Ranzenberger, Klaus:

Der Onkel Franz oder die Typologie des Innviertlers.

Eine Rezension von  max.sternbauer
veröffentlicht am 06.11.14

Bücher haben den Vorteil, dass sie einem Reisen anbieten, ohne ein Flugzeug bemühen zu müssen.
Einen literarischen Abstecher ins Innviertel gefällig? Dann lest den Onkel Franz!

Am Rand geschrieben.

Terra Australis Incognita war einmal die Bezeichnung eines Kontinentes, dessen Existenz im Dunklen lag, für die Europäer. Man glaubte, dass sich eine Landmasse in der unteren Ecke des Globus befinden müsse, quasi um die Erde im Gleichgewicht zu halten. Das war Australien. In Europa wusste man nichts darüber zu sagen und wie schon über fremde Länder davor, waren nur abstruse Theorien im Umlauf. Obwohl unser netter Planet von oben bis unten durch kartografiert worden ist, gibt es noch für jeden Menschen dunkle Ecken auf seiner persönlichen Karte.

Welches Bild hat ein Mitteleuropäer über Ouagadougou. Und ein Bewohner dieser Stadt über die Region Mitteleuropa? Das spannende an dem Blick in die Peripherie ist, dass sie nicht Zentrum der Betrachtung liegt. Und dass dieses Zentrum von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist.

Der Landstrich, der mit dem Buch „Onkel Franz oder die Typologie des Innviertlers“ beschrieben werden soll, ist das Innviertel. Eines der vier Regionen des Landes Oberösterreich, am gleichnamigen Fluss gelegen auf dessen anderen Seite Bayern liegt. Genau genommen Niederbayern. Auch so eine Region. Ein Mann, der sich Tropenhelm und Khakihosen auf- bzw. angeschnallt hat, ist Klaus Ranzenberger. Ihm und seiner Figur ist das Innviertel die Heimat. Nur ist der Autor real und der Onkel Franz eine Fiktion. Aber auch Märchengestalten dürfen eine Heimat haben.
Die Last, die dem Onkel Franz aufgebürdet worden ist, ist enorm. Er soll die Seele des Innviertlers darstellen und sich mit einer literarischen Vorgängerin vergleichen lassen. Den letzten Punkt wollte der Autor vielleicht nicht bezwecken. Aber der Onkel hat eine Vorfahrin, in deren sanften Schuhabdrücken er geht. Nämlich die der Tante Jolesch von Friedrich Torberg. Dieser Anekdotensammlung nimmt sich Klaus Ranzenberger als lockere Inspiration. Der Wiener Schriftsteller, Torberg, beschrieb in seinem Buch Erinnerungen an ein Wien und seine Bewohner, das nicht mehr existierte. Das jüdische Wien, das Wien zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und der Zwischenkriegszeit. Die erzählten Geschichten sind kurze Bilder von Personen und Begebenheiten, an die sich Torberg erinnert. Quasi als Scharnier für diese Geschichten dient die Tante Jolesch. Sie ist die dichterische Büroklammer, die dem Buch die Richtung gibt. Genau dasselbe macht der Onkel Franz.

Dialektik.

Ein Moped wird im Innviertel „Hehnastauba“ genannt, weil das Geräusch Hühner aufschreckt.
Damit braust der Onkel über die Hügel seinen Abenteuern bei Markttagen und Stammtischen entgegen. Wobei dem Stammtisch eine soziologisch fundamentale Bedeutung zukommt. Sprachliche und kulturelle Eigenheiten werden aufgezeigt. Wie das Verhältnis zu Bayern, der Humor und das Konsumieren von Weißbier.
Mal verschwindet das Gebiss einer Oma im Ofen, mal entpuppen sich in den Tiefen der im Dialekt vorgetragenen Kalauer ein einleuchtender philosophischer Sinn. Natürlich nimmt die Sprache einen breiten Raum ein. Überhaupt könnte dieses Buch für ethnologische oder anthropologische Studien verwendet werden. Lustiger ist es auf jeden Fall.

Was der in Braunau am Inn ansässige Klaus Ranzenberger unter dem Strich macht, ist Friedrich Torberg an die bayrische Grenze zu katapultieren und mit ihm einen Landstrich zu kartografieren.
Es ist ein kurzweiliges, humorvolles Buch, das das Innviertel und seine Kultur vorstellen möchte. Und sich ein wenig für das regionale Wirtschaften engagiert. Und, wenn man so will, für die Eigenheiten und „Coolness“ solcher Landstriche wirbt. Zwar steht das nirgendwo wörtlich, aber zwischen den Zeilen, oder auf ihnen darauf, kann man den Stolz lesen, in so einer Ecke der Welt leben zu dürfen.
Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.


Zurück zur Liste der  Rezensionen von max.sternbauer , zur Autorenseite von  max.sternbauer, zur Liste aller  Buchbesprechungen
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram