Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Donnerstag, 12. Mai 2016, 10:02
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Zeit und Heilung

von  Dieter_Rotmund


über Blueberry von Jan Kounen, Frankreich/Mexiko/Großbritannien 2004

Gastkolumne von  AfD

Wenn ich einmal groß bin, also alt, also alles hinter mir habe, werde ich mir einen Peyote Kaktus kaufen, also Meskalin zu mir nehmen. Zurzeit fehlt mir der Mut, auch, weil ich weiß, dass dieser Rausch das Leben grundlegend verändern kann. Habe schon von Leuten gelesen, die nach einer Peyote Zeremonie das Saufen, das Rauchen aufgaben. Nun gut, vertreibe ich mir bis dahin die Zeit, Blueberry immer und immer wieder zu gucken.

Ein Western will er sein, dieser Film. Und wie es sich für einen solchen Film gehört, finden wir Indianer und deren Schätze, finden wir Bösewichte, die diesen Schatz bergen wollen, finden wir Bardamen, Huren und natürlich einen abgehalfterten Helden, Vincent Cassel!, der natürlich irgendwann von den Indianer gerettet wurde. Rache fehlt selbstredend auch nicht. So alt, so gut. Habe ich High Noon-Duelle, Revolver und den obligatorischen rollenden Präriebusch vergessen? Nun ja, es wird zwar geschossen, aber der wirkliche Kampf findet nicht physisch statt, genauso, wie der Indianer-Schatz kein Gold ist. Das Geschehen löst sich irgendwann in einem orgiastischen, visuellen Gewitter auf. Die körperliche Ebene wird verlassen und die Geisterwelt betreten. Die beiden Kontrahenten trinken den geheimen Kaktus-Trank und jagen sich durch eine Welt voller Unmöglichkeiten. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse wird von Bildern ausgefochten, die weit entfernt an die psychedelische Reise 2001 - A Space Odyssey erinnern. Aber, und das ist für einen Western ungewöhnlich, werden traumatisierende Erfahrungen und deren Heilung bearbeitet. Am Ende steht selbstverständlich eine symbolische Reinigung. Tja, und die Liebe. Es kann nicht schaden, vorher, ein paar Castaneda*-Bücher zwecks Reiseführung gelesen zu haben.

Ja, wenn ich alt bin werde ich wie Aldous Huxley über die Stadt blicken, mich am Faltenschlag eines Vorhangs erfreuen und mir am Tag meines Todes LSD verabreichen lassen. Bis dahin werde ich mit meiner Frau, die für ein Seminar Western schauen muss, eben dies tun, Western schauen. Blueberry fehlt natürlich in ihrer Liste.

*Carlos Castaneda, 1925-1998, US-amerikanischer Anthropologe und New-Age-Schriftsteller

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag

mannemvorne (58)
(12.05.16)
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 Dieter_Rotmund (13.05.16)
"Blueberry fehlt natürlich in ihrer Liste."

Nun ja, klar fehlt er, zu unbekannt und zu unkonvetionell für ein Seminar. Was wählte die Frau? John Ford? Otto Premingers River of No Return? Sam Peckinpah?
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