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Text

von  RainerMScholz

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Bonk. Oder Borges, wie er, wie ich glaube, richtig heißt, ist Tanzmeister. Also: im Tanzen. Ausscheidungsgewinner (mit einer Frau, nehme ich an). Bonk ist der typische Schleimer. Bonk wird von allen verarscht, weil er so ein typischer Schleimer ist. Er bringt den Festies sogar Sechserpackungen Bier zur Nachtschicht mit, damit er nicht die schweren Arbeiten verrichten muss. Wenn wir, die wir arbeiten, die Thai machen müssen, ist er besonders beliebt, denn er muss da erstmal in die Kantine, um einen Kaffee zu besorgen, für die Festies, versteht sich. Da taucht er in einem meiner Seminare auf und tut so, als wären wir seit Jahren die besten Freunde. Da muss ich mir doch erst einmal ein Bier holen gehen und überlegen, ob ich nicht den Studiengang wechseln soll. Bonk ist natürlich jemand, der Karriere machen wird. Nachdem er sich zu seinem Schwulsein bekannt hat, oder es vielmehr nicht länger ableugnen konnte - vielleicht hat ihn auch seine Tanzpartnerin auf einem der Konteste darauf aufmerksam gemacht -, arbeitet er jetzt in der Gepäckermittlung der Lufthansa. Passt auch eher. Möglicherweise wird er dort ernstgenommen werden. Tanzpartnerinnen hat er da jedenfalls genug. Und Frauen arbeiten dort auch. Vielleicht ist es mir auch gänzlich gleichgültig. Bonk.
Obschon die komplette Sache hier durchaus homoerotische Züge trägt. Lauter Männer, alle schwitzen, ein richtiggehend unanständiger Hormonausstoß, der ständig in der Luft liegt, an jedem Griff kleben bleibt, ausgedunstet wird von unrasierten, am ganzen Körper behaarten Kerlen bei schummrigen Licht, oder gar keinem, mein Gott. Und sollte sich einmal eine Kollegin in diese Hallen verirren, läuft allen gleich der Sabber aus den Mundwinkeln, dass man meinen könnte, sie alle hätten noch nie zuvor eine Frau zu Gesicht bekommen oder hätten auf einer einsamen Insel gehaust oder in einem tunesischen Männerknast, interniert in einem dunklen Verließ. Gelegentlich startet die Personalabteilung ein Zivilisationsexperiment und schickt Frauen im Blaumann (Blaufrau) zur Schicht, tagsüber wohlgemerkt. Doch da muss es sich wohl um eine Art von Einstellungstest für die Kandidatinnen handeln, die bei bestandener Prüfung ohnehin an anderer Stelle eingesetzt werden, vielleicht als robuste Chefsekretärin oder so. Ich habe jedenfalls nie mit einer zusammengearbeitet. Die letzten Frauen gehen um dreiundzwanzig Uhr. Sprichwörtlich die letzten. Das scheint auch besser zu sein so. Da laufen dann die Tiere frei herum im Gehege und kacken überall hin, rohes Fleisch wird verzehrt und man feromont sich gegenseitig an. Bonk. Ozon-Bonk.

Ozonstadt

Hitze flimmert
zwischen Glas,
Beton, Asphalt;
Saharawind
fegt über die Stadt,
macht
die Gesichter grau.
Der Untergrund
fällt aus,
Motoren stottern,
der Fahrplan
brennt in aschiger Glut.
Flüsse aus Blei.
Das Wasser verkocht
auf schwerem Asphalt.
Schweiß glänzt
auf rotrosigen Fratzen,
rinnt zwischen
feuchtledrigglänzenden Brüsten hinab.
Blackoutgehirne
(in erotomanischem Fieber)
träumen 66 und 6
oder 6 1 6.
Die ersten
laufen Amok.
Sommer in der Stadt.

In den Schluchten
gärt,
brodelt der Moloch.
Sein Herz
pocht wild und schwer.
Synapsen
bleierner Hirne
schnappen über, und
- das Brüllen des Orkans
im heißen Leibe des Betons
brandet über die
schwarze versiegelte See.

Lass mich.
Oh, lass mich
meine Zunge
in dein heißes Tiefinnen schieben,
deine rosa Brüste
mit meiner
knochigen Hand
liebkosen.
Unterwasseratmen.

Das Leben ringt im Körper
und verliert.
Lepröses Keuchen hallt
von lebenden Marmorwänden wider
venös und kalt.
Den blauen Tod im Kopf,
über das rasende Pflaster fliegen.
Alkohol und Ozon.
Und schmieriger, stinkender Lohn der Angst.
Auf der Flucht verreckt
im letzten, mühsamen,
fleischfressenden Orgasmus.

Tief in dir drin:
Le petit mort!
(Du willst es doch auch,
hast immer es gewusst.)
Du willst –
ich, auch wenn -...
solltest du nicht?
Ich jedenfalls wusste es.
Fahle Gefühlswelten
in lichten Gruften.
Dann
der blaue Ozon,
der alles versengt.

Im Dunkel der Nacht
verrauchen die letzten Schleier
einer Supernova.
Betrunken falle ich
zurück in den Rausch
allertiefster Trauer:
...
der Morgen dämmert bereits.

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