Freund Tod?

Kurzprosa zum Thema Tod

von  Orion

"Ich habe Dich erwartet. Sei gegrüßt, mein Freund", flüsterte der alte Mann auf seinem Sterbebett, während er mühsam seinen mit Altersflecken übersäten, haarlosen Kopf in die Richtung des Ankömmlings zu drehen versuchte.
Der Besucher antwortete: "Du nennst mich einen Freund, alter Mann? Bedenke doch, ich bin gekommen um Dir anzutun, was nur Dein ärgster Feind Dir antun würde. Ich nehme Dir Dein Leben! Ich töte Dich, ich lösche all das aus, was Du einmal warst und Du nennst mich einen Freund? Das ist ebenso falsch wie töricht, alter Mann.
Denke, wer ich bin! Ich bin das absolute Ende ohne einen Neuanfang, ich bin der Zerstörer der größten Hoffnungen und der größten Liebe, ich bringe die tiefste Trauer und das finsterste Schwarz, denn ich bin der Tod. Sag, alter Mann, wie kann ich da auch nur Deiner oder irgendeines Menschen Freund sein?"
Der Kranke sagte: "Ach, sieh doch nur, in welchem Elend ich bin. Vor Jahren schon hat man meinen kranken, verfaulenden Leib in dieses Bett gelegt und erhält ihn seitdem am Leben.
Seit ich des Sprechens kaum noch fähig bin, spricht auch niemand mehr mit mir. Weil ich abscheulich krank und hässlich aussehe, sieht mich niemand mehr an. Die Lebenden haben mich gänzlich aus ihrem Leben verbannt."
Der alte Mann schloss die Augen. "Du bist mein Freund, Tod, denn wärest Du mein Feind, ließest Du mich so weiterleben."

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Kommentare zu diesem Text

Misanthrop (31)
(13.02.09)
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 Orion meinte dazu am 13.02.09:
Hallo Misa, das ist richtig. Zuzusehen wie ein nahestehender Mensch sich einen würdigen Tod wünscht und er doch zum Dahinsiechen verurteilt ist belastet sehr. Vielen Dank für Deine Empfehlung. Achim
managarm (57) antwortete darauf am 14.02.09:
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