Aufgespießt

Unverschämtheiten aus Politik, Promiszene und Alltag


Die Kolumne des Teams " Aufgespießt"

Dienstag, 20. August 2013, 15:19
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Grundlegendes

von  Matthias_B


Was gibt's Neues? Naja, dass ein paar (überwiegend weiße) Patriarchen des überseeischen großen Bruders uns allzeit Gehör schenken - auch wenn wir, die freiwilligen digitalen Hüllenlosen, das (eher) nicht möchten - scheint schon bekannt. Bären sollen nicht unter dem Regenbogen spielen? Auch längst vernommen. Abenteuerurlaub im Land der Pharaonen gefällig? Lieber nicht. Hierzulande hat ein Landrat einen eifrigen Leserbriefschreiber via "facebook" angeprangert, der FC Bayern kommt am ersten September zwecks eines Benefizspiels zu Besuch, außerdem habe ich Ferien. Zu unspektakulär? Stimmt wohl. Ein langer Text flösse einem da nicht aus den spottmalerischen Fingern.

Stattdessen - kV soll von ja von meiner bildungs(groß)bürgerlichen Herumtröterei profitieren - wird auf einen Umstand eingegangen, der manchmal in recht langen sowie minderharmonisch verlaufenden Kommentarsträngen als Ursache derselben auszumachen ist: Aus einer wenig fundierten Meinung, welche sich mittels der Wendung Ich verstehe den Text so, dass... umreißen lässt, wird eine scheinbar dem Prinzip der Objektivierbarkeit (welche zumeist unzulässig als "Objektivation" oder unscharf als "Objektivität" tituliert wird) verhaftete grundlegende Haltung, welche sich in infolgedessen vermessenen Formulierungen wie Im Text steht, dass.... äußert, abgeleitet. Widerspricht der Verfasser daraufhin - durch diese Parenthese sei darauf hingewiesen, dass es sehr wohl Kommentatoren bzw. Kritiker gibt, die durch eine literaturwissenschaftlichen Gütekriterien genügenden Analyse von Form, Stil und Isotopie ein Werk gebührend intersubjektiv erschließen können, aber um diese geht es hier nicht, wie gesagt -, bekommt er u.a. die populäre konstruktivistische Scheinwahrheit - dass die Bedeutung (s)eines Textes erst durch den Leser, ja eigentlich in jenem entstünde - serviert. Hat der Autor, der - ebenso ein als "modern" verkauftes Mantra! - in Hinsicht auf das eigene Werk für "tot" erklärt worden ist, nur (noch) die Funktion des Erfüllungsgehilfen, der sich anstrengen müsse, den extern zu bestimmenden Gehalt seines Textes bei den Rezipienten als höchster Beurteilungsinstanz als kognitiv bewirkt worden sein werdend erscheinen zu lassen? Ist lediglich deren jeweilige Lesart entscheidend? Komm zum Text des totgesagten Autors und schau?
Innertextliche Aussagen bzw. Intentionen, die miteinander verbunden angeordnet werden und subsumiert als "Sinn" bzw. "Bedeutung" erprangen, um betrachtet wie erschlossen werden zu können, entstehen nicht im Leser - es entsteht vielmehr so viel Sinn des Gelesenen in jenem, wie viel er im Werk lesen bzw. aus jenem entnehmen kann bzw. will, was von seinen Axiomen, Fragestellungen, der Motivation und dem Vorwissen (oder auch Vorurteilen) abhängig ist. Ist er sich dessen bewusst und vermag er, damit textorientiert umzugehen, kann er seine Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Durchdringung von Stil, Struktur und inhaltlicher Logik des poetischen Gedankengebildes eines anderen schulen - oder sicher erproben, wenn er bereits über analytische Kenntnisse verfügt, die eine Sicht ermöglichen, welche eine undifferenzierte wie ungeordnete Impression übersteigt. Innertextliche Aussagen bzw. Intentionen, die im "Sinn" bzw. der "Bedeutung" resultieren, werden durch die Denotationen und objektivierbaren Konnotationen der Elemente im Wortgemälde durch den Autor erzeugt. Das Ganze wird in einer stilistisch (Stilebene (Ausdruck, Satzbau(, Grammatik)), Stilmittel (rhetorische Figuren und Tropen)) und inhaltlich strukturierten Form (Bedeutungsorganisation) dargeboten, welche sich - auch im Hinblick auf die generelle Schlüssigkeit - mittels der werkorientierten (ich sage nicht "werkimmanenten", da DS und LS miteinbezogen werden müssen) Analyse nachweisen lässt. (An dieser Stelle wird zugegeben, dass bisher eher von idealtypischen Texten die Rede ist; natürlich sind bei dieser Literaturplattform ebenfalls andere Erzeugnisse zu sichten, z.B. welche, in denen eine unstrukturierte wie assoziationssprudelige Befindlichkeitsdiarrhö oder eine unkritisch als poststrukturalistisch geadelte Zufallswörterwürfelei (deren Aufgeblähtheit oftmals durch "extravagante" Zeilenumbrüche intensiviert wird) präsentiert wird. Der Vorteil jener liegt vermutlich in der mühelosen und billigen Herstellung sowie dem gloriosen Anschein selbiger, total raffinierte Chiffren zu enthalten.)
Somit ist ein Text als von einem Autor durchkomponiertes Gebilde aus miteinander verknüpften semantischen Relationen zu bezeichnen - die jeweilige Evokation, welche durch jenen bei den Lesenden bewirkt wird, ist nicht als dessen Basis zu verstehen; je besser er geschrieben ist, umso besser muss er gelesen werden (s. die Anmerkung o.). Will man einen Text textorientiert würdigen, ist es angebracht, erwähnte Denotationen und Konnotationen dessen zu finden - und nicht etwa selbst welche zu konstruieren, die als Textaussage(n) ausgegeben werden. Man stelle sich nur einmal vor, wenn diese Überzeugung, die Konstituierung würde erst durch die jeweiligen Lesenden stattfinden, großflächig angenommen werden würde. Welche Früchte zeitigte eine derartige Deutungsbeliebigkeit, wenn - z.B. in der Schule - erfassungsunwillige oder -unfähige Lernende dem zu interpretierenden Werk eigene Flausen und halbgare Vorstellungen als dessen vermeintliches Substrat aufpfropfen würden! (Am Rande: Wie halten wir's dann mit Sachtexten? Gerichtsurteile wären unmöglich, wenn bei einem Vergehen angeführt werden könnte, dass dieses zustande gekommen sei, weil der Sinn des Gesetzes halt anders erschlossen worden sei. Nein, das war jetzt ein effekthascherischer Schlenker; wir befinden uns in einem Literaturforum.)
Langer Kolumne brillanter Sinn: Das Credo Die Bedeutung entsteht im Leser! ist lediglich ein bequemer Weg des Subjekts (welches aber - wie gesagt - Gütekriterien der Objektivierbarkeit nutzen kann, anstatt die Luftschlösser seiner persönlichen Deutungslaune als Gerüst des Textes eines anderen erneut zu zimmern), Ignoranz wie Unlust oder Unfähigkeit zur gründlichen Textarbeit zu pflegen, wenn nicht gar zu wiegen.
Und jetzt zur Frage, die sich jeder spätestens nach dem ersten Satz nach der Einleitung dieser hyperbolischen und mit gespreizter Oberlehrerhaftigkeit angereicherten Kolumne gestellt hat: Soll das etwas Neues sein? Ähm, für manche vielleicht. Mit dieser schlappen Ausrede sei der Schlusspunkt gesetzt.

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