KLICKS UND CLIQUEN

Synthesen + Analysen in der Matrix


Eine Kolumne von  Bergmann

Sonntag, 10. Juli 2011, 20:51
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Kosmischer Schnipsel

257. Kolumne

Bloch habe ich in einem Tübinger Philosophieseminar 1968 über Thomas Münzer erlebt (das war sein Thema und seine didaktische Intention an der Uni überhaupt). Aber die damaligen politischen Aufgeregtheiten, so berechtigt sie waren, verzerrten Lehre, Lehrer und Lernende derart, dass alles zerriss. Der alternde Bloch war als Lehrer zu schwach und zu eitel, und darunter litt nicht nur die Wissenschaft (Bloch war sowieso lieber Bekenner), sondern auch die Überzeugungskraft seiner allzu liebedienerischen ideologischen Revolutionsreligion, - aber vielleicht diente dieses Gedankengestrüpp vielen seiner Jünger immerhin noch als hermeneutisches Übungsfeld und als Lebensersatz. Sein Versuch christliche Religion und Marxismus zu versöhnen kam ohnehin zu spät, und pragmatischere Varianten, ich denke an Sacharows Konvergenztheorie, wohl auch, wie wir heute klarer als damals sehen können.
Ich glaube nicht viel.
Auch der Glaube an mich selbst ist nicht allzu groß.
Es ist auch gar nicht zynisch, wenn ich sage, an einen guten Espresso kann ich noch am leichtesten glauben. Ich weiß, das genügt politisch nicht. Aber ich kann keine Ideologie glauben, vielleicht nur meine kleine Weltanschauung und das, was ich als Schriftsteller und als Lehrer sagen muss und sollte, und darüber hinaus mein Bekenntnis zum Leben, ohne dabei zu übersehen, dass wir alle verdammt viel (genetisch, gesellschaftlich, historisch) Glück haben müssen, wenn wir einigermaßen gut und gern leben wollen.
Eine andere Erinnerung an Bloch: Als ich in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als studentische Hilfskraft im Referat Germanistik/Philosophie/Religion bei Dr. Treue arbeitete, hatte ich eine Statistik über die Anträge auf Forschungsvorhaben, Fortsetzungsanträge und Berichterstattungen anzufertigen. Manche Professoren schickten mehrere Seiten, die sie schreiben ließen, mit akribischer Rechtfertigung, oft geriet das zu einer Suada der Wichtigtuerei. Bloch schickte Ansichtskarten aus aller Welt, auch aus dem Urlaub: Locarno 8. Juli 1972. Bericht zu 'Luther-Bauern'. Mein lieber Treue, mein Vorhaben wächst und wächst und wächst mir über den Kopf. Aber das ist ein gutes Zeichen. Wenn Sie mir ein weiteres Jahr geben, wird alles gut. Sagen Sie das der Wissenschafts-Bürokratie in der Sprache, die ich nicht beherrsche. - Der Blick von Costa über Intragna zum Lago ist incredibile. Ich danke Ihnen, Ihr Bloch.

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Kommentare zu diesem Kolumnenbeitrag


 Dieter_Rotmund (08.07.11)
"Bloch habe ich in einem Tübinger Philosophieseminar 1968 über Thomas Münzer erlebt" - der Satz enthält doch, wie ich meine, etwas Personenkult, schon dadurch, dass der eine nur mit Nachnamen, der andere vollständig genannt wird, zudem ist da noch das "erlebt".
Nunja, warum sollte sich Bergmann auch nicht als Bloch-Jünger outen?
Der Rest der Kolumne hat mir gut gefallen...

 loslosch (08.07.11)
... auch der glaube an mich selbst ist nicht allzu groß ... als parodie: ich ringe mit den gedanken, die müdigkeit beschleicht mich. nach einem guten espresso glaub ich wieder an mich. :)

sonst zustimmung. bloch ein harmloser, gutmütigr weltverbesserer. lothar

 Bergmann (10.07.11)
Ich war nie Bloch-Jünger. Meine Distanz zu Bloch, der durchaus Wesentliches leistete, geht aus dem kleinen Text deutlich hervor, oodrr.

Eine andere Erinnerung an Bloch: Als ich in der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) als studentische Hilfskraft im Referat Germanistik/Philosophie/Religion bei Dr. Treue arbeitete, hatte ich eine Statistik über die Anträge auf Forschungsvorhaben, Fortsetzungsanträge und Berichterstattungen anzufertigen. Manche Professoren schickten mehrere Seiten, die sie schreiben ließen, mit akribischer Rechtfertigung, oft geriet das zu einer Suada der Wichtigtuerei. Bloch schickte Ansichtskarten aus aller Welt, auch aus dem Urlaub: Locarno 8. Juli 1972. Bericht zu 'Luther-Bauern'. Mein lieber Treue, mein Vorhaben wächst und wächst und wächst mir über den Kopf. Aber das ist ein gutes Zeichen. Wenn Sie mir ein weiteres Jahr geben, wird alles gut. Sagen Sie das der Wissenschafts-Bürokratie in der Sprache, die ich nicht beherrsche. - Der Blick von Costa über Intragna zum Lago ist incredibile. Ich danke Ihnen, Ihr Bloch.

Ich füge das oben noch ein.

 loslosch (10.07.11)
Bloch mit dem Instinkt fürs Geschäftliche. Die Leute wollen mich, also sollen sie mich kriegen. Heidegger konnte das auch. Sehr interessant. lo
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