Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 16. Juli 2015, 12:26
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Menschliches, fern der Menschen

von  Dieter_Rotmund


über Loin des hommes von David Oelhoffen, Frankreich 2014

Zwei Männer, die, so scheint es auf den ersten Blick, unterschiedlicher nicht sein können und doch mehr Gemeinsamkeiten haben als man zunächst vermutet. Beide sind, wer sie sind, sie können nicht anders. Beide sind ihre Verhältnisse verstrickt, beide sind Fatalisten, dem einen ist das sehr früh bewußt, dem anderen wird es erst während der Ereignisse klar. Für beide gibt es Schlüsselerlebnisse, an Ende konnte der eine dem anderen eine alternative Perspektive aufzeigen. Wie es für sie weitergeht, erfährt man nicht. Loin des hommes möchte man dennoch nicht den oft als Makel empfundenen "offenen Endes" zusprechen. Es ist eine Erzählung über die Passage dieser Gemeinschaft, die sich so sehr wandelt, wie es in 101 Minuten Film möglich ist. Dass diese Geschichte nicht auf dem Laptop eines kalifornischen Writers enstand und Epagogix-getestet ist, liegt an Albert Camus, der die Vorlage schrieb. Nämlich L'Hôte (Der Gast) aus der Novellensammlung L’Exil et le royaume (Das Exil und das Reich).
Über den Titel kann man trefflich sinnieren. Der englische Verliehtitel lautet Far from man. Sowohl Loin des hommes als auch Far from man könnte man (ohne auf Wohlklang zu achten) mit "Wenig Menschheit" oder “Fern der Menschheit" übersetzen. "Wenig Menschlichkeit" wäre ungeeignet, denn davon ist, wenn man ein aufmerksamer Beobachter ist, viel zu sehen. "Wenig Menschlichkeit" (bis gar keine) bietet die Gesellschaft, in der Loin des hommes stattfindet. Wahrscheinlich soll der Titel nur eine Anspielung auf den heimlichen dritten Hauptdarsteller sein, das nordafrikansiche Atlas-Gebirge. Dort leben nämlich sehr wenig Menschen. Dass diese wenige Menschen nichts besseres im Sinn haben, als sich gegenseitig umzubringen - das ist keine Überraschung und erfrischend ehrlich.
Ich konnte den Film "OmU", also im Original mit Untertiteln sehen. Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es überhaupt eine deutsche Synchronfassung gibt. Die Sprache, bzw. wer welche Sprache in welcher Weise mit welchen Worten spricht, ist essentiell für Loin des hommes. Ein deutsche Synchronfassung kann da nur eine überaus krüppelige Lösung sein, die viel kaputtmacht.
Zwar sehe ich nicht mehr so viele Filme wie früher, dennoch wäre Loin des hommes einer der Besten, wenn nicht der Beste, den ich 2015 gesehen haben werde. Der Begriff "Großes Kino" trifft auf Loin des hommes sicherlich zu.

Waldspackenwelt

über Winter's Bone von Debra Granik, USA 2010

Eine US-amerikanische Prekariatssiedlung, nur hellhäutige Bewohner, irgendwo im Wald, es ist Winter (ohne Schnee). Man pflanzt sich fort und Marihuana. Wer Chrystal Meth kocht, fliegt irgendwann in die Luft, kein Walter White, nirgends. Keiner macht etwas von Bedeutung. Die Gesellschaft ist streng patriachalisch, die Frauen fungieren als Türsteher, Handlanger und Nachrichtenüberbringer. Die Männer haben eine gewisse und geringe Bedeutung und dass nur, weil ihnen die Frauen in einer devoten Art Audienzen gewähren. Man hat nichts und ist nichts. Solidarität gibt es dennoch kaum. Man betont die geringsten Unterscheide und ab und zu wird die Hackordnung neu sortiert, mittels Gewalt.
So geht es fast den ganzen Film: Die Hauptfigur kommt zu einer weiteren verwahrlosten Behausung und wird von einer Frau abgewiesen. Wer will das in dieser Redundanz sehen? Es ist bestenfalls ein wenig melancholisch, mehr nicht. Was richtig stört, ist: Die Hauptdarstellerin, sie ist en echtes Ärgernis. Es ist Jennifer Lawrence, die zwei Jahre später eine ähnlich lahme, aber ungleich teurere Teenie-Film-Reihe beginnen wird. Da kommen übrigens ebenfalls Eichhörnchen vor, ist das nicht drollig? Sie gehört - auch ohne die Teenie-Film-Reihe - nach Winter's Bone wie ein Eaton-Schüler nach Köln-Chorweiler. Dazu wird sie in ihrer offenbar sehr oberflächlichen Berufs-Auffassung noch regelmäßig an die Wand gespielt, von Garret Dillahunt und Dale Dickey. Der Film, ein Paradebeispiel für mißlungene Besetzung der Hauptfigur.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

Graeculus (69)
(16.07.15)
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