Film & Fußball

Eine cineastische Mannschafts-Kolumne


Die Kolumne des Teams " Film & Fußball"

Montag, 22. April 2019, 11:36
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Läuft

von  Dieter_Rotmund


Er läuft und läuft und läuft: Der japanische Film Shoplifters (Originaltitel Manbiki kazoku) ist schon seit Anfang Dezember letzten Jahres in diesen unseren Programmkinos landauf landab zu sehen und erfreut sich immer noch großer Beliebtheit. Das völlig zu Recht: Shoplifters ist ein ebenso vergnüglicher wie nachdenklich machender Film, kurzweilig und interessant. Er stellt die These auf, dass innerhalb einer Gruppe von Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts, die im demselben Haus wohnen, ebenso starke Verbindungen entstehen können wie in einer Familie. Dass diese These keine eindeutige Antwort hat und gewisse Schwierigkeiten entstehen können, muss man nicht explizit ergänzen. Diese Schwierigkeiten sind die richtige Würze des Werks. Der eigentliche Hit ist das Milieu, in dem Shoplifters spielt: Das japanische Prekariat! So etwas hat man noch nicht gesehen. Herrlich.
Überraschenderweise hält der ebenfalls aktuelle Programmkinofilm Capernaum (Originaltitel Capharnaüm, eine französisch-libanesisch-usamerikanische Koproduktion) einige Parallelen zu Shoplifters bereit, ein netter Zufall. Denn dort tritt libanesisches Prekariat auf. Und auch in Capernaumn steht die Familie auf dem Prüfstand. Und versagt. Die Filmemacher bleiben ganz dem Realismus verbunden: Prekariatspaare kennen nur die weitere, fortgeschrittene Vermehrung als scheinbaren Ausweg. Ältere Kinder verlieren schnell an Wert und werden dann einfach verkauft. Die Lamentos der Eltern klingen hohl, und seien sie auch noch so emotional vorgetragen. Von diesen Opfertypen will sich Hauptfigur Zain (Zain Al Rafeea) lösen. Das erinnert an einen Fall kürzlich in Indien, als ein Kind seine Eltern verklagte, es auf die Welt gebracht zu haben. Da muss man natürlich an Paul Celan denken. Das Thema ist also nicht neu, aber in Capernaum gut umgesetzt. Warum der Nebenhandlung mit einer Äthiopierin mit ihrem Kleinkind ohne Not und mit der Brechstange noch so eine Art Happy-End aufgezwungen wird, bleibt unverständlich. Ein kleines Ärgernis, das den positiven Gesamteindruck von Capernaum jedoch nicht schmälern kann. Auch doof: Der Zusatz zum Titel: "Stadt der Hoffnung" heisst es da - das ist Quark und auch, wie im Text des Filmverleihs zu lesen ist, dass es um Überbevölkerung gehen würde. Würde: Ja, es geht um Menschenwürde in Capernaum, dass die Geburt einem zum Menschen macht und ein Indentitätsausweis zur (juristischen) Person, das eine ist so wichtig wie das andere. Nun ja, aus dem Film heraus kann mich sich viele Gedanken machen, das spricht für ihn. Er ist fast so gut wie Shoplifters , wenn man die beiden vergleichen will.

Am nächsten Samstag werde ich voraussichtlich Alita: Battle Angel sehen, allerdings ohne Erwartungen. Aber das Kino ist schön!

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