Episode 1: Don't dead, open outside

Anekdote zum Thema Arbeit und Beruf

von  volpe

Den Laden zu öffnen ist jeden Tag aufs Neue ein Kampf. Da hat man eh schon keine Lust und dann machen die wartenden Zombies einem das Leben auch noch unnötig schwer.

Unser Laden hat eine große Glasfront, bei der alle Scheiben einzeln über eine Schiene zur Seite geschoben werden müssen. Es gibt also einen festen Laufweg, wo die Scheiben unweigerlich durchmüssen. Kein Spielraum, um egoistischen Menschen auszuweichen. Und dies ist der Moment, wo sich der Eingangsbereich des Ladens regelmäßig in eine Kriegsfront verwandelt.

Samstag. Stimmung erstaunlich gut, Motivation niedrig. Könnte jetzt auch schon im wohlverdienten Wochenende sein, wenn ich eine bessere Berufswahl getroffen hätte.

5 Minuten vor Ladenöffnung begebe ich mich mit meinem Lieblingskollegen und dem Ladenschlüssel bewaffnet nach vorne. Erster Blick um die Lage auszukundschaften: Draußen warten unsere neue Aushilfe, die den Hintereingang noch nicht kennt, sowie zwei Kunden.

Schieben die erste Scheibe zur Seite und winken die Aushilfe durch den sehr schmalen Spalt, damit sie pünktlich zu Arbeitsbeginn an der Kasse stehen kann. Wittere Konfliktpotential, lächele vorbeugend die wartenden Kunden an und erkläre mit entschuldigendem Tonfall "Eine Mitarbeiterin." Schiebe die nächste Scheibe zur Seite und merke, wie einer der Kunden plötzlich unangenehm nahe kommt. "Entschuldigung, würden Sie bitte einen Schritt zurücktreten?" "Ja freilich" erwidert er... und bewegt sich keinen Millimeter. Schiebe die Scheibe weiter und stelle mich vor ihn. Eigentlich wäre jetzt normalerweise der Punkt, ab dem ich aus dem Geschäft treten und die restlichen Scheiben mit mehr Bewegungsfreiraum schieben könnte anstatt mich krebsartig seitwärts zu bewegen, aber er steht im Weg.
"Ja würden Sie dann bitte zurücktreten?" Guckt mich an und versucht sich mit seinem massigen Bauch an mir vorbeizudrängen. Nur nicht aufregen. "Entschuldigung?! Warten Sie bitte bis ganz offen ist und treten Sie etwas zurück, zu Ihrer eigenen Sicherheit." Die zweite wartende Kundin entpuppt sich als ihm zugehörig und unternimmt einen halbherzigen Versuch, ihn zurückzurufen. Kurz bewegt er sich ein Stückchen und als er sich dreht sehe ich, dass er ein Hörgerät trägt. Vielleicht hat er mich ja zuvor einfach nicht verstanden und nun wird alles gut.

Eine weitere Scheibe. Ohne Unterbrechung wären wir schon viel weiter. Plötzlich zwängt er sich erneut und diesmal erfolgreich zwischen den Scheiben hindurch. "Entschuldigung?!?! Sie müssen bitte warten bis ganz geöffnet ist." "Ich hab keine Zeit!", schnauft er. Ungläubig werfe ich einen Blick auf mein Tablet. 9.57Uhr. "Wir öffnen um 10, wenn Sie sich bitte noch kurz..." Er stapft davon ins Ladeninnere. What. The. Fuck. Zumindest seine Begleitung wartet scheinbar geduldig. Bis auch sie zwei Scheiben später ins Geschäft stürmt. Spotte mit meinem Kollegen kurz darüber, dass aktuell eh noch niemand auf der Fläche ist, um die beiden zu bedienen. Ab dann keine weiteren Vorkommnisse, aber Laune im Keller. Wird bestimmt ein toller Tag.

Über 30 Minuten später sind die beiden übrigens immernoch bei den Wanderkarten zugange. War vielleicht doch nicht so eilig.


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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (05.08.23, 21:03)
Was mir als Azubi in Probezeit so gut gefiel, dass auch teils Schwerstbehinderte ein Buch kaufen. Sich dazu angemessen zu verhalten, fand ich interessant. Kunden-Beratungen liebte ich sehr und freue mich immer als Kunde, wenn das jemand genauso pflegt.

Gut erzählt. Das Fluchen würde ich umformulieren in "What the ... ." Sonst fühlt sich Dein Leser beim Lesen beschimpft.

 Dieter_Rotmund (06.08.23, 09:33)
Ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass es um verschiebare Glastüren geht. Bis dahin denkt man an öffenbare Schaufenster, die ja auch ein "große Glasfront" darstellen können, aber öffenbare Schaufenster gibt es meines Wissens nicht.
Der Text ist diesbezüglich sehr missverständlich, ansonsten gerne gelesen.

 volpe meinte dazu am 06.08.23 um 12:13:
Oh, tut mir leid. Ja, es handelt sich um einzelne Glaspanele, die im geschlossenen Zustand eine große Glasfront bilden.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 06.08.23 um 14:11:
Das musst du schreiben, die Leser können nicht in deinen Kopf hineinsehen!
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