Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 28. August 2014, 15:02
(bisher 4.481x aufgerufen)

Die Stimme. Christian Brückner.

von  Dieter_Rotmund


Gastkolumne von  HundertTexteEinsamkeit

Sowie man in TV- oder Kinofilmen normalerweise nicht auf den Hintergrundsound achtet, der überhaupt erst in den Szenen die entsprechenden Atmosphären schafft (Weite, Landschaft, Angst, Beklemmung, Spannung, Einsamkeit ...), so scheint es für manche selbstverständlich zu sein, dass beispielsweise Robert de Niro deutsch spricht. Und zwar so gut, dass man nicht an seinen Lippen ablesen kann, dass ihm eigentlich eine Kunstsprache aufgesetzt wurde. Und zwar die von Christian Brückner.

Es ist oft verblüffend, wie deutsche Schauspieler z.B. auf italienisch klingen. Harry Klein von der Serie Derrick, spricht dort mit direkter dunkler Power, stark und fordernd wie ein Espresso. Im Deutschen jagt er das Böse zusammen mit seinem Boss allerdings mehr mit Softstimme (Kakao und viel Milch). Derrick hingegen klingt in Italien eher wie ein Weichei. Umgekehrt dagegen spricht und singt der amerikanische Clint Eastwood soft und einfühlsam und ähnlich wie ein Frauenversteher und Jung-Sinatra.

Christian Brückner ist sowas wie der Mercedes unter den Deutschen Synchronsprechern und es ist nicht leicht herauszufinden, warum es so ist. Außer man sagt, seine Stimme ist einfach faszinierend. Fertig. Aber was genau ist es, es so spannend macht, ihm zuzuhören? Man findet wenig darüber im Netz, wahrscheinlich deswegen, weil es genauso schwierig ist, das Bellen eines Hundes zu beschreiben wie den Klang einer Stimme. Hier ein Beispiel, in dem Brückner Das Schweigen des Jan Karski liest. Man sieht, dass er mit vollem Körpereinsatz arbeitet, seine Arme und Finger drücken den Text ebenso aus, wie der Kopf oder die Rückenbewegungen. Es könnte sein, dass er damit innere Spannungen lösen will oder aber, was ich eher vermute, dass ihn der Text körperlich voll 'ergriffen' hat. Er sieht das Geschriebene als Bild in sich und schiebt es so auf den Weg nach außen. Es fällt auf, dass seine Stimme eine Mischung ist aus mehreren Klang- und Nachhallerzeugern ist. Da ist, wie bei vielen anderen testeroiden Synchronsprechern auch, eine Art Gurgeln im Hintergund darin. Weiterhin bemerkt man, dass er einer weiten Tonbreite spricht. Er kann sowohl in der hohen Stimmlage ausflippen, als auch in tieferen Tönen beruhigen. Diese durchgedrehte Mischung unterscheidet ihn von anderen Heros, wie z.B. John Wayne, der z.B. nur in Basslagen vor sich hinmurmelt oder Befehle erteilt, so dass es den Damen warm ums Herz wird. Man fühlt sich bei Wayne einfach sicherer wie mit dem eigenen Alten zu Hause auf dem Sofa.

Meiner Meinung nach hat die Stimme Christian Brückners immer etwas Durchgedrehtes, Gehetztes, auch Mundfaules, etwas Nuschelndes und Heiseres. Sie ist am Rande des Nervenzusammenbruches und trotzdem voll unter Kontrolle. Man scheint ihr eine permanente Überanstrengung anzumerken. Sehr gut kommt das heraus in Inside Hollywood, wo De Niro einen Produzenten spielt, der gewohnheitsmäßig durch einen Dschungel von Absurditäten taumelt. Wie z.B., ob ein Hund am Ende des Films erschossen werden soll oder nicht, ob Bruce Willis mit Bart spielt oder sich davon abbringen läßt, ob ein Sessel rot bezogen werden soll usw. Man jagt durch eine Geisterbahn des Irrsinns, weil es nichts anderes gibt. Christian Brückner versteht es, mit dieser zeitweisen Piepsstimme sehr bedrohliche Atmosphären zu schaffen, wie hier in der Mitte des Videos zu sehen: Goodfellas. Er spricht mit einer absoluten Glaubwürdigkeit, eben mit diesem eingebauten 'Mercedesstern'. Daher wurde er für viele, man könnte vielleicht auch sagen zu viele Dokumentarproduktionen engagiert. Z.B. die von Kriegsberichterstatter in allen Lebenslagen Guido Knopp.

Neben der breitbandigen Stimmlage unterscheidet er sich, zumindest ist es meine Meinung, durch die Betonung oder Nichtbetonung einzelner Worte. Da liegen ebenso viele Überraschungen drin wie in den Notenfolgen eines interessanten Klavierstückes. So bekommen Sätze oft einen vollkommen anderen Sinn bzw. einen ganz neuen, auf den man weder beim Lesen noch beim selbst Sprechen je gekommen wäre. Dann wieder spricht er manchmal übermäßig lange auf der gleichen Tonhöhe. Um dann in einer Wortkaskade kurz, schnell und gefährlich auszubrechen. Mag sein, dass man diese wilden Eigenschaften nur deswegen assoziiert, weil man durch die Film-Handlungen de Niros zu stark beeinflusst ist, der seine Rollen oft in Grenzbereichen spielt. Meinetwegen in Taxi Driver, Casino oder Goodfellas. Man traut ihnen, Christian Brückner sowohl als auch de Niro jeden Wahnsinn zu. Eine Spezialität scheint bei beiden auch eine hinterhältige Ironie, ein lustvvoller cooler Wortwitz bis hin zum Sarkasmus zu sein. Dem allerdings jederzeit Gewaltausbrüche folgen können. Beide drücken oft in ihren Rollen zweifellose Entschlossenheit, uneingeschränktes Selbstbewusstsein und irgendwie auch der Drang zu höheren Missionen aus. Wo Brückner draufsteht oder de Niro, da steht auch Boss oder harter Mann drauf. Zumindest im Film.

Unser Sprecher hier hatte einmal einen eher peinlichen Auftritt beim Zimmer frei! Klamauk. Das Peinliche war allerdings, dass er hier zu lockeren Witzchen hingerissen werden sollte, was aber permanent bei aller Anstrengung daneben ging. Man sieht da allerdings, dass er keineswegs das durchgedrehte Raubein ist, für den man ihn, allein per de-Niro-Stimme halten könnte.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (29.08.14)
Gerne gelesen, auch wenn ich von der Sprachsynchronisation in nicht-deutschsprachigen Filmen nur sehr wenig halte... Nicht dass ich ein großer Fremdsprachenkenner wäre, nein, ich finde es nur sehr oft sehr lieblos und schlampig "drübergeplappert", Authenzität und Atmossphäre gehen stark verloren. Mit Untertiteln kann man sehr gut leben. Finde ich.
toltten_plag (42)
(15.07.17)
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