keinEinhorn

keinEskapismus, keinRosa, keineLiebe.


Die Kolumne des Teams " keinEinhorn"

Mittwoch, 03. April 2019, 11:49
(bisher 305x aufgerufen)

Kein gutes Pferd

von  Judas


Ich denke, es ist nur fair, in einer Kolumne die betont, dass es hier keine Einhörner gibt, auch mal explizit über Einhörner zu schreiben. Als Ethnologe mit kryptozoologischem Hintergrund und Vertiefung in Kulturanthropologie mit Fokus auf Erzählforschung* weiß ich nämlich: die wenigstens Leute wissen doch eigentlich so richtig über Einhörner Bescheid.

Ich höre einige jetzt schon Americas bekanntesten Song singen (die Band, nicht der Kontinent): I'm aliveeee, I'm aliveeee! Einhörner: mystisch, edel, weiße Rösser mit Horn, Elfen reiten drauf, sind magisch begabt, ihre Tränen heilen alle Wunden und ihr Horn Impotenz oder so.
Historisch betrachtet ist die Vorstellung vom Einhorn vermutlich durch Erzählungen Handelsreisender aus Afrika über Nashörner entstanden. Sagen zumindest die Historiker. Andere Historiker sagen was anderes, nämlich dass Wikinger Hörner des Narwals verkauft haben und für dieses Mitteleuropäerpack klangen Pferde mit Hörner einfach wahrscheinlicher als die Existenz von Fischen mit Horn, die nicht mal Fische sind sondern Säuger und irgendwo im Eismeer schwimmen.

Aber gucken wir uns das echte Einhorn – also nicht das vom Kissenbedruck zehnjähriger Pferdemädchen – doch mal genauer an. Ein Horn hat's ja. Aber auch gespaltene Hufe, einen Ziegenbart und der Schwanz erinnert auch eher an Zebra oder Esel als an Pferd. Und diese kleinen Machos lassen sich natürlich nur von Jungfrauen antatschen. Jetzt erinnern doch gerade im christlich-mythologischen Kontext gespaltene Hufe und Zickenbart eher an den ollen Beelzebub als an irgendein reines, heiliges Wesen. Ergibt auch irgendwie mehr Sinn dann, dass diverse Ritter Einhörner erschlagen und nicht geritten haben. 'türlich auch des Hornes wegen. Potenz und so. (am Ende ist's immer der Potenz wegen, ist das schon mal wem aufgefallen? Können auch die Nashörner ein trauriges Lied von singen.)
Mir erscheint's ohnehin logischer, dass auch Einhörner eher durchtrieben sind als edel. Ich meine die haben das Horn ja nicht nur zur Dekoration. Und diesen Jungfernfaible kennt man auch eher vom fiesen Volk: Drachen, Vampire, finstere Nekromanten, Hexen die einen ewige-Jugend-Trank brauen müssen und so weiter.
Sowieso kommen Pferde in der Mythologie und im Volksglauben gar nicht mal so gut weg. Okay – außer Pegasus. Der war ein Guter. Aber sonst? Die griechischen/römischen Zentauren, halb Pferd, halb Mensch, sind Wilde. Und zwar so wild und so böse, dass man betonen muss, dass der Zentaure namens Chiron die Ausnahme war, weil nett und weise. Norwegen kennt den fiesen Nøkk, der sich in einen weißen Hengst verwandelt und dann arme Trottel in Tümpel lockt und ertränkt. Ähnlich hält's der irische Kelpi, ebenfalls in Pferdegestalt unterwegs. Und der Nachtmahr, der personifizierte Alptraum, hat nicht von ungefähr das Wort „Mahr“ beziehungs „Mähre“ im Namen – ein abwertender Begriff für ein schmuddeliges, altes Pferd (Ausflug in die Sprachgeschichte: kommt von mittelhochdeutsch marc[h], althochdeutsch marah = Pferd). Und schon mal was vom Nuckelavee gehört? Vermutlich nicht, aber ihr werdet's erraten haben – ein fieses Pferd aus dem schottischen Volksglauben. Er ist verantwortlich für Dürren, Epedemien, die Pest und ich empfehle, seinen Namen nicht bei Google Bilder einzugeben, denn er ist wirklich nicht sehr hübsch (sagt dann nicht, ich habe euch nicht gewarnt).

Also. Ich wusste ja schon immer, dass Pferde böse sind. Die gucken zwar immer so freundlich auf dem Cover der Wendy, aber schau denen doch mal tief in die Augen und du wirst sehen: es plant auch, dich irgendwie in einen Tümpel zu locken und zu ertränken. Und ausgerechnet das Einhorn soll nun die Ausnahme sein? Nee. Glaub ich nicht. Außerdem haben wir ja schon die Ausnahme, die die Regel bestätigt: der erwähnte Pegasus, Bellerophons treues Ross. Auch die Walküren ritten ganz gerne auf fliegenden Pferden. Zugegeben: Odins Ross Sleipnir mit den vielen Beinen ist bestimmt auch nicht böse per sé aber tätscheln will ich das Vieh dann auch nicht. Zumal die nordischen Götter und ihr Gezücht jetzt nicht gerade für ihren Sanftmut bekannt sind.

Zum Abschluss noch eine Sache in persönlichem Interesse: ja, es heißt Volksglaube im Fachjargon. Nicht Aberglaube. Letztes ist nämlich negativ belegt. Also ein abwertender Begriff. So. Ham 'wer wieder was gelernt.


* klingt das nicht alles super fancy? Ganz simpel formuliert: ich hab 'nen Master in Märchen.

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Kommentare zu diesem Teamkolumnenbeitrag


 drmdswrt (03.04.19)
Na ja, Pegasus (Pegasos) trug Herkules eigentlich nur im Disney-Film, wenn ich nicht ganz daneben liege. Darüber hinaus erzählt die Mythologie eher von Bellerophon oder auch Perseus (der die Andromeda gerettet hat).
Nichtsdestotrotz: Hier im Rheinland ist der Sauerbraten quasi "National"-Gericht. Da ist bestimmt auch schon mal das eine oder andere Einhorn auf dem Teller gelandet. Vielleicht gibt es deswegen so wenige?

 Judas meinte dazu am 03.04.19:
Arg! Fataler Fehler, der mir da unterlaufen ist. Du hast natürlich Recht! (ich war vermutlich im Kopfe tatsächlich bei dem Disney-Film). Wird direkt korrigiert.

 drmdswrt antwortete darauf am 03.04.19:
A propos Disney:
Wenn man Bilder von Nuckelavee googlet, findet man auch ganz süüüüüße Bildchen von dem "Ungeheuer". Natürlich auch verstörend, aber dann doch wieder nahe am Zeichentrickfilm.

Edit: Punkt vs. Doppelpunkt.

Antwort geändert am 03.04.2019 um 12:26 Uhr

 Judas schrieb daraufhin am 03.04.19:
Dude. Diese "my pony" Versionen sind sogar noch viel gruseliger und, ja, verstörender als das Original :D
Stimulus (54)
(05.04.19)
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 Judas äußerte darauf am 09.04.19:
Nun ich säe eben gerne Unheil, in jeder Hinsicht ;)

 LottaManguetti (19.03.21)
 Silvio Rodriguez "Gestern habe ich mein blaues Einhorn verloren"
"Voll" schööön ... :)

Kommentar geändert am 19.03.2021 um 14:48 Uhr
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