechentum und das mediterrane Lebensgefühl.
(Ich war nur ein Mal in Griechenland, 1986, im Herbst, es regnete in Sparta.)
Wir müssen Griechenland retten. Das können wir uns leisten in Deutschland.
Tzipras und Co. halte ich für Übergangsgestalten mit richtigen Ansätzen, aber mit ihnen geht die Umgestaltung Griechenlands nicht.
Ich wünsche unserer Kanzlerin die Phantasie, wie Griechenland jenseits der Regularien geholfen werden kann.
Theodorakis soll froh sein, dass ihm dieser Sirtaki gelang. Seine ambitionierten Werke (ich kenne einige) werden vergessen. Seine Lieder, die er selbst sang, haben bessere Chancen.
Graeculus (69)
(10.07.15)
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