Leuvenhook steckt in der Scheiße

Geschichte zum Thema Abenteuer

von  Elisabeth

Dieser Text ist Teil der Serie  Leuvenhooks Abenteuer im Sonsyst

Die Nachricht, daß die Dragon auf ihrem Weg von Venus zurück nach Terra Ihre Gnaden, die Großfürstin Sophia Louise von Nettelsbach zu Hohenstaufen, ihres Zeichens Protokollattaché im persönlichen Stab der kaiserlichen Schwester, als Passagierin an Bord nehmen würde, erfreute Leuvenhook. Endlich würde er Gelegenheit haben, in seinem Amt als Verbindungsoffizier einmal zeigen zu dürfen, was er tatsächlich konnte.

Die letzten Tage des Fluges zur Venus verbrachte der zumeist fröhlich vor sich hin pfeifende CPO daher mit den Planungen der Unterbringung Ihrer Gnaden, die angesichts des beschränkten Platzes an Bord der Dragon mit Quartierumbelegungen und -räumungen verbunden waren, sowie einigen Vorschlägen zur Speisenfolge in den Tagen des Rückfluges nach Terra.

Der Cheffunker war von der Ankündigung des hohen Besuches völlig unbeeindruckt, der Kapitän war - ob der Tatsache, daß bei ihm durch den anstehenden Passagier nun Offiziere einquartiert werden sollten - eher ungnädig gestimmt. Während der Rest der Mannschaft eine eher indifferente Haltung hatte, teilte allein der Schiffskoch Leuvenhooks Begeisterung, da nun auch er endlich einmal zeigen konnte, wozu eine vierjährige Ausbildung zur Speisenbereitung an Bord eines Kurierschiffes gut war.

*



Als Leuvenhook Ihre Gnaden auf VenusOrsta begrüßte, um sie an Bord zu geleiten, wurden seine kühnsten Hoffnungen noch übertroffen. Ihre Gnaden war sehr freundlich, ja geradezu umgänglich und ließ sich sogar zu einem Plausch mit Leuvenhook herab, als beide die Abfertigung des Gepäcks Ihrer Gnaden beaufsichtigten. Es stellte sich heraus, daß die Großfürstin einige Veranstaltungen bei dem selben Großmeister des Hofzeremoniells besucht hatte, den Leuvenhook während seines Studiums in Maastricht gehört hatte und über das Fachsimpeln und die Erörterungen einiger fragwürdiger Neuerungen, die beim Umgang junger Leute miteinander zunehmend an Boden gewannen, verging die Zeit wie im Flug.

Als Leuvenhook die Großfürstin in ihre Kabine geleitete und ihr die Räumlichkeiten zeigte, war es daher selbstverständlich, ihr in aller Form seine Dienste anzubieten und zuzusichern, daß sie jederzeit über ihn verfügen dürfe.

Die Großfürstin nickte huldvoll und entließ Leuvenhook, damit dieser sich den ebenfalls an Bord gebrachten, für Terra und Luna bestimmten Postsendungen widmen konnte.

*



Der Aufenthalt Ihrer Gnaden an Bord der RSS Dragon verlief so angenehm, wie sie selbst es war und sogar der Kapitän verzieh ihr, durch sie in seinen eigenen Räumlichkeiten beschränkt zu werden.

Und eines Nachmittags stand die Großfürstin in der Tür der Postbox und fragte Leuvenhook, ob sie seine Dienste nach Dienstschluß in Anspruch nehmen dürfe. Natürlich durfte sie und ein freudig erregter Leuvenhook begab sich am Abend jenes Tages zur Großfürstin.

Visionen galanter Abenteuer spukten dabei nicht durch Leuvenhooks Kopf, obwohl es sich bei diesem Protokollattaché um eine sehr attraktive knapp 30-jährige rothaarige Schönheit handelte. Tatsächlich freute er sich einfach darauf, wie ein Ritter in alten Tagen seiner Dame tatsächlich zu Diensten sein zu können.

Unbewegter Miene hörte Leuvenhook sich dann das Problem seiner Dame an.

"Mein guter Leuvenhook, es ist mir gar nicht leicht gefallen, Sie mit meinem Problem zu behelligen, jedoch waren Sie so freundlich, mir Ihre Dienste anzubieten und da ich der Hilfe bedarf, bin ich nun so frei, Ihr Angebot anzunehmen. Nun, wie soll ich sagen... bei der Morgentoilette ist mir mein Siegelring in die... Toilette gerutscht. Ich zögerte einen Moment DA hineinzugreifen, um ihn herauszufischen und schon wurde er durch den Mechanismus in den Abfluß gesaugt.

Auch wenn es sicher viel verlangt ist, möchte ich Sie bitten, mir wieder zu meinem Eigentum zu verhelfen."

Leuvenhook schwieg einen Moment. "Haben Sie den Ring in der Leitung noch klingeln gehört, Euer Gnaden", fragte er dann.

"Äh...", begann die Großfürstin ratlos und verstummte.

"Soweit ich weiß", begann Leuvenhook zu erklären, "sind die meisten Abflußleitungen an Bord von Raumschiffen gerade zu diesem Zwecke mit Rückhaltesieben oder ähnlichem versehen. Zumindest an Bord der Prinses van Oranje war das so gewesen."

"Nun, ich fürchte, das müssen Sie irgendwie in Erfahrung bringen. Ich habe zumindest nichts klingeln gehört."

Leuvenhook versprach, den Ring wiederzufinden und suchte den Hiseq-Meister der Dragon auf, um ihn nach der Ausstattung der Abflußrohre zu fragen.

*



Die enttäuschende Antwort war, daß die Art der Rückhaltesysteme, wie sie die baulich sehr viel jüngere Prinses van Oranje aufwies, an Bord der Dragon nicht serienmäßig in jeden Klosettabfluß eingebaut war. Tatsächlich war nur das Kapitänsklosett und das Brückenklosett mit einem Sieb ausgestattet, um das Verschwinden wichtiger Schlüssel zu verhindern.

"Lassen Sie sich von der Großherzogin sagen, welches Klosett sie benutzt hat, dann zeige ich ihnen den dazugehörenden Syphon, manchmal fangen sich schwere Gegenstände dort", ermutigte Müller-Neumann seinen Mannschaftskollegen. Aber tatsächlich fand sich im Syphon nur ein silberner Westenknopf.

"Tja, dann bleibt nur, die Auffangschale des Fabsab durchzusuchen, fürchte ich. Keine angenehme Aufgabe leider."

Leuvenhook ließ sich von Müller-Neumann erklären, wie die Auffangschale des Feuchtabfallsammelbehälters zu entsiegeln und zu öffnen war, dann wartete er, bis der Hiseq-Mann den Versorgungsraum im Unterdeck verlassen hatte und drehte den Schalter des Fabsab. Das leise Stampfen und Gluggern im Innern des großen gelben Kastens verstummte und eine Kontrollleuchte des Gerätes schaltete auf rot. Als es in einer der Zuleitungen rauschte, sprang die Nadel der Zufluß-Druckanzeige in den roten Bereich und eine zweite Warnleuchte schaltete sich an.

Leuvenhook faßte sich ein Herz, hielt die Luft an und legte den Druckverschluß der Auffangschale um. Ein scharfes Zischen zeigte an, daß nun Gas aus dem Fabsab in den Versorgungsraum entwich und die gelbe Warnlampe an der Decke des Raumes sprang nach kurzer Verzögerung an und begann zu rotieren.

'Nun aber schnell', dachte Leuvenhook bei sich, der trotz angehaltenen Atems und geschlossenem Mund den Gestank der Fäkalien und Lebensmittelabfälle, die sich auf der bisherigen Reise im Bauch des Fabsab gesammelt hatten, fast körperlich auf der Zunge spürte. Er zog die Auffangschale mit ihrem blubbernden Inhalt auf.

Müller-Neumann hatte ihm freundlicherweise Gummihandschuhe geborgt, so daß Leuvenhook nun beherzt in die Scheiße griff. Der Goldring mußte ja bis auf den Boden gerutscht sein, also tastete er ihn ab. Schon nach zwei Versuchen stieß er auf einen unnachgiebigen kleinen Gegenstand, der sich bei näherem Nachforschen als ringförmig herausstellte. Aus dem Kot geborgen sah Leuvenhook, daß es tatsächlich der Siegelring der Großfürstin war und er stellte außerdem fest, daß er den Ärmel seines Hemdes nicht hoch genug gekrempelt hatte. Immerhin war ihm die Soße nicht in den Handschuh gelaufen.

Schnell schob Leuvenhook die Schale mit der unbefleckten Hand wieder zu und sicherte den Druckverschluß wieder. Die Warnlampe an der Decke des Versorgungsraumes rotierte allerdings auch noch, nachdem der CPO den Fabsab wieder in Betrieb genommen hatte und sämtliche Kontrollsysteme des Gerätes wieder Normalität zusicherten.

Zurück in der Hiseq-Kabine wurde der Ring gründlich gereinigt und Leuvenhook stellte fest, daß auch seine Hosenbeine bespritzt worden waren. Also zog er sich um, bevor er der Dame ihr Kleinod zurückbrachte.

*



Überraschenderweise war die Großfürstin über alle Erwartung hinaus dankbar, so daß Leuvenhook erst sehr spät wieder in seine Kabine zurückkehrte.

* * *




Anmerkung von Elisabeth:

Diese Geschichte habe ich 2003 geschrieben.

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