Bumsen mit Oma

Kurzgeschichte

von  doppelÜ

„Hör auf zu feixen!“ fuhr mich Muttern wütend an, als Oma mit derangierter Frisur aber korrekt sitzendem Hüfthalter in die Küche getrabt kam und so tat, als könne sie kein Wässerchen trüben.“

 

Oma war ne klasse Frau.

Nicht nur, dass sie mit ihren strammen 76 Jahren noch ziemlich zackig zu Fuß war, nein, auch was so kopfmäßig bei ihr abging, passte damals Mitte der Siebziger nicht gerade in das Bild einer spießig konservativen Großmutter, die strickend im Ohrensessel saß und zur Blasmusik der „Original Egerländer Musikanten“ flötete. Mitnichten, sie verabscheute jegliche Art von Volksmusik und da mussten schon Musiker der Sorte Billy Haleys oder Elvis’ ran, um Omas Hüfthalter in Schwingungen zu bringen. Und selbst den konnte sie nicht ausstehen und hielt ihn aber angesichts der Tatsache, dass ihr Hintern gefälligst „nicht in den Kniekehlen zu schlackern“ hatte, rein optisch gesehen für eine leidige Notwendigkeit, die sie grummelnd in Kauf nahm und dies besonders dann, wenn sie zum Tanzcafe ging. „Schließlich will so ein Kerl beim flotten Foxtrott bittschön knackig grapschen“, wie sie schnippisch grinsend zu sagen pflegte.


Überhaupt hatte Oma es mit den Männern. Sie war der absoluten Meinung, dass sie ja deshalb nun nicht die vertrocknete Witwe geben musste, nur weil Opa meinte, längst vor ihr das Zeitliche segnen zu müssen. Man lebe ja schließlich nur ein Mal und genau das würde sie auch bis zum finalen Umkippen tun. Basta!


Dass Oma mit ihren Ansichten, mit ihrer Art Lebensweise, nicht unbedingt bei allen auf Gegenliebe stieß, besonders was die Leutchens ihres Jahrganges betraf, ging ihr ziemlich am miedereingepressten Hintern vorbei und es bereitete ihr geradezu diebische Freude, bei jeder sich bietenden Gelegenheit noch einen drauf zusetzen. Sicherlich war sie kein „loses Ding“, wie ihre schandmäuligen Altersgenossinnen hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln beliebten, wenn Oma keck das Tanzbein schwang, aber sie war eine selbstbewusste Frau mit Herz und Klappe und weigerte sich partout in den Zwängen irgendwelcher auferlegten Konventionen zu leben.


„Ich hab in diesem beschissenen Krieg fünf meiner Kinder verloren und selbst diesen verdammten Irrsinn überlebt und mir soll keiner kommen und mir was vom Leben erzählen!“, so ihre Einstellung, die wir Kinder und besonders ich sehr bewunderten


Nein, Oma war das Beste, was man in Sachen „Oma“ haben konnte.


Immer ein Lachen parat, immer Herzenswärme und Güte ausstrahlend und immer zu sich selbst und ihren Dingen stehend, von denen sie überzeugt war. Und es war nicht so, dass sie gar versuchte anderen ihre Sichtweise, ihre Meinung aufzudrücken, nein, leben und leben lassen war ihre Devise. Und, wer sie nicht so leben lassen wollte wie sie es für richtig hielt – und das, ohne andere damit zu belasten oder besser, zu beeinflussen, der könne sie mal getrost im Mondschein besuchen. Und das fand ich besonders klasse. Natürlich hatte Oma, mal ganz liebevoll gesagt, nen Knall – aber gerade das machte ihr unglaubliches Charisma aus. Egal ob wir mit ihr „Mensch ärgere dich nicht“ spielten, oder ob sie mal wieder im Clinch mit der Nachbarin gelegen hatte, weil sie laut Hausordnung die Treppe zum zigsten Mal zu putzen vergaß – der Schalk funkelte immer aus ihren grau-grünen Augen.

„Wer sich selbst zu ernst nimmt, sollte sich beim Kacken mal im Spiegel betrachten, da relativiert sich so einiges!“ Nun, Oma war nicht nur zuweilen recht derbe, sie war ebenso eine ausgesprochen kluge Frau.


Apropos „Ernst“ und um wieder auf das eigentliche Thema „Oma und die Kerle“ zurückzukommen, ich erinnere mich noch wie heute an den frühen Morgen im Jahre 1976, als Ernst mit zerzaustem Weißhaar und nur mit Omas Bettdecke bekleidet in unserer Küche stand und dabei war, für sie einen starken Kaffee zu brühen. Oma hatte Ernst, der sechs Jahre jünger und ebenso verwitwet war, am Abend zuvor im besagten Tanzcafe kennen gelernt – und abgeschleppt. Dass Oma in ihrem eigens für sie reservierten Zimmer im ersten Stock unseres damaligen Hauses machen konnte, was sie wollte war klar, wenn sie mal wieder für ein paar Tage zu Besuch kam – nur, Muttern hatte nun nicht damit gerechnet, dass Oma in ihrem Alter noch Herrenbesuch empfangen würde und schon gar nicht über Nacht.


Während ich feixend am Frühstückstisch saß und Herrn Ernst dabei beobachtete, wie er einerseits Haltung wahrend mit der Bettdecke ums bedecken seiner Dinge bemüht war und andererseits versuchte, Oma ein ansehnliches Kaffeegedeck für eine Dame ihres Standes hinzubekommen, knallte meiner Mutter angesichts dieses Szenarios die sprachlose Klappe aufs Dekolleté und was sie dennoch nicht davon abhielt, weniger sprachlos sondern lauthals nach Oma zu rufen, die gefälligst sofort runter zu kommen hatte.


„Hör auf zu feixen!“ fuhr sie mich wütend an, als Oma mit derangierter Frisur aber korrekt sitzendem Hüfthalter in die Küche getrabt kam und so tat, als könne sie kein Wässerchen trüben. Ernst leicht bedröppelt und ich schwer weiter feixend, saßen wir Jungs nun einträchtiger Weise nebeneinander auf der Küchenbank und amüsierten uns köstlichst über das Mutter-Tochter-Gekeife. Über Moral und Anstand und sowieso, immerhin sind Kinder im Haus und überhaupt, so geht das nicht und so weiter und so fort und wieder von Vorne und das darin gipfelte beziehungsweise damit endete, dass Oma lapidar meinte „…bumsen hält fit mein liebes Kind, täte dir auch mal wieder gut zu Gesichte stehen!“


Außer dem nach Luft schnappen Mutterns: Unheimliche Stille.


Die verdatterte Situation nutzend, schnappte sich Oma im schnappenden Gegenzug Ernst und verschwand ohne ein weiteres Wort mit ihm die Treppe hinauf zurück in ihr Zimmer. Dass sich Omma und Muttern zu späteren Zeiten vor Lachen ob des unanständigen Vorfalls oft nicht mehr eingekriegt haben, änderte nichts an der leidigen Tatsache, dass zwischen den beiden die ersten Tage danach erst mal Sense mit der Kommunikation war.


Nachdem Oma ihre Zimmertür mit einem lauten Knall ins Schloss hatte knallen lassen, blieben meine Mutter und ich zunächst schweigend in der Küche zurück.


Sie glotzte, ich glotzte, wir glotzten uns an. „…duhuu Mama, was ist denn bumsen?“


„…rrraus!!!“


Hatte ich erwähnt, dass ich Oma vergötterte?



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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (21.06.23, 13:16)
Herrliche Szenerie frisch beschrieben  :)  LG Uwe

 doppelÜ meinte dazu am 21.06.23 um 13:54:
Vielen lieben Dank, das freut mich und nen schönen Tag noch! :)
Muckelchen (70)
(21.06.23, 17:51)
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 doppelÜ antwortete darauf am 22.06.23 um 10:52:
Moin und lieben Dank! Freut mich, dass Omas Abenteuer dann doch gefallen haben - ein anderer Titel konnte gar nicht in Frage kommen. Schönen Tag und Grüße! :)

 Mondscheinsonate (22.06.23, 10:53)
Grandioser Text!

 doppelÜ schrieb daraufhin am 26.06.23 um 12:35:
Oh, das freut mich, vielen lieben Dank! :)
Teolein (70)
(22.06.23, 11:02)
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 doppelÜ äußerte darauf am 26.06.23 um 12:36:
Ohne den Titel geht's halt einfach nicht...   Vielen Dank!
Lena (60)
(02.07.23, 16:54)
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 doppelÜ ergänzte dazu am 22.07.23 um 16:28:
Vielen Dank! :)

 AngelWings (13.07.23, 11:20)
Bumsen so Wörter, was ja nicht Jugendfrei ist! 🤪

 doppelÜ meinte dazu am 22.07.23 um 16:28:
Ja, das ist schon skandalös! :D

 Beislschmidt (20.07.23, 20:37)
Schön geschrieben UU....
Ich lass dir noch ein verslein hier aus meinem Gedicht ...
Beislgrüße 
Und auf der Waschmaschine ungeniert
hat sie den Peter prompt verführt.
Das hat gequietscht, das hat gerummst –
so hat die Oma ihn gebumst.

:D

 doppelÜ meinte dazu am 22.07.23 um 16:29:
Herrlich, vielen Dank! :D
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