stuttgart-feuerbach

Prosagedicht

von  Redux

hier in der straßenbahn

in diesem mörderischen sommer

an diesem staubigen nachmittag

diesem samstag

nur schweiß und müdigkeit und trägheit

die frau mit den zwei kleinen kindern

den abgewetzten weißen schuhen

den einkaufstaschen vom lidl

und dem leeren blick auf ein i-phone

der sich ins nichts verliert

gerne würde ich die verschlossene pforte

in ihren augen einmal öffnen

und die treppen abwärts gehen

zu ihrer geschichte und ihrem herzen

und sie und uns erwecken

für einen kurzen augenblick

an diesem toten sommertag

in dieser stadt die nur aus baustellen

und grau- flirrenden verwaltungsgebäuden besteht

den hitzetraum zerplatzen lassen

aber die tür geht auf  und ich trete hinaus

um sie nie wieder zu sehen

in die laute leblose stadt hinein

mit den vertrocknenden rasenflächen

den dönerbuden

den stinkenden papierkörben

ohne treppen zu ihr

und auch

ein wenig

zu mir

 



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Kommentare zu diesem Text


 Saira (25.07.23, 19:11)
Hallo Herbert,
 
hier reflektierst du einen mörderisch heißen Samstag in der City beim Einkaufen. Im Mittelpunkt stehen für mich:
 

gerne würde ich die verschlossene pforte
in ihren augen einmal öffnen
und die treppen abwärts gehen
zu ihrer geschichte und ihrem herzen
und sie und uns erwecken

 


ohne treppen zu ihr
und auch
ein wenig
zu mir

 
Ich kann die bedrückende Atmosphäre beim Lesen beinahe spüren.
 
Liebe Grüße
Sigrun

Kommentar geändert am 25.07.2023 um 19:11 Uhr

 Redux meinte dazu am 26.07.23 um 15:36:
Vielen Dank Sigrun, manchmal sind Städte nicht nr an trüben Novembertagen traurig, sondern auch an heißen Tagen im Hochsommer.
Liebe Grüße
Herbert

 IngeWrobel (06.08.23, 16:51)
Dieser Kessel Stuttgart ist bei Hitze die Vorstufe zur Hölle. 
Vor Jahren habe ich einen Traumjob mit besten Konditionen nicht angenommen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, zukünftig in dieser Atmosphäre arbeiten zu müssen. 
Die Weinberge drumherum täuschen: Weichzeichner der Romantik. Aber wenn du im Kessel stehst, fürchtest du, zu ersticken. 
Ein sehr authentisches Gedicht von Dir; für mich auch in der Tristesse gut mitfühlbar. 
Danke für den Blick in meine Vergangenheit! 
Liebe Grüße 
Inge

 tulpenrot (25.09.23, 04:59)
Zufällig las ich den Text eben noch einmal - ich würde ihn wieder empfehlen. Ich mag diese "unfertigen" Texte, die andeuten, die den Augenblick festhalten und nichts weiter wollen als das und dadurch viel Raum lassen für  ein Weiterdenken. Und Erinnern - mir erging es sehr ähnlich wie Inge - und ein Mitleiden mit den Menschen, die in dieser Stadt leben und arbeiten müssen.
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