andi(e)stirnschlag

Kleinlichkeiten


Eine archivierte Kolumne von  AndreasG

Donnerstag, 14. Januar 2010, 12:34
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Langweiliges über Objektivität

Objektiv betrachtet, wird in unserer Gesellschaft gerne mit Schlagwörtern gearbeitet. In Diskussionen, am Stammtisch, bei Wahlveranstaltungen, in den Medien und im ganz normalen Alltag, überall schwirrt es von Begriffen, von denen die Benutzer und Zuhörer der festen Ansicht sind, dass sie von allen anderen genau so verstanden werden, wie von ihnen selbst.
Das ist selbstverständlich ein bekanntes Phänomen, das nicht wert ist besprochen zu werden. Falsche Benutzung von Wörtern, Fehlinterpretationen und sehr perspektivisch geprägtes Verstehen gehören einfach zum Hobbysport Sprache, wie es an anderen Stellen des Sports Hürden, Wassergräben, Schlaglöcher und Ölspuren sind.
Allerdings gibt es im organisiertem Sport den Wettkampf, der nach (mehr oder weniger) klaren Regeln diejenigen als Sieger kürt, die am Ende die besten Zeiten oder die größten Höhen erreicht haben. Im Hobbybereich gibt es das nur im kleinen Maßstab und von klaren Regeln kann keine Rede sein.
Und: die Einschätzung versucht sich oft nicht einmal an objektivierten Vergleichen, sondern stellt das Subjektive in den Vordergrund; oft sogar sehr bewusst. Da wird gelaufen um fit zu bleiben oder abzunehmen, da geht es um die Freude an der Bewegung, um das schöne Gefühl abgekämpft zu sein oder um den Spaß. Niemand würde behaupten, dass sich hier etwas bei zwei Menschen messen oder vergleichen ließe.
Nur bei der Hobbysportart Sprache sieht das anders aus. So mag manchem noch bewusst sein, dass das Gegenüber ein Schlagwort nicht oder anders verstehen könnte, aber dass sich da auch ein subjektives Verständnis finden könnte, wird fast immer ausgeblendet. Die Subjektivität wird oft sogar geleugnet oder in einen Topf mit der Begriffsdefinition geworfen.
Haben nicht Begriffe wie Intelligenz, Liebe, Wahrheit, konstruktive Kritik, Beleidigung, Fähigkeit und Erfolg – um nur ein paar Beispiele herauszugreifen – klare Inhalte?

Intelligent ist jemand, wenn er/sie pfiffig, lernfähig, aufmerksam, analytisch und/oder nachdenkend ist. Die Definition kann sehr von der Situation abhängen und manchmal mit den nachkommenden Begriffen verwachsen. So haben etwa “intelligenter Bursche“ und “künstliche Intelligenz“ ihre eigene Verständnishoheit.
Doch gleichzeitig ist auch das Empfinden für diesen Begriff zu beachten, das nicht eine Wertung in sich trägt (manch einer mag ja die “Intelligenten“ verabscheuen oder in den Himmel heben). Was zählt jemand zur Intelligenz? Wie wird sie wahrgenommen? Was gehört zum Gesamtpaket? – Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und somit kann mein Nachbar jemanden für intelligent halten, dem ich allerhöchstens das Prädikat “gewissenlos“ geben würde. So kann auch das gleiche Verhalten von intelligent bis dumm gelten, je nachdem, wer es macht. Eigenes Handeln mag dann, zum Beispiel, durchdacht, logisch und intelligent wirken, während das gleiche Handeln eines anderen Menschen …

Das ließe sich jetzt an den anderen Begriffen weiter führen, aber im Grunde wäre es nur ein Herumrühren in der Suppe. Es ist ja jedem klar, dass die Menschen unterschiedlich an Liebe, Wahrheit, Kritik und Beleidigungen (u.a.) herangehen.
Objektiv betrachtet ist es jedem klar. Nur herrscht ansonsten die subjektive Perspektive des eigenen Nabels. So werden aus Schlagwörtern Totschlagwörter.

Warum ich mir gerade heute Gedanken zu so einem drögen Thema mache?
Nun … was steht so gerne unter den Texten von kV? – „Das ist doch keine Liebe“, „wahre Liebe sieht anders aus“, „Das ist keine konstruktive Kritik“, „Besonders intelligent ist der Text aber nicht“, „Was, Du beleidigst mich? Du …“, „Damit könntest Du viel Erfolg haben.“, „Dir fehlt offenbar die Fähigkeit …“, „Wenn Du die echte Liebe gefunden hast, wirst Du anders reden …“ und so weiter und so fort. Manchmal wünschte ich mir, dass die Menschen die Umlaufbahn um den eigenen Nabel verlassen könnten. Zum Mond haben sie es doch auch geschafft.



Andreas Gahmann

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Bergmann (14.01.10)
Ich stimme Koka zu (abgesehen von den Bemerkungen zur Authentizität).
"Politisch korrekte" Bemerkungen sind eine die Realität und Aufklärung verfehlende dumme Mode und m. E. auch untauglich in allen sozialpädagogischen Aspekten.

Die Behauptung, die Mondlandung 1969 habe nicht stattgefunden, gehört ebenso zu den unsinnigen Moden unserer Zeit.

In der Tat: Konstruktiv ist grundsätzlich JEDE Kritik, auch die unbegründete. Es liegt IMMER am Kritisierten, Kritik für sich nutzbar zu machen.

Und, wie schon Lessing sagte: Der Kritiker, dem eine Suppe nicht schmeckt, muss sie selbst nicht besser kochen können.

Von daher ist die Erwartung oder gar Forderung von KV-Usern, die Kritik MÜSSE zur moralischen Erbauung des Autors beitragen und konkrete Wege aufzeigen, wie der Text zu bessern wäre, völlig abstrus.
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